Freie Fahrt für freie Bürger – auf der Datenautobahn

Das ist schon lustig mit den Piraten als Partei. Immerhin haben sie in Berlin dafür gesorgt, dass sich die Grünen und die Linken mal am Kopf kratzen müssen, weil sie den Wählern inzwischen weder grün, noch links genug sind. Am Untergang der FDP sind sie eher unbeteiligt, das hat die nun mehr Fast-Zwei-Prozent-Partei ganz allein hingekriegt. Sogar hartgesottene Besserverdiener wenden sich lieber wieder dem schwarzen Original zu, weil das F bewiesenermaßen nur noch für die Freiheit von jeglicher Kompetenz beim Politpersonal steht. Aber da können die Piraten vermutlich bald konkurrieren. Aber, das muss man ihnen lassen, sie hatten wesentlich weniger langweilige Wahlplakate als die Konkurrenz. Mal abgesehen von der Partei. Die ja als Titanic-Ausgründung irgendwie auch mit Seefahrt zu tun hat, im weitesten Sinne.

Aber zurück zu den Piraten. Nach dem Überraschungserfolg musste ich nun glatt noch einmal nachsehen, wofür die eigentlich angetreten sind. Das ist recht interessant: Auf der einen Seite soll das Urheberrecht weg und alles im Internet frei kopierbar sein, auf der anderen Seite sind Datenschutz und informelle Selbstbestimmung quasi heilig. Freie Information ist also nicht gleich freie Information. Erinnert mich trotzdem irgendwie an „Freie Fahrt für freie Bürger!“ – wenn auch nur auf der Datenautobahn, wie das Internet früher mal genannt wurde. Als Helmut Kohl noch Kanzler war, die Älteren werden sich vielleicht erinnern.

Selbstgemachtes Foto von der Demo am 10. 9. 2011

Das Piratenschiff bei der Eroberung von Berlin

Aber mir persönlich ist es natürlich auch lieber zu wissen, dass ich beim Downloaden von irgendwas, für das ich nicht bezahlen will, nicht erwischt werden kann, weil meine Daten nicht gespeichert werden dürfen. Und der gemeine Terrorist, der im Internetcafé mit kostenlosem Milchkaffeausschank die nächsten Attentate plant, fühlt sich dann bestimmt auch gleich viel sicherer. Oder der perverse Kinderporno-Onkel in seinem stillen Kämmerlein.

Oder nein, in einer Welt, in der alle freien Zugang zum Internet haben, tut bestimmt keiner mehr etwas Böses, weil alles Unheil einfach weginformiert wird. Dann ist es auch kein Geschäftsmodell mehr, den deutschen Steuerfahndern CDs mit Schweizer Bankdaten zu verkaufen, weil ohnehin jeder im Internet nachsehen kann, wer wo wieviel verdient und was jeweils an Steuern gezahlt wird. Praktisch. Oder waren das jetzt die Daten, die geschützt werden sollen? Und warum ist es eigentlich so ein Drama, wenn die Polizei bei Demonstrationen Funkzellen auswertet und dann genau weiß wer mit welchem Handy von wo aus mit wem telefoniert hat, wo doch eh jeder, der etwas auf sich hält, per Twitbook oder Googleface ständig herausposaunt, was er wo gerade so macht? Und gleich noch ein Foto inklusive aktueller Geodaten dazu online stellt? Verwirrend.

Aber es geht noch viel lustiger. Wirtschaft ist ein zugegebenermaßen lästiges Thema, deshalb wird das im Piratenprogramm nach ellenlangen Abschnitten über freie Software, freie demokratisch kontrollierte technische Infrastruktur, Teilhabe am digitalen Leben, Transparenz oder Medienkompetenz, die gelernt werden muss, auch nur kurz abgehandelt. Weil wir ja in einer Geldwirtschaft leben, braucht man ein Einkommen, stellen die Piraten fest. Deshalb müssten es zur Sicherung der Würde aller Menschen eine Vollbeschäftigung geben. Also muss die Wirtschaftspolitik das irgendwie herstellen. Na logisch! Warum ist da eigentlich noch keiner drauf gekommen? (Da sieht man mal, warum die ehemalige Wirtschaftskompetenzpartei vernichtet am Boden liegt) Am besten wäre es nach Ansicht der Piraten die individuelle Existenzsicherung als Teil der öffentlichen Infrastruktur anzubieten – Verkehrswege, das Bildungssystem oder die öffentliche Sicherheit würden den Bürgern ja auch ohne direkte Gegenleistung zur Verfügung gestellt. Irgendwie niedlich – aber wo soll denn dann das ganze Geld für die Geldwirtschaft her kommen, wenn alle von ihrer Existenzsicherung leben und keine Steuern mehr bezahlen?

Gut, das wissen die Piraten eben so wenig wie ich. Aber warum gehen sie nicht einfach den entscheidenden Schritt weiter und stellen fest, dass das mit der Geldwirtschaft eine blöde Sache ist, wenn man doch dafür ist, dass die ganzen wichtigen Dinge, die man so braucht – Internetzugang und das ganze Zeug, was man im Internet ansehen, herunter laden oder sonst wie nutzen kann, nichts kosten sollen. Warum sollen dann alle anderen Dinge, die man erst recht zum Leben braucht, dann eigentlich etwas kosten? Wichtiger wäre doch, dass es nicht nur freie Software und freies Internet, sondern auch freies Wohnen, freies Essen und kostenlose Kleidung gibt – dann braucht man vielleicht auch nicht mehr so viele digitale Parallel-Universen, weil das echte Leben gleich viel mehr Spaß macht. Aber das ist dann vielleicht sogar den Piraten zu lustig.



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