Vorgegauckelt und nachgerammelt

Joachim Gauck

Joachim Gauck

Vorgegauckelt und nachgerammelt

4. November 2014 / SRK / 0 Comments

Während der Eine mit seiner Frage vor einem Altar und brennenden Kerzen einer demokratisch gewählten Partei und somit ca. zehn Prozent der bundesdeutschen Wähler unterschwellig eine Nähe zur SED vorgauckelt, rammelt der Andere prompt zurück, dass ein Christ nicht schlecht über einen anderen Christen reden dürfe. Dürften sie eigentlich nicht, tun es aber immer wieder.

Die Situation ist peinlich und leider typisch für unsere Republik nach 25 Jahren Wiedervereinigung. Während der Vorgauckler ein christlicher Pfarrer aus dem Osten ist und bei einer nicht geschiedenen Ehe heute mit einer zweiten Lebensgefährtin als Präsident unserer Republik selbstgefällig in Berlin residiert, kommt der Rammler aus dem Westen und setzt sich als prononciert bekennender Christ, in ordentlicher Ehe und mit einer angemessenen Ausbildung, für die Politik seiner Partei im Osten ein. Insofern geht die vorgegauckelte SED-Nähe am Rammler völlig vorbei.

Unabhängig von der Frage aber, ob ein Bundespräsident bei der ihm gebotenen Neutralität sich überhaupt mit solch diskriminierender Fragestellung in die Niederungen der Parteipolitik begeben darf oder sollte, setzt er sich mit solch tendenziösen Einlassungen seinerseits voll der Kritik an seiner eigenen Lebensführung aus. Schon bei seinem Amtsvorgänger hat die Diskrepanz zwischen Amts- und Lebensführung zu einer schweren Beschädigung des höchsten Amtes in unserer Republik geführt. Daher ist es umso erstaunlicher, dass sich der aktuelle Präsident wieder auf ein solches Glatteis begibt.

Wer die Frage nach der Ehre einer demokratischen Partei stellt, muss sich in unserer Demokratie Fragen nach der Ehre seiner Person gefallen lassen. Wer bei einer unserer Parteien bei einschlägiger Erfahrung und Biographie heute noch Unterdrückung von Menschen unterstellt, vertritt das ganze Volk nicht wirklich und disqualifiziert sich eher selbst. Wer dazu noch mit seiner eigenen Lebensführung krass gegen die moralischen Grundsätze seiner eigenen Glaubensgemeinschaft verstößt, verliert jede Kompetenz und Glaubwürdigkeit, über andere zu richten bzw. ihnen undemokratische Gesinnung zu unterstellen.

Das erbärmliche Getöse wird noch potenziert durch die opportunistische Zustimmung christlicher Parteigänger aus der Union und von den Grünen. Die haben die Bibel offenbar nicht gelesen, wonach nur derjenige den ersten Stein werfen soll, der ohne Sünde ist…. bzw. nicht selbst im Glashaus sitzt.

Es ist höchst bedauerlich und schadet unserer Republik, wenn demokratisches Ringen durch diskriminierende und verquere Unterstellungen unseres höchsten Repräsentanten torpediert wird. Hier scheint das Volk schon weiter als sein Präsident, der neuerlich spaltet, was sich seit 25 Jahren zusammenrauft.

Allerdings sollte man Glauben von Politik institutionell überhaupt vollständig trennen. Insofern war es unnötig, eine politische Unkorrektheit zu einer gerammelten Glaubensfrage umzufunktionieren. Christen wie auch Politiker haben immer schon erbarmungslos aufeinander eingedroschen und sich gar totgeschlagen. Wann endlich lernen unsere Politiker, sich sachlich und friedvoll zu verständigen? Als Vorbild für das Volk und nicht als abschreckendes Beispiel.

Georg Korfmacher

[Erstveröffentlichung Freigeist Weimar]

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