Titel: Vier Tage in Kabul
Autorin: Anna Tell
Übersetzerin: Ulla Ackermann
Format: Klappbroschur
Preis: 14,99 €
Seitenzahl: 361 Seiten
Verlag: Rowohlt Polaris
ISBN: 978-3-499-27384-1
Bewertung: 3 Sterne
Rezensionsexemplar
Inhalt
Die schwedische Kriminalkommissarin Amanda Lund ist für ein Jahr in Afghanistan stationiert um lokale Sicherheitskräfte auszubilden. Gerade erst hat sie einen Angriff der Taliban überlebt, als ein heikler Auftrag auf sie zukommt: zwei schwedische Diplomaten werden vermisst und die Botschaft geht von einer Entführung aus. Da Amanda Verhandlungsspezialistin ist übernimmt sie den Fall.
Bei der Reichskriminalpolizei in Stockholm koordiniert Bill Ekman diesen Einsatz. Die Sache ist heikel und muss deshalb so lange wie möglich unter Verschluss bleiben. Doch nicht nur diese Aufgabe wartet auf Bill, denn er muss gleichzeitig einen Mordfall aufklären, der möglicherweise mit den verschwundenen Diplomaten in Verbindung steht. Wird die Zeit reichen, um die beiden lebend zu finden?
Anna Tell, die Autorin des Buches ist Kriminalkommissarin und hat mehrere Auslandseinsätze absolviert. Sie hat außerdem als Drogenfahnderin gearbeitet und weiß genau wovon sie spricht. Ihr Buch spielt überwiegend an Orten, die sie selbst gesehen hat. Sie hat die Gefahren, die in Afghanistan lauern selbst erlebt und weiß aus erster Hand mit welchen Situationen sich ihre Protagonistin zurecht finden muss. Deshalb hat „Vier Tage in Kabul“ mich nicht nur aufgrund des Klappentextes angesprochen, sondern auch durch die Biografie der Autorin. Sie hat zwar nicht dasselbe erlebt wie Amanda Lund, dennoch war sie vor Ort, hat dort einen Auftrag erfüllt und die Gefahren am eigenen Leib erlebt.
Auf diese Weise liest sich das Buch gleich etwas anders. Man hat als Leser immer im Hinterkopf, dass sich die Handlung auf diese Art und Weise hätte abspielen können. Das hat mir ab und an eine Gänsehaut bereitet. Der Schreibstil der Autorin hat darin sein übriges getan: präzise, glaubhaft und wirklich anschaulich stellt Tell die Handlung dar. Man kann den Zusammenhängen sehr gut folgen ohne sofort alles um die Ohren gehauen zu bekommen. Das Tempo ist von Anfang an schnell, denn wenn auch nur eine Minute vergeudet wird, könnte das der Tod von zwei schwedischen Diplomaten bedeuten. Dies wird immer wieder vor Augen geführt und gleichzeitig auch die Ohnmacht der handelnden Personen, wenn sie Aufgaben nicht selbst durchführen können und auf andere Hilfe angewiesen sind. Verhöre verlaufen schnell, können aber auch sehr hitzig werden, denn im Hinterkopf der Charaktere schwebt nur ein Gedanke: die Zeit drängt.
Doch nicht nur dieses Tempo hat dem Buch eine ganz besondere Atmosphäre verliehen, sondern auch das Setting. Afghanistan ist ein ungemein gefährliches Land, das in wenigen Minuten das Leben von einem Dutzend Menschen auslöschen kann. Waffengewalt, Bombenanschläge und Morde auf offener Straße sind an der Tagesordnung und niemand ist sicher. Sehr eindrücklich hat die Autorin es geschafft mir zu vermitteln, wie gefährlich es ist in Kabul auf die Straße zu gehen.
Die Protagonistin Amanda ist mir leider nicht sehr sympathisch gewesen. Ich kann nicht genau festmachen weshalb ich nicht mit ihr warm geworden bin, aber irgendetwas an ihrer Art und Weise hat mich gestört. Sie ist eine recht starke und unabhängige Frau, die Selbstbewusstsein ausstrahlt. Was sie in ihrem Beruf und in de Land, in dem sie gerade stationiert ist auch sein muss. Sie weiß wie man Befehle erteilt und auf gefährliche Situationen reagiert. Ihren Job erledigt sie schnell, zuverlässig und ohne zu hohe Risiken einzugehen. Trotzdem habe ich vor allem ihr Privatleben als eher naiv eingestuft. Sie befindet sich privat in einer Situation die ich hinter einer solchen Frau nicht vermutet hätte und ihre Denkweise im Bezug zu dieser Situation ist mehr als nur blauäugig. Das hat für mich einfach überhaupt nicht ins Bild gepasst und mich deshalb sehr irritiert.
Bill Ekman war da eher mein Fall. Er sitzt in Stockholm und versucht den Auftrag von Amanda zu koordinieren und ihr all die Hilfe zuteil werden zu lassen, die sie benötigt, um erfolgreich zu sein. Er hat ebenfalls Ecken und Kanten, die mir mal mehr mal weniger gefallen haben. Vor allem seine Beziehung zu seiner Familie hat mich enorm gestört und doch ist mir seine Art mehr gelegen, als die von Amanda. Seine Auffassungsgabe ist sehr hoch, er arbeitet effizient, schnell und gründlich. Dabei muss er dann noch mit sehr unfähigen Ministeriumsmitarbeitern und Ministern zusammenarbeiten, die sämtliche Erkenntnisse und wichtige Zusammenhänge torpedieren könnten ohne auf die Konsequenzen zu achten. Dass Bill dort noch einigermaßen ruhig bleiben konnte hat mich immer wieder gewundert und meine Achtung vor ihm als selbstsicheren Mann ist gestiegen.
Die Zusammenarbeit der beiden habe ich sehr gemocht. Sie vertrauen sich, halten zueinander und unterstützen sich gegenseitig in allen Belangen. Sei sind routiniert bei der Sache und lassen in den nötigen Momenten alles private fallen, um sich nur dem Auftrag zu widmen. Trotzdem haben beide (und auch sämtliche andere beteiligten Polizisten) ein wichtiges Detail vollkommen aus den Augen verloren, das mich quasi direkt angesprungen hat. Es hat genau 350 Seiten von 361 gedauert, um das zu lösen, was ich schon vor der Hälfte des Buches vermutet habe. Niemand von den Polizisten hat auch nur daran gedacht dieses Detail, das meines Erachtens nach alle Beteiligten sofort hätte anspringen müssen, zu untersuchen.
Diese Tatsache hat mich immer weiter aufgeregt, vor allem als sich mein Verdacht immer und immer weiter verdichtet hat und ich am liebsten die Protagonisten angeschrien hätte einmal genauer hinzusehen. Das hat mir das Buch ein wenig vermiest, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches Detail bei einer echten Ermittlung wirklich völlig außer Acht gelassen wird. Aus dem Grund weiß ich nicht, wieso die Autorin so lange damit gewartet hat, auf den Plan zu rufen, was für mich längst offensichtlich war. Es hätte noch etliche spannende Momente bereit halten können, wäre diese Tatsache viel eher aufgedeckt worden.
Fazit
Das Buch ist wirklich sehr gut geschrieben, wirkt authentisch, glaubhaft und sehr eindrücklich. Die Autorin weiß wovon sie spricht und meistens kann diese Tatsache die Atmosphäre bestätigen. Das Tempo und die Spannung der Handlung sind schnell und gut dargestellt. Doch die Tatsache, dass beide routinierten Ermittler ein wichtiges Detail völlig außer Acht lassen, hat mir teilweise den Spaß an der Geschichte genommen. Es wurde teilweise einfach Spannungspotenzial verschenkt, das durch die Aufdeckung dieser Tatsache möglich gewesen wäre. Trotzdem konnte mich die Geschichte wirklich gut unterhalten.