Schlechte Nutzererfahrungen sind allgegenwärtig, jeder hat sich schon über Probleme mit Webseiten, Apps oder Software geärgert. Es fehlen die wirklich wichtigen Informationen auf der Webseite, ein Formular hat die eingegebenen Daten wieder vergessen oder eine App funktioniert nicht wie erwartet.
Im E-Commerce sind schlechte Nutzererfahrungen für Shop-Betreiber richtig teuer. Der Wettbewerb ist nur einen Klick entfernt und verärgerte Nutzer sind leicht geneigt den Kaufprozess abzubrechen. Die Standards für User Experience im E-Commerce setzen große Player wie Amazon oder Zalando. Sie beschäftigen ein Heer von Entwicklern, UX-Designern und User Researchern. Gar nicht so einfach da Schritt zu halten als kleinerer Shop.
Aber schlechte Nutzererfahrungen lassen sich verhindern. Beobachtet man Nutzer dabei, wie sie den eigenen Shop bedienen und an welchen Stellen Sie verwirrt sind und Probleme haben, gewinnt man viel neues Wissen zur Optimierung des eigenen Shops. Diese Art von Nutzerbeobachtung nennt sich „Usability Test" und ist nicht nur den Großen vorbehalten. Jeder Shop-Betreiber kann selbst Usability Tests durchführen.
Wir haben die häufigsten Fragen zu diesem Thema zusammengetragen:
Wie funktioniert ein Usability Test?
Bei einem Usability Test beobachtet man Nutzer aus der eigenen Zielgruppe dabei, wie sie eine Webseite, App oder Software bedienen. Er eignet sich insbesondere zur Detailoptimierung von Interaktionen, wie z.B. der Kaufstrecke in einem Online-Shop.
Die Benutzer erhalten typische Aufgaben, die sie erfüllen sollen. Dabei wird geprüft an welchen Stellen Probleme auftreten.
Beispielaufgabe: „Suche einen roten Leder-Turnschuh in Größe 44 und lege ihn in den Warenkorb."
Was kann man aus einem Usability Test lernen?
Je nach Aufgabenstellung, Testgegenstand und Zielgruppe kann man aus einen Usability Test sehr unterschiedliche Erkenntnisse ziehen. In erster Linie geht es darum herauszufinden, vor welchen Schwierigkeiten Nutzer Ihres Webshops stehen. Sei es bei der Produktsuche, im Warenkorb oder dem Bestellprozess. Probleme, die man sonst nie erfahren würde, da reine Statistiken aus den Analytics-Tools nichts über die Beweggründe der Abbrecher verraten. Ein Usability Test kann aber auch bereits auf Google beginnen, und die Teilnehmer suchen selbstständig nach Angeboten für die von Ihnen angebotenen Produkte. So lernt man, welche Mitbewerber präsent sind, und wie der eigene Shop im Vergleich wahrgenommen wird. Eine Nachbefragung mit Skalenantworten (z.B. „Auf einer Skala von 0-10, wie wahrscheinlich würden Sie diesen Webshop weiterempfehlen?") kann zudem sehr wertvolle Erkenntnisse über die subjektive Sicht der Teilnehmer liefern.
Was ist die „Think aloud" Methodik?
Die Nutzer werden bei einem Usability Test dazu angehalten laut zu denken („Think aloud" Methodik). Durch das laute Mitsprechen der Gedanken, kann ein Beobachter die Handlungen des Nutzers besser verstehen und Rückschlüsse ziehen, ob die Webseite oder App wie geplant funktioniert. Auf diese Weise bekommt ein Beobachter direkt Emotionen wie Frust oder Freude mit.
Ein Verzicht auf die „Think aloud" Methodik empfiehlt sich nicht, denn eine reine Nachbefragung der Nutzer ist im Gegensatz zur „Think aloud" Methodik viel subjektiver und stark vom Erinnerungsvermögen und -willen der Teilnehmer abhängig.
Wie groß sollte die Anzahl der Teilnehmer sein?
Die gern zitierte Faustregel von Usability-Guru Jakob Nielsen besagt, dass bereits 5 Teilnehmer 80 % der Usability Probleme finden. Bei weniger Teilnehmern besteht die Gefahr, dass man einiges übersieht und Probleme einzelner Tester überbewertet. Bei mehr Teilnehmern steigen die Kosten zwar weiter an, aber es werden im Verhältnis weniger neue Probleme aufgedeckt. Dafür erhält man mehr Informationen darüber, wie häufig die Probleme auftreten.
Eine große Anzahl von Teilnehmern um an „statistisch signifikante" Daten zu kommen ist hingegen nicht nötig. Schließlich handelt es sich bei Usability Tests um qualitative Forschung und es geht in erster Linie darum Probleme aufzudecken, und nicht die Problemhäufigkeit zu bestimmen. Schwerwiegende Probleme sollten gelöst werden, egal ob 33 % oder 63 % der Nutzer betroffen sind. In der Praxis empfehlen wir oft Teilnehmerzahlen zwischen 3 und 10 pro Zielgruppe. Hat man mehrere Zielgruppen (z.B. mit unterschiedlicher Vorkenntnis), empfiehlt es sich mit jeder Zielgruppe einen Usability Test durchzuführen.
Wie lange dauert eine Testsitzung mit einem Teilnehmer?
Die Dauer einer Usability Testsitzung wird maßgeblich vom Testgegenstand und der Konzentrationsspanne der Teilnehmer beeinflusst. Im Webseitenbereich setzen sich eher kürzere Testsitzungen (ca. 15 Minuten je Teilnehmer) durch, da dies dem typischen Besuch eines Online-Shops entspricht. In anderen Bereichen (z.B. Unternehmenssoftware) sind auch Testsitzungen zwischen 45 und 60 Minuten üblich.
