Via Catalana. Einbahnstraße zur Unabhängigkeit?

11. September 2013, La Diada, Gedenken an die Niederlage des habsburgischen Lagers im spanischen Erbfolgekrieg 1714, Nationalfeiertag der Katalanen.

Im Vorjahr eine Millionen-Demo unzufriedener Menschen in Barcelona, die damals nur durch glückliche Umständen nicht aus dem Ruder lief. Sie war auch ein Teil des Protestes gegen die asoziale Kürzungspolitik der Gelb-Schwarzen CiU-Koalition* in Katalonien.

Artur Mas, der amtierende Präsident der Autonomie Katalonien, der unter erheblichem politischen Druck stand, glaubte seine Chance zu erkennen, ernannte sich zum obersten Separatisten und setzte sich an die Spitze der Unzufriedenen und rief nach nur zwei Jahren vorgezogene Neuwahlen aus. Er trommelte zwei Monate aus allen Propagandarohren Dauerfeuer…

Doch die katalanischen Wähler durchschauten ihn und sein taktieren und „schrumpften“ seine Koalition CiU von 64 auf 50 Sitze im Parlament. Er benötigte einen Partner, den eigentlichen Wahlsieger ERC (Esquerra Republicana de Catalunya). Diese trat nicht in die Regierung ein, sondern duldete sie und spielte sich als Teil der Regierung und der Opposition zugleich auf. Das machte das Leben für Artur Mas nicht leichter.

Die ERC stoppte, vertreten durch den selbstbewussten Oriol Junqueras, einerseits die neoliberalen Kürzungen der Gelb-Schwarzen, drückte andererseits aber aufs Tempo hinsichtlich eines Referendums unter dem Thema „Das Recht zu entscheiden!“ das die Katalanen bezüglich ihrer Unabhängigkeit für sich beanspruchen. Bis spätestens Ende 2014 sollte dieses Referendum durchgeführt werden. Dies ist Teil der Koalitionsvereinbarung! Nun hatten die Gelb-Schwarzen in Barcelona ein Problem. Ihr linker Koalitionspartner nahm sie beim Wort. Damit hatten sie nicht gerechnet! Einerseits trommelten sie munter ihre Parolen über die Unabhängigkeit, die sie Andererseits gleichzeitig konditionierten: Alles sollte rechtlich einwandfrei, gesetzlich, friedlich im Rahmen der Verfassung ablaufen. Sie mussten wissen, dass dies unmöglich ist?

Die spanische Verfassung verbietet den Austritt oder Abfall von Teilen des Staatsgebietes und sieht als Maßnahme für Abtrünnige die Amtsenthebung der verantwortlichen Politiker und Funktionäre und die Zwangsverwaltung notfalls quer durch alle Hierarchieebenen der Verwaltung vor.

Mas flüchtete nach Brüssel zur EU:
Die EU stellte klar, dass ein neuer Staat Katalonien nicht automatisch Teil der EU sein könne und sich erneut durch den ganzen Beitrittsprozess qualifizieren müsse.

Mas flüchtete nach Brüssel zur NATO:
Die NATO stellte klar, dass ein abfallender Teil eines NATO-Mitgliedes nicht Teil der NATO sein könne und dies auch nicht erneut werden könne, solange es Differenzen mit dem ehemaligen Staat gäbe.

Mas flüchtete zur Wirtschaft:
Die Multinationalen Firmen in Katalonien stellten klar, dass sie notfalls verlagern würden, wenn die katalanische Produktion nicht mehr Innerhalb der EU frei verkauft werden könne. Katalonien wäre bezüglich Import, Export und Reise- und Niederlassungsfreiheit Ausland für die EU und umgekehrt!

Zwischen Madrid und Barcelona beschimpfte man sich heftig und ausgiebig. Schwache politische Hauptakteure, endlose Korruptionsskandale auf beiden Seiten sorgten für einen lähmenden Stillstand. Madrid goß noch ordentlich Öl ins Feuer bezüglich der Bildung und des Schulsystems in Katalonien. Auch bezüglich der Steuern, deren Eintreibung und Verteilung lagen die Auffassungen diametral auseinander. Katalonien ging ohne Haushaltsentwurf(!) für 2013 und damit auch ohne eine Einigung über die von Madrid akzeptierte Verschuldung in die Sommerpause.

