Verkanntes Musikgenie ;-)

meine bisherige lebenserfahrung hat mir gezeigt, dass ich mit vielen talenten gesegnet bin. musikalisches talent scheint nicht dazuzugehören. ICH finde das nicht. dafür aber meine umwelt. und zwar von klein an.

als kind versuchte ich mich im blockflötenspiel. besonders 1 lied hatte es mir eine zeit lang sehr angetan: „wir bergleute hauen fein….“ voller eifer trötete und blies ich stundenlang in meinem zimmer in die flöte. bis auf einmal meine mutter wie eine furie in meinem zimmer erschien und mir die lust am blockflötenspiel nahm. ich glaube mich zu erinnern, dass sie sie mir wegnahm (jaja, mama, ich weiß, dass du das liest und jetzt sicher sagst: „nein, das stimmt so nicht“ ;-) )

etwas später, ich war wohl so 11, ereiferte ich mich im musikunterricht. ich hatte meine freude am singen entdeckt. wir übten gerade mit der ganzen klasse den gassenhauer  “I´ve come from alabama with my banjo on my knee…oh susanna…“. ein tolles lied, das wir im chor und mehrstimmig rauf und runter sangen. ich mit voller inbrust. am ende der stunde fragte der lehrer:

„na, wer traut sich mal ganz alleine zu singen?“

sofort schnellte meine hand in die höhe und wippte enthusiastisch in richtung lehrer. ich war die einzige, die sich meldete. der lehrer lies seinen blick über uns schweifen, ignorierte meine hand geflissentlich und sagte:

„nun ja, offenbar keiner.“

sackgesicht.

danach ruhte meine musikkarriere viele lange jahre. wie ihr wisst, bin ich als studentin für längere zeit nach indien gereist. ich habe schon etwa 1 jahr zuvor in berlin eine sitar (indisches saiteninstrument) erstanden und nahm regelmäßig stunden bei einem alten, geduldigen indischen musiklehrer. natürlich wollte ich meinen indienaufenhalt auch dazu nutzen, mich in diesem punkt weiterzubilden. kurzentschlossen suchte ich mir in rishikesh einen musiklehrer. vielmehr war es eine ganze musikerfamilie. so wie es im indischen kastensystem nun mal üblich ist. der papa, ein dürrer, energischer mann mit imposanter hakennase war der obermusikguru und sangita, die mittlere tochter, war das talent der familie, der man eine große karriere voraussagte. familienintern zumindest. ich verbrachte tage und stunden in ihrem haus und kam der familie sehr nahe. liebenswerte leute, aber alle völlig verrückt. die älteste tochter war bereits einem rikshafahrer aus neu delhi versprochen, traf sich aber heimlich mit einem soldaten. die jüngste tochter war unglaublich faul und aß den ganzen tag. der älteste sohn verliebte sich in die dorfprostituierte und ließ sein ganzes geld, das er verdiente, bei der schönen sita. sita nahm auch ganz plötzlich musikstunden beim vater und zwar privat, unter vier augen, in seinem zimmer. also viel singen gehört habe ich die nicht ;-) . und die mama war einfach nur lieb, dick, und herzenswarm.

alle hindus haben zu hause einen altar, mit dem sie ihrer gottheit huldigen. in dieser familie war es schon eher ein tempel, ein ganzes obergeschoss, das der göttin der künste und wissenschaft, saraswati, geweiht war. entsprechend befand sich das musikzimmer in diesem tempel. und dort lernte ich fleißig klassische indische musik. gesang, tabla und sitar. wie eine verrückte trommelte und sang ich dazu und zupfte die sitar-seiten, bis meine finger wund waren. die gesamte familie tat so, als wäre ich der aufsteigende stern am indischen musihimmel. wir redetetn sogar über eine deutschlandtournee: gesang sangita, an der tabla katerwolf. irgendwann wurde mir kundgetan, dass meine künftige große musikkarriere in direktem zusammenhang mit der huldigung der göttin saraswati zusammenhing. so würde zum beispiel ein neuer anstrich des tempels extrem förderlich sein. kostet ja in indien nicht so viel. flugs die farbe gekauft und mit dem ältesten sohnemann schnell mal den tempel gestrichen. es gab auch noch so das eine oder andere am haus zu reparieren *räusper*.

in meinem musikrausch kam mir das nicht spanisch vor. ganz und gar nicht. so trommelte und sang und zupfte ich munter weiter. ich erinnere mich, dass ich einen ganzen nachmittag das gleiche, sehr monotone stück auf der tabla probte und dazu sang. ich erinnere mich, dass ich selber das gefühl hatte, den takt nicht zu finden, dass meine stimme knödelte und dass beides auch so gar nicht synchron war. egal. trommel, knödel, hämmer. stundenlang. plötzlich stürmte der papa mit zerzaustem haupthaar ins musikzimmer und brüllte wie ein wilder stier:

„which idiot is causing this terrible noise?“

erst da erblickte er die verursacherin des krawalls: mich. er wechselte ganz kurz die gesichtsfarbe, murmelte etwas von: “ I need this tabla on my own now“ nahm mir die trommel weg und vrschwand nach unten.

da haben wir es wieder.

als ich aus indien zurückkehrte, wollte ich sofort mein entdecktes musikgenie in meiner indischen musikgruppe offenbaren. voller enthusiasmus tauchte ich mit meiner sitar auf und verkündete vollmundig, meine neuen fähigkeiten unter beweis stellen zu wollen. alle saßen im halbkreis um mich herum und mein lehrer bat mich anzufangen. und los gings: schmissig trällerte und zupfte ich mein gesamtes repertoire herunter und ließ mich so richtig mitreißen. als ich fertig war, schaute ich gespannt und freudig in die runde. fassungslose gesichter. vermeidung von blickkontakt. stille. irrtümlicherweise fasste ich diese reaktion zunächst als begeisterung auf. ja, sie hatten mein genie erkannt! aber es war entsetzen. nach mehrmaligem räuspern und ähems gewann mein musiklehrer schließlich seine fassung wieder und murmelte:

„ja, also. sagen wir es so: gott gab dir orangen. jetzt du musst schälen die orangen.“

wie, orangen? pffft.

ich spielte noch eine weile weiter, spielte sogar kurzzeitig in einer band und dann verlief meine musikkarriere irgendwann im sand. vermutlich zum wohle der menschheit ;-)

obwohl, ein aufleben gab es dann doch noch. als mein sohn geboren wurde. ich sang ihm abends gerne einschlaflieder vor, weil er beim einschlafen oft weinte. als er endlich sprechen konnte, teilte er mir beim abendlichen vorsingen unmissverständlich mit:

„mama, CASSETTE!“

kann er sich heute natürlich NULL dran erinnern. von wegen!

so ist das. ist auch nicht wirklich schlimm, dass ich keine weltbekannte rockröhre geworden bin. vermutlich wäre ich jetzt schon 10x geschieden und wäre drogen-, tabletten- und alkoholabhängig. wer will das schon? aber wenn ich darüber nachdenke, könnte ich ja mal im chor singen. mal schauen, wie schnell ich auf der schwarzen liste des deutschen chorverbandes lande. ich denke mal, ich reite lieber. im wald hören mich nur die lola und der joschi singen. und vielleicht ein paar vogel- und igelopfer. also bislang sind weder pferd noch hund von meinem gesang durchgegangen. „im frühtau zu berge, wir ziehen, fallera..“ *träller*


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