Was ist der Unterschied von Usability Testing und A/B-Testing?
Bei A/B-Tests werden zwei Versionen eines Webshops gegeneinander getestet. Anschließend lässt sich auswerten, welche Version besser funktioniert hat hinsichtlich wichtiger Metriken, wie z.B. der Conversion-Rate oder dem Warenkorbwert. Im Gegensatz zu Usability Tests ist das eine quantitative Forschungsmethode, es geht darum statistisch signifikante Ergebnisse zu erzielen und die Gewinnerversion zu bestimmen. Man misst die Metriken meist über das Tracking und braucht dafür große Nutzerzahlen. Oft dauert es Tage oder Wochen bis die Ergebnisse statistisch signifikant sind.
Will man einen A/B-Test durchführen, braucht man aber zuerst eine Hypothese, was man verbessern könnte. Hier kann man auf die Ergebnisse auf dem Usability Test zurückgreifen. Hat man aus einem Usability Test gelernt, dass manche Nutzer an einer bestimmten Stelle im Webshop Probleme haben, lohnt es sich diese Stelle zu überarbeiten. Mit einem A/B-Test bekommt man danach heraus, ob sich die Überarbeitung auch im Sinne der Conversion Rate gelohnt hat.
Welche Alternativen gibt es?
Als Alternative zum Usability Test ist in erster Linie der „Experten Review" zu nennen. Auch das ist eine wissenschaftliche Methode. Hierbei versetzt sich ein Usability Experte in die Rolle eines Nutzers und erledigt typische Aufgaben auf der Webseite („Cognitive Walkthrough"). Der Experte verfasst anschließend einen Bericht mit allen gefundenen Problemen. Früher war diese Methode im Rahmen des „Discount Usability Testing" sehr gebräuchlich, da sie ohne echte Nutzer auskommt und deswegen günstiger ist als ein klassischer Usability Test vor Ort.
Inzwischen ist der Kostenvorteil weniger relevant, da Usability Tests mit echten Nutzern über Usability Test Plattformen sehr günstig bestellt werden können. Ein Usability Test mit echten Nutzern und mitsamt Auswertung & Handlungsempfehlungen kommt etwa auf den gleichen Preis wie ein Experten Review, kann aber mit deutlich aussagekräftigeren Daten aufwarten.
Was kostet ein Usability Test?
Die Kosten für einen Usability Test unterscheiden sich je nach Methode und Service-Level sehr stark. Die einfachste Variante: Ein Usability Test, der im Self-Service über Online-Plattformen wie durchgeführt wird, ist dort bereits ab 49 € pro nutzerbrille Teilnehmer zu haben. Die Teilnehmer führen den Test zu Hause am eigenen Computer durch. Benötigt man Testerstellung & Auswertung durch UX Experten liegt man in einem Preisbereich von ca. 2.000 €.
Die exklusivste Variante: Usability Tests vor Ort in einem modernen Usability Labor mitsamt Spiegelwand und Eye-Tracking sind hingegen meist in einem fünfstelligen Preisbereich anzusiedeln - Usability Agenturen wie erstellen hier passgenaue Angebote je nach Bedarf. Die eigene Variante: Eine andere Alternative ist es noch die Usability Tests selbst im eigenen Büro durchführen. So wird der Test zum Team-Event. Beauftragt man ein Panel mit der Rekrutierung der Teilnehmer muss man mit ca. 100 € Kosten pro Teilnehmer rechnen.
Wann sind die Ergebnisse da?
Je nach Test-Art sind die Ergebnisse in wenigen Stunden oder gar erst nach Wochen verfügbar. Usability Test Plattformen stellen die Videos vom Test bereits wenige Stunden nach Beauftragung zur Verfügung, falls eine Auswertung beauftragt wurde dauert diese wenige Tage. Labor-Usability Tests sind hingegen mehrwöchige Projekte, von der Beauftragung bis zur Abschlusspräsentation können durchaus 3-5 Wochen vergehen.
Über den Autor
Dipl. Medieninf. Univ. Johannes Müller ist Geschäftsführer und Mitgründer der nutzerbrille. Er ist verantwortlich für die Produktentwicklung der nutzerbrille mit Fokus auf innovativen Technologien wie Eye-Tracking bei Remote Tests und Onsite-Rekrutierung von Testteilnehmern. Zuvor war er als Business-Developer beim Vergleichsportal CHECK24 und bei der Online-Marketing-Suite intelliAd tätig.
Über nutzerbrille
nutzerbrille bietet Webseitenbetreibern und App-Herstellern eine Plattform für Nutzerforschung. Mit der nutzerbrille Plattform ist es einfach das Feedback echter Nutzer zu Webseiten und Apps zu erhalten und die User Experience konsequent zu verbessern. In wenigen Stunden stehen die Ergebnisse von selbst beauftragten Usability Tests und Umfragen bereit. In Videos mit Ton können unsere Kunden das eigene Produkt aus der Sicht der Nutzer erleben und so deren Bedürfnisse und Probleme besser verstehen. Mit Hilfe dieses Wissens verbessern sie ihr Produkt, begeistern ihre Nutzer und steigern so ihren Umsatz.
Referenzen/Bildquellen- Fotolia.com 81210253 © stokkete
- Jakob Nielsen, NNGroup Blog Why You Only Need to Test with 5 Users
- Flickr: 62:365 - Taster Testing Nomadic Lass, © CC-BY-SA 2.0