Inzwischen aber hatte sich etwas geändert. Es gab nach einer Phase der Provokationen und Sprachlosigkeit Gespräche zwischen Mariano Rajoy und Artur Mas sowohl über vertraute Emmissionäre als auch persönlich. Man suchte in der verfahrenen Situation nach Gesichtswahrenden Lösungen. Mas räumte ein, die Volksbefragung möglicherweise ans Ende (2016!) seiner Legislaturperiode zu verschieben und dann die nächste Autonomiewahl plebiszitär zu konzipieren. Mas neigte auch dazu, die Frage aller Fragen nicht eindeutig, sondern in einer Art “sowohl als auch”- Manier* zu formulieren. Die ERC protestierte! *(wollt ihr die Unabhängigkeit, oder reicht es euch, weniger Steuern zu bezahlen?)

Die Gelder, die Steuern und deren Verteilung rückten in den Vordergrund, wie viele von Anfang an prophezeit hatten. Auch innerhalb von CiU waren längst nicht alle für die Unabhängigkeit von Spanien! Josep Antoni Duran i Lleida von der Unió galt von Anfang an als unsicherer Kandidat in diesem Punkt.

In dieser Situation rückte erneut der 11. September näher und die Verantwortlichen, die unkontrollierbare Menschenmassen in Barcelona fürchteten, fanden eine nahezu geniale Lösung:

Die „Via Catalana“ eine fröhlich-jubelnde Menschenkette, etwa parallel zur Mittelmeerküste von den Pyrenäen bis hinunter bis zu den Nachbarn aus Valencia, etwa auf den Spuren der alten, römischen Via Augusta verlaufend.

Diese lieferte friedliche, fröhliche, bunte Bilder, die international starke mediale Beachtung fanden, trotz der akuten Syrien-Krise.  Die New York Times konnte sich aus journalistischer Sorgfalt Hinweise auf die Korruptionsskandale, das Haushaltsdefizit und die Verschuldung Kataloniens trotzdem nicht verkneifen.

Die erste Garde der Politik nahm an der privat veranstalteten Menschenkette nicht teil, um „das Amt zu schonen“, wie es hiess. Man legte sich damit aber auch nicht fest und hielt sich so mehrere Lösungen offen. Soweit mir derzeit bekannt, lief die Demo friedlich ab.

Selbst die naturgemäß parteiische katalanische Presse sprach zwar von einem vollen Erfolg, jedoch nicht von einer Beteiligung die höher als im vergangegen Jahr gelegen hätte, ganz im Gegenteil! Da diese Menschen zudem über 400km verteilt waren, gab es außer heftigen Staus auf den Straßen keine größeren negativen Vorkommnisse. Statt dessen: Alles unter Kontrolle! Wie schon gesagt, ein ziemlich geniales Konzept…

Zusammenfassung:
Halten wir fest. Es waren zwar nicht mehr Teilnehmer als im Vorjahr. Das Thema war aber klar die Unabhängigkeit und nicht eine generelle Unzufriedenheit mit der Autonomie-Regierung, die im Vorjahr eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hatte. Trotzdem sagten passend veröffentlichte Umfragen, dass sich nur gerade 52% der befragten Katalanen für die Unabhängigkeit aussprachen, das Land in dieses Frage also praktisch in zwei etwa gleich große Hälften (52/48) geteilt ist! Dies ist wohl kaum eine Basis für eine Abspaltung, die die Hälfte der Einwohner des neuen Landes Katalonien zu Bürgern zweiter Klasse machen würde?

Die Legalitätsfrage ist ungelöst. Eine verfassungsändernde Mehrheit aller Spanier, die diese Verfassung ändert und Katalonien (und andere?) aus Spanien entlässt, die ist nicht in Sicht und auch nicht zu erwarten.

Legal ist die Unabhängigkeit nicht zu haben, da kann die Generalitat noch so viele Expertengremien gründen, bezahlen und ganze Berge von Papier beschreiben lassen. So gründet sie halt Botschaften im Ausland, lobbyiert vor internationalen Organisationen und beliefert die Medien mit bunten Bildern und positiven Geschichten. (fürchte, wird fortgesetzt!)

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Convergència i Unió [kumbəɾˈʒεnsiə i uniˈo] (CiU) ist ein Parteienbündnis mit regionaler Verankerung in der spanischen Autonomen Region Katalonien. Es ist 1978 aus dem Zusammenschluss der Convergència Democràtica de Catalunya (CDC, Demokratischer Pakt Kataloniens) und der Unió Democràtica de Catalunya (UDC, Demokratische Union Kataloniens) hervorgegangen. (Quelle: Wikipedia)



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