Ungleichheit einfach nicht mehr aushalten wollen

Auf der Internetseite der Blätter für deutsche und Internationale Politik las ich einen Artikel von Hans-Ulrich Wehler, der mit Die Explosion der Ungleichheit überschrieben war. Darin wurde ganz richtig analysiert, dass die derzeit zu beobachtende krasse Verschärfung der Ungleichheit in westlichen Gesellschaften ein Problem von Macht und Herrschaft ist: Diejenigen, die das Sagen haben, die Oberbosse und Konzernchefs nämlich, genehmigen sich ihre atemberaubenden Gehaltssteigerungen, weil sie die Macht dazu haben. Während ihre Mitarbeiter einfach gesagt kriegen, dass für sie halt nicht mehr drin ist und sie wegen der wirtschaftlichen Situation und so weiter auf einen Inflationsausgleich verzichten und den Gürtel enger schnallen sollen, schaufeln die Chefs es sich hinten und vorn rein. Weil sie es können. Genau das ist das Privileg der Herrschenden.

Warum müssen wir anderen draußen bleiben?

Wehler belegt die zunehmende Ungleichheit insbesondere nach der Installation der neoliberalistischen Ideologie nicht nur in der Wirtschaft sondern vor allem in der Politik durch Ronald Reagan und Margaret Thatcher mit vielen bereits bekannten Beispielen, die ich hier einfach mal ausspare, weil die Fakten ja durchaus bekannt sind und stellt dann viele Absätze später endlich einmal die interessante Frage, warum es gegen diese ganzen offensichtlichen Ungerechtigkeiten bei der Einkommensverteilung, Steuern, Zugang zu Schlüsselpositionen und so weiter keinen nennenswerten Widerstand gibt.

Schließlich wird doch eine Minderheit Privilegierter auf Kosten einer sehr viel größeren Mehrheit bevorzugt. Die Leute lassen sich’s aber offensichtlich gefallen. Warum?! Vermutlich, weil sie gar nicht auf die Idee kommen, dass es auch anders gehen könnte, als mit Marktwirtschaft, Demokratie und Sozialstaat, mit Chefs und Oberbossen, auch wenn es damit ärgerlicherweise ein Problem mit Macht und Herrschaft gibt, das wiederum zu den konstatierten Ungerechtigkeiten führt.

Diese Antwort gibt der Autor ja auch selbst, wenn er meint, dass die zunehmende soziale Ungleichheit höchst gefährlich sei, weil sie zu einem Mentalitätswechsel und damit zu noch schlimmeren führe: Wenn die “moderne sozialstaatliche Massendemokratie” es nicht mehr auf die Reihe bringt, allzu krasse Ungleichheiten zwischen Arm und Reich “auf ein erträgliches Maß abzumildern”, verliere sie ihre Glaubwürdigkeit. Und das findet Wehler schlimm, denn damit sei dann die Demokratie samt Sozialstaat, also unsere ganze schöne Gesellschaft in Gefahr.

Na hoffentlich!

Wäre das nicht eigentlich eine wunderbare Ausgangslage, um es dann mal mit was anderem zu versuchen? Denn wenn das derzeitige System ein “außerordentliches Maß an Lernfähigkeit und Entscheidungskraft” braucht, um seine selbstproduzierten Probleme wieder halbwegs in den Griff zu bekommen, wäre es doch sehr viel besser, es mit einem anderen zu versuchen, in dem man schon mit einem überschaubaren Maß an menschenüblichem Verstand die Probleme der Menschen lösen könnte.

Es ist doch kein bisschen schade um ein System, in dem wenige fast alles besitzen und die anderen dann ihr Leben damit verbringen müssen, ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen, den Reichtum der Reichen zu vermehren! Dann doch für lieber eine Gesellschaft kämpfen, in der alle bekommen, was sie zum Leben brauchen! Damit wären zwar die derzeitigen Eliten ziemlich angepisst, weil man das Problem mit deren Macht und Herrschaft ein für alle mal lösen müsste, in dem man ihnen ihr Machtmittel, nämlich ihren Reichtum und damit das Privateigentum an den Produktionsmitteln, einfach mal wegnimmt. Würden die Produktionsmittel und der damit geschaffenen Reichtum vergesellschaftet, hätten endlich auch die Leute, die tatsächlich etwas produzieren, etwas davon. Und gleich würde es einer sehr viel größeren Anzahl von Menschen sehr viel besser gehen als heute.

Klar braucht es dazu einen Mentalistätswechsel – vor allem bei denen, die derzeit über diese ganze Ungerechtigkeit lamentieren, ohne kapieren zu wollen, dass sie damit Teil des Problems und nicht der Lösung sind.



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