Ein glatzköpfiger Mann spielt Gitarre. Sein leiser verrauchter Gesang wird von einer jungen Frau aus Belgien begleitet. Am Nachbartisch wird über Dimensions-Tore, über „Tagebücher, die man nicht schreibt, weil man noch nicht zu sich gefunden hat“ und Verschwörung fabuliert. Ich glaube er will sie einfach nur ins Bett kriegen. Es riecht nach Pizza – Oregano, leicht verbrannter Schinken, Käse. Ich trinke warmes Bier. Und trotzdem können sich meine Worte nicht lösen. Sie halten sich fest wie ungeliebte Liebende. Ich bin müde, von den Wanderungen vergangener Tage. Meine Haut ist zerkratzt, gereizt, angeschwollen von Kakteen, Dornenbüschen, scharfem Gras, Stacheldraht. Ich bin angespannt vom Schriftverkehr mit einem Amerikaner, der sein Motorrad verkaufen will – wir haben Schwierigkeiten mit den Papieren. Unsere Zukunft liegt nicht in noch mehr Regeln und Paragraphen.
Am Tresen wird getrunken, erzählt und gelacht. Es läuft belanglose Lounge-Musik. Die Kerze wird mit jedem Satz kleiner. Schatten zittern. Ein kleines Mädchen fragt ihre Mutter wie man – sie steht an einer Tischtennisplatte – „das“ spielt. Mutter steht mit den Händen in den Taschen da, sie ruft: „Lass das, vielleicht spielen da Leute! Marie!“ Die beiden Schläger liegen übereinander auf dem linken Feld, der Ball darunter. Käfer schwirren um die Glühbirnen. Man hört, wenn sie dagegen prallen. Morgens werden sie wieder auf dem Boden liegen.
Wie sehr quollen die Worte beim Spazieren heute aus mir heraus. Ich kroch mit dem Arsch auf fußbreiten Graten, beobachtete Wolken, zwang mich durch verwachsene Wälder, kletterte über Zäune und folgte ausgetrockneten Flussbetten. Meine Sätze waren zu lang für mein Gedächtnis, sie folgten zu schnell für meine, kaum noch ans Handschreiben gewohnte, Hand. Wann habe ich das letzte Mal einen Brief handgeschrieben? Meine Tischnachbarin schreibt Tagebuch. Untersetzte Buchstaben. Blaue Tinte. Dickliche Satzzeichen. Gedanken brauchen keineliniertes Papier. Ich wüsste zu gern, wie die auf der Tastatur geschriebenen Gedichte geworden wären, wären sie mit der Hand geschrieben. Das Tempo der Hand, ihre Ausdauer beeinflussen die Gedanken: denn bevor die Kraft die Hand loslässt, möchte man noch jenen wichtigen Gedanken festhalten, andere sind beim nächsten Ansetzen vermutlich schon wieder vergessen; das Eintunken ins Fass ist das Atemholen beim Sprechen – es gliedert den Satz. Die Breite das Blattes bestimmt die Weite des Verses, den Horizont ihrer Bilder. Der Alkohol führt die Linie. Das Papier saugt die Worte auf, wie ein Kind Märchen; es schwemmt sie auf, wie Alkohol das Gesicht; die Feder ritzt ins Papier, wie das Messer in die Baumrinde.
Die Schatten sind länger geworden, zum Rand hin weicher. Ihr Zittern ist stärker. Docht und Kerze. Freund und Feind. Die Worte von der Theke sind weniger, dafür lallen sie.