Vergessene Romane (5)

Vergessene Romane (5)

Der amerikanische Autor Donald Miller hat seinen ganz eigenen Stil. So wie er, schreibt kaum einer. Seine Texte sind literarische Telegramme, kurze Mitteilungen an die Außenwelt. Notizen aus der Hölle. Es sind Hilferufe und Kurzbeschreibungen von Qual und Untergang.
1972 veröffentlichte Miller den Roman „Höllenritt“. Die einzelnen kurzen Kapitel sind wie mit einem Skalpell geschrieben. Er reißt Wunden auf, er wühlt im Inneren des Lesers. „Höllenritt“ wurde von den Kritikern verschwiegen. Es gab einige Zeit eine regelrechte Hetzjagd auf Miller. Manche Politiker bezeichneten ihn sogar als Verräter und verlangten, man müsse „diesen Bastard hinter Gitter bringen“.

… Das Maul. Geöffnet zum Schrei. Nutzt nichts. Das Bombardement läuft. Jetzt wird alles dem Erdboden gleich gemacht. Schon fliegen Leiber wie in einem Märchen durch die Lüfte. Kennen keine Erdanziehung mehr. Trennen sich von Armen und Beinen. Im nächsten Moment rieselt ein Blutschauer auf uns runter. Ich blicke mit dem geöffneten Mund nach oben und spüre die Spritzer aus menschlichem Blut auf meiner Zunge. Conrad gibt den Befehl. Wir ziehen uns zurück. Überlassen das Dorf den Bomben. Sollen die doch verrecken, schreit Conrad.
Plötzlich hängt eine Frau an meinen Beinen. Fragt nicht, wie die da hin kam. Weiß es nicht. Panik. Ich schrei auf sie runter. Sie soll verfluchtnochmalundeins los lassen. Reagiert nicht. Was bleibt? Zieh meinen Revolver, drück ihr die Mündung hinter die Ohren und drücke ab. Hirn! Kannst immer nur hoffen, dass es das Hirn von einem Feind ist …

Als der Roman 1972 bei der Green-Press erschien, befand sich Miller gerade in einem Scheidungskrieg, der ihn noch den Rest seines Lebens verfolgen sollte. Seine Frau Linda trennte sich mit den vier Kindern, zog mit einem drittklassigen Rennfahrer namens Jim Raith in eine kleine Stadt im mittleren Westen und hinterließ ihm einen Berg von Schulden. Sie verklagte Miller auf Unterhaltszahlungen, die er zu zahlen nicht in der Lage war. Miller jobbte für einige Monate in einem Plattenladen in Los Angeles. „Damals dachte ich noch: Die werden mich bald feiern. „Höllenritt“ ist draußen und es ist ein verflucht guter Roman. Das müssen die doch erkennen. Die? Na, ich meine die Leser. Keine Kritiker. Das ist eine Bande, bestehend aus Schwachköpfen und Irren. Tja, und dann kam alles ganz anders. Kein Mensch interessierte sich für den Roman. Und ich verirrte mich immer tiefer in meinem Schuldenberg.“

… Als wir vom Krieg heim kamen. In dunkle Städte. Ausgeleuchtet wie die Hölle. Alles fraß und soff. Conrad schleppte mich zu sich. Saßen da wie die Lämmer. Es waren traurige Monate. Wussten nicht, worüber wir reden sollten. Und irgendwann sagte Conrad: Ich vermiss den Tod. Ja. Das war es. Ich vermisste ihn auch. Der Tod. Hier war keiner. Das war ein Zwischenreich. Aber der Tod gibt dem Leben seinen Wert.
Packte also meine Sachen und trampte. Sah viele Gesichter. Menschen. Ich vermisste meine Waffe. Die Bomben.
Lag unter den Sternen und sah hoch und wusste, ich würde bald einen Menschen töten. Und so kam es auch. Eine Hausfrau. Einfach so. Sie hatte mir nichts getan. Aber danach ging es mir besser.
Ich fuhr wieder in die Stadt zurück. Zu Conrad. Suchte ihn überall. Sein Haus hatte er verkauft. Wo ist er, fragte ich die Leute. Am Friedhof, sagten sie. Besucht er da jemanden, fragte ich. Nö, sagten die Leute. Der liegt da. Hat sich erhängt.
Konnte es nicht glauben. Conrad. Dem hatte die Hölle nichts ausgemacht. Wohl aber die amerikanische Lebensart. Konnte ihn verstehen. Klar …

Es sind vor allem solche Passagen, die einige konservative Politiker gegen den Roman aufwiegeln. Sie fühlten ihre Lebensart verraten.
Miller erzählt später in einem Interview über diese Zeit: „Irgendwann brannte sogar mein Haus. Ich dachte: Das kann doch nicht wahr sein. Wir sind hier in Kalifornien. Nicht irgendwo im Süden, wo sich der Klan austobt. Da hätte ich das ja noch verstanden. Aber hier? Egal. Sie hassten mich. Alle. Ich dachte: Hätte ich doch den verfluchten Roman nie geschrieben. Zum Glück wurde es dann ruhiger. Immer ruhiger. Der Roman verkaufte sich schlecht. Er wurde nicht mehr aufgelegt. Und irgendwann war ich vergessen. Zum Glück.“
Miller verlässt Los Angeles. Er zieht an die Ostküste. Dor schreibt er noch einige Kurzgeschichten und zwei Romane. Er verschwindet im Vergessen.
Miller starb 1986 an Lungenkrebs. In seinem letzten Roman „Die Innereien“ schreibt er:

… Löste sich langsam auf. Lag im Krankenhaus. Nie kamen Besuche. Starrte in die Wolken. Wie in ein Buch. Die Schwestern sprachen ihn an. Keine Antwort. Er spürte das Leben weichen. Nicht schlimm. So dachte er.
Wühlte in seinem Kopf. Erinnerungen. Kramte sie raus. Da waren sie. Projizierte sie an den Himmel. Sah sich als Junge mit einem Ball. Was für eine Zeit? Gab es die überhaupt? Dann mit einem Gewehr im Dschungel. Schweißbedeckt. Überall Moskitos. Jetzt lag er hier. Starb. Was ist das Leben? Ein Scheißhaufen, in dem du schließlich erstickst. Dachte er. Schloss die Augen. Die Wolken waren verschwunden. Alles verschwindet. Mehr Wahrheit gibt es nicht. Wollte er der Schwester sagen. Behielt es aber für sich …

Romane von Donald Miller:

Höllenritt (vergriffen)
Schweine und Elfen (vergriffen)
Die Reise (vergriffen)
Die Innereien (vergriffen)



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