Und wieder Mittelerde: “Der Hobbit: Eine unerwartete Reise”

© Warner Bros. Pictures Germany / Martin Freeman entdeckt als Bilbo Beutlin den einen Ring in

© Warner Bros. Pictures Germany / Martin Freeman entdeckt als Bilbo Beutlin den einen Ring in “Der Hobbit: Eine unerwartete Reise” von Regisseur Peter Jackson

Wie schön dass es auch in dem „Herr der Ringe“-Prequel „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“, der erste Teil einer neuen Trilogie aus Mittelerde, erneut von Peter Jackson zum Leben erweckt, den gutmütigen, wenn auch bestimmt auftretenden Herrn Elrond aus Bruchtal gibt. Dieser hochgewachsene Elb mit seiner langen Stirn, seinem langen Haar und – zumindest in „Der Hobbit“ – seinem freundlichen Lächeln. Er scheint seine positive Aura auf den Film zu übertragen. Kaum ist er auf der Leinwand erschienen, geht es bergauf mit dem Film – leider geschieht dies erst etwa zur Halbzeit – während es für Bilbo Beutlin und die dreizehn Zwerge eher bergab geht, womit dann jedoch nicht die Qualität der Inszenierung, sondern vielmehr der donnernde Kampf der Steingiganten gemeint ist, durch den die Gemeinschaft von Oberzwerg Thorin Eichenschild ganz schön durchgeschüttelt wird. Am Ende bleibt dennoch ein gemischtes Gefühl im Magen erhalten: Da existiert dieser unendlich lang erscheinende Filmanfang, steht im Kontrast mit dem schön durchexerzierten Filmende, da steht der Kinderfilm, wie auch die Literaturvorlage von J.R.R. Tolkien eher an eine jüngere Leserschaft adressiert ist, gegen das Actionabenteuer im Stile der anderen Mittelerde-Epen und da stehen die 24 gegen die 48 Bilder pro Sekunde. Und dieser erhöhten Bildfrequenz hat dann auch Elrond nichts mehr entgegen zu setzen.

Es beginnt mit einem weiteren Besuch in der Höhle, in einem Berg, wo Ian Holm noch einmal den gealterten Bilbo Beutlin mimt, der soeben seine Jugendgeschichte aufschreiben möchte. Am Rande huscht auch Frodo noch einmal durch das Bild, dann aber werden die Zuschauer in das Mittelerde von vor etwa sechzig Jahren entführt, wo Bilbo noch ein dem Abenteuer abgeneigter, höchst korrekter Hobbit ist. Erst mit dem Besuch des Zauberers Gandalf ändert sich sein Leben schlagartig. Plötzlich, an einem friedlich geplanten Abend tauchen dreizehn Zwerge bei ihm auf, darunter Thorin Eichenschild, einst der König unter der Erde, nun – wie auch seine Anhänger – ein heimatlos umher irrender Zwerg. Das haben sie dem Drachen Smaug zu verdanken, der sich in der Heimat der Zwerge niedergelassen hat. Nun brechen sie zu einer Reise auf, die zum Ziel hat, ihr geliebtes Einsames Gebirge zurück zu erobern. Auf dieser für Bilbo Beutlin „Unerwarteten Reise“ begegnet er nicht nur Goblins und Orks, sondern auch dem Wesen Gollum, dem er einen ganz besonderen Schatz abnehmen kann.

Ian McKellen als Zauberer Gandals (links) mit dem Waldzauberer Radagast (Sylvester McCoy, rechts)

Ian McKellen als Zauberer Gandals (links) mit dem Waldzauberer Radagast (Sylvester McCoy, rechts)

Eben jene Episode, das Aufeinandertreffen von Gollum und Bilbo Beutlin, ist sicherlich eines der Höhepunkte dieser Mittelerde-Geschichte. Wie sie dort in der finsteren Höhle sitzen, sich umkreisen, der noch unbeholfen mit dem Schwert Stich herum wedelnde Bilbo und der garstige kleine Gollum, schon hier die entstellte Kreatur, die nur noch entfernt einen ehemaligen Hobbit erahnen lässt. Sie spielen ein wenig lustiges Ratespiel, der eine will den anderen fressen, der andere will sