Von Michaela Preiner
„Johanna. Eine Passion“ Lisa Schrammel im Hintergrund Jens Claßen, Georg Schubert(Foto: © Georg Mayer) 09. November 2017 Theater Jeanne d`Arc oder Johanna von Orleans steht im Mittelpunkt der neuen TAG-Produktion.Das TAG wartet derzeit mit einem Stoff auf, der vielfach dramatisiert wurde, sogar in eine Oper Eingang fand und auf eine wahre, höchst ungewöhnliche Frauenbiographie zurückgeht. Die Textessemblage, querbeet aus der über die Jahrhunderte enstandenen Literatur zu diesem Thema zusammengestellt, und die Regie zu „Johanna. Eine Passion.“ stammen von Christian Himmelbauer, der die Geschichte von Johanna von Orleans auf ihr Tribunal eindampft.
Lisa Schrammel, in der Rolle der unbeugsamen, von Gott gesandten Kämpferin für ihren König, stehen Jens Claßen, Raphael Nicholas und Georg Schubert gegenüber. Sie mimen ihrer Richter, den Teufel, einen Esel und einen Mönch und versuchen alles, die junge Frau der Ketzerei zu bezichtigen.
Ein Fels in der Brandung
Himmelbauer lässt dabei in einem abstrakten Raum (Alexandra Burgstaller), mit verschiebbaren Quaderelementen, den Bewegungsradius von Johanna immer kleiner werden – sinnbildlich für die Verurteilung, der sie immer näher rückt. Dem Geflatter und Geschnatter der Männer, ihren Drohgebärden, Einschüchterungsversuchen und Lockangeboten steht das junge Mädchen völlig erratisch, wie ein Fels in der Brandung, gegenüber. Die Stimmen der Heiligen, die zu ihr sprechen, werden über Videoproduktionen veranschaulicht, in welchen alle vier Ensemblemitglieder abwechselnd in den Rollen der Einflüsterer zu sehen sind. „Johanna. Eine Passion“(Foto: © Georg Mayer)Schon von Beginn an ist den Männern anzusehen, dass das, was mit Johanna geschehen wird, was sie ihr antun werden, zu ihrer Zufriedenheit ausgehen wird. Überheblich grinsend öffnen sie die Vorderwand eines kubusartigen Raumes, in dem das Mädchen verschreckt am Boden liegt und wie ein weidwundes Tier laut hyperventiliert. Den Minirock, die rote Bluse und die Highheels, die ihr angeboten werden, lehnt sie ab und schlüpft in Hemd und Hose – ganz gegen die Sitte ihrer Zeit. Ein Umstand, der die Männer schier zur Raserei bringt. Ungehorsam im sozialen Kontext, auch wenn er ihr von Gott diktiert wurde, wird von ihnen nicht pardoniert.
Mit einigen kurzen, surrealen Zwischenspielen zu einem Trompetenohrwurm aus den 70er Jahren entschärft der Regisseur das dramatische Geschehen, zeigt zugleich aber die Absurdität der patriarchalen Struktur auf, die Johanna schließlich zum Verhängnis wird.
„Johanna. Eine Passion“(Foto: © Georg Mayer)Lisa Schrammel beeindruckt vom Beginn bis zum Schluss und spielt atemberaubend vor allem jene Szene, in welcher ihr körperliche Gewalt angetan und sie damit zum Geständnis gezwungen wird. Intensiver kann ein dramatisches Geschehen im Theater kaum inszeniert werde. In den Minuten danach, lang gedehnt und ohne Worte, in welchen die junge Frau bibbernd vor Angst und schluchzend ein Geständnis ablegt und in die Frauenkleider schlüpft, hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
Der Schluss – zum Teil in Anlehnung an die Historie – Johanna widerrief ihr Geständnis – steht mehreren Interpretationen offen. Ob er einen Traum zeigt, eine Prophezeiung oder schlicht die Erfüllung eines Wunsches, mit dem sich alle Ungerechtigkeit gegen die junge Frau aufhebt, darf man selbst entscheiden. Mehr soll hier nicht verraten werden. Peter Gabriel singt dazu „my body is a cage“ – und lässt die Gedanken rund um Johannas Frausein weiter schweifen.
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