Von den Vorteilen fehlender Wirtschaftskompetenz

Vielleicht war es ein bisschen voreilig, gleich auf der nicht vorhandenen Wirtschaftskompetenz der neuen Internet-Partei so herum zu reiten. Trotzdem treibt mich diese Frage um, denn Wirtschaft ist leider total wichtig: „Die Wirtschaft“ diktiert die Bedingungen, unter denen wir leben – und eine demokratische Kontrolle der Wirtschaft ist bestenfalls Wunschdenken, denn die findet einfach nicht statt. Die Chefs bestimmen, die Bosse, die Top- und Spitzenmanager. Betriebliche Mitbestimmung beschränkt sich in aller Regel darauf, dass in großen Betrieben Vertreter der Arbeitnehmer versuchen dürfen, das Schlimmste zu verhindern, wenn eine Entlassungswelle oder eine Pleite ansteht. Und meistens funktioniert nicht einmal das.

Außerdem ist bekannt, dass Politiker nicht in den Aufsichtsräten sitzen, um dort irgendetwas zu beaufsichtigen, sondern um sich an ihren guten Beziehungen zum jeweiligen Unternehmen zu erfreuen und eine Menge Geld dafür einzustreichen, keine unnötigen Schwierigkeiten zu bereiten. Sondern diese, falls nötig, mehr oder weniger diskret aus der Welt zu schaffen.

Weiterhin hat sich mittlerweile auch gezeigt, dass Politiker, genau wie die meisten anderen Menschen, keineswegs kapieren, wie Wirtschaft funktioniert. Dafür gibt es Beispiele ohne Ende, da muss man derzeit einfach nur die Nachrichten im Fernsehen einschalten. Aber nicht nur in der großen Politik, auch im alltäglichen Klein-Klein beweisen die politischen Entscheider über sämtliche Parteien hinweg ihre wirtschaftliche Inkompetenz: So haben sich die lokalen Politgrößen in den Kommunen seit Mitte der 90er Jahre unglaublich bescheuerte Geschäftsmodelle aufschwatzen lassen, Stichwort „Cross-Border-Leasing„. Die finanziell klammen Kommunen, etwa Städte im Ruhrgebiet, die unter dem Niedergang der dort angesiedelten Industrie litten, aber natürlich auch über all sonst in deutschen Lande, zum Beispiel Nürnberg, Leipzig oder Berlin, haben ihre Infrastruktur, also Straßen- und U-Bahnen, Kabelnetze, Wasserbetriebe, Wohnungsgesellschaften, Müllverbrennungsanlagen Messehallen, Krankenhäuser und so weiter, an ausländische Investoren verkauft, um Geld ins leere Stadtsäckel zu bekommen. Um das nötige Zeug dann, so die grandiose Idee, von den neuen Eigentümern zurück zu mieten („leasen“). Um nötige Investitionen für die Instandhaltung, so die naive Erwartung der Politiker, müssten sich ja nun die neuen Eigentümer kümmern. Die scherten sich aber einen Dreck um die Erwartungen der dummen deutschen, die ihnen das ganze Zeug zum Vorzugspreis überlassen hatten. Denn so ein US-Investor tritt ja nicht an, um deutsche Kommunen zu sanieren, sondern um Geld zu verdienen. Also wurden Steuergeschenke gern mitgenommen und dann möglichst wenig investiert, und möglichst viel aus dem Bestand rausgeholt – ohne Rücksicht auf Verluste. Denn der Investor muss ja weder in seinen maroden Immobilien wohnen, noch mit den verlotterten S-Bahnen zur Arbeit fahren.

Blühende Geschäfte mit maroder Infrastruktur

Blühende Geschäfte mit maroder Infrastruktur

Plötzlich wurde aus dem supertollen Win-Win-Geschäft Betrug, ja, eine „Büchse der Pandora“, die nun einmal geöffnet immer mehr Übel in den Welt brachte. Die Bankenkrise ab 2008 verstärkte die negativen Effekte, unter den beteiligten Banken fanden sich einschlägige Bekannte, etwa Lehman Brothers, Washington Mutual oder die AIG.

Die dazugehören Verträge mit seitenweise Kleingedruckten hatte sich nämlich keiner der Politnasen durchgelesen, und selbst wenn, wohl kaum einer von ihnen verstanden – denn es handelte sich um sehr viele Seiten feinstes amerikanisches Juristengeschreibsel, ersonnen von hochbezahlten US-Wirtschaftberatern. It’s economy, stupid.

Natürlich wurde am Ende alles viel teurer, als sich die Polit-Profis sich ausgerechnet hatten. Keine Ahnung, warum die im Ernst angenommen hatten, dass so ein Investor nicht nur auf eine möglichst hohe Rendite aus ist, sondern sich ohne Hintergedanken und aus reiner Menschenfreundlichkeit für ihre städtische Infrastruktur interessiert. Das Ende vom Lied: Die Städte zahlen drauf und sind noch für Jahrzehnte an die für sie extrem ungünstigen Verträge gebunden. Sie können im Grunde nichts selbst entscheiden, sondern sind immer darauf angewiesen, dass der Investor ein Einsehen hat, was im Grunde nie der Fall ist. Manche kommen nach viel Lehrgeld dann wieder auf die Idee, dass es vielleicht günstiger ist, beispielsweise die Entsorgung oder den Nahverkehr selbst zu regeln.

Doch genug damit, dieser kleine Exkurs über zwar legale, aber trotzdem kriminelle grenzüberschreitende Scheingeschäfte soll nur belegen, dass es mit der Wirtschaftskompetenz unserer demokratisch gewählten Entscheider nicht sehr weit her ist, selbst wenn sie etablierten und sogar als besonders wirtschaftskompetent verschrienen Parteien angehören. Deshalb möchte ich mein Piraten-Bashing aus dem vorhergegangenen Artikel zwar nicht zurücknehmen, aber doch relativieren. Die Piraten sind in Sachen Wirtschaft leider nicht besser als die anderen, so möchte ich das verstanden wissen. Vielleicht stellt es sich sogar noch als Vorteil heraus, von Wirtschaft keine Ahnung zu haben, denn wenn man das offen zugeben kann, unterschreibt man vielleicht auch keine idiotischen Knebelverträge, nur weil man nicht zugeben will, dass man nicht kapiert, was drin steht.



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