Versöhnung am Ussuri – Machtpoker mit Isolationsrisiko

Karl Marx starb am Ussuri. So hieß es, als aus dem politischen Bündnis zwischen der Sowjetunion und der Volksrepublik China ein Zerwürfnis wurde. Die unterschiedlichen Programme der beiden kommunistischen Parteien kulminierten in militärischen Konflikten entlang des Grenzflusses Ussuri. Das ist lange her und seitdem hat sich die Welt dramatisch verändert. Tatsächlich führte der Disput zwischen UdSSR und China zu einer Neukomposition der politischen Weltlage, die während des Kalten Krieges bipolar, später dann, vor allem durch die Politik Jugoslawiens und vor allem Chinas in der Bewegung der Blockfreien quasi tripolar wurde. Erst nach der Implosion der Sowjetunion kam wieder richtig Bewegung in das Spiel der Kräfte. Der vermeintlich obsiegende Gigant USA schwächelt seit dem Niedergang der Sowjetunion, verhält sich aber wie ein strahlender Sieger. Ökonomisch ist ein Riese in der Pazifikregion erwacht, der sich anschickt, der Welt eine neue Ordnung zu bringen.

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Beim Poker um die Welt-Vormachtstellung spielen die Medien mit gezinkten Karten. Die Entwicklung könnte jedoch eine ganz andere Wendung nehmen als geplant – Foto: © Günther Gumhold / Pixelio.de

Der Konflikt zwischen den USA und der EU auf der einen Seite und Russland auf der anderen um die zukünftige Rolle der Ukraine spielt bei der Neuordnung der Welt eine zentrale Rolle. Nur so ist die offen propagandistische und aggressive Berichterstattung der hiesigen Staatssender zu erklären. Handelte es sich um einen normalen Konflikt, würde nicht so gelogen und betrogen, um emotional zu eskalieren. Doch was aus Sicht Washingtons und Brüssels wie eine weitere Erweiterung des Einflussgebietes Richtung Russland aussieht, was übrigens weder mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker noch mit einer wie auch immer gearteten Friedensdoktrin einhergeht, ist der Versuch, ein westliches Machtzentrum zu definieren, das Russland isoliert und sich selber konkurrenzfähig macht gegenüber China und der Pazifikregion. Die Strategie beinhaltet territoriale Expansion auf dem europäischen Kontinent nach Osten, so weit wie möglich, um die Märkte zu vergrößern und die Rohstoffreservoirs zu erweitern. In diesem Konnex steht die geplante Freihandelszone zwischen Europa und den USA, die ein wirtschaftliches Gegengewicht gegen den heute schon gigantischen pazifischen Markt schaffen soll. Weder Europa noch die USA alleine hätten auf Dauer eine Chance, gegen die dort existierende und sich weiter konstituierende Wirtschaftskraft zu konkurrieren.

Der Plan funktioniert jedoch nur, wenn es gelingt, Russland politisch und wirtschaftlich aus dem Verkehr zu ziehen. Die schier unermesslichen Rohstoff- und Energiereservoirs Russlands wären einerseits die Feinunze, die im globalen Konkurrenzkampf das Pendel zugunsten des Herausforderers ausschlagen lassen könnte. Hätte der Westen einen kühlen Kopf behalten und die jüngere Politik auf dem europäischen Kontinent ohne Ressentiment und Hasard betrachtet, dann hätte der Schluss wohl nahegelegen, eher ein strategisches Bündnis mit Russland zu suchen als ihm an die Gurgel zu schnellen. Letztere Option ist längst beschlossene Sache und eine echt Kriegsgefahr. Nie, nicht im Irak und nicht in Afghanistan, war die Gefahr so groß, dass Europa in einen Krieg gezogen wird. Die Aussichten sind trübe, die Propagandamaschine läuft.

Eine Misskalkulation ist zu beobachten, derer sich die Strategen in Brüssel wie in Washington schuldig gemacht haben und deren Konsequenz heute schon kaum noch gutzumachen ist. Sie hat dazu geführt, dass zwar nicht Karl Marx, aber eine alte Allianz gerade dabei ist, am Ussuri zu neuem Leben zu kommen. Die Annäherung zwischen Russland und China ist schon heute eine Tatsache. Sie wird, global gesehen, den Westen weiter isolieren. Was so wohl keiner wollte. Aber Dummheit schützt vor Schaden nicht. Und auch nicht vor einer Erhöhung der Kriegsgefahr.

von Gerhard Mersmann

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Quellen – weiterführende Links

Bildtitel “Gebetbuch des Teufels” – Foto: © Günther Gumhold / Pixelio.de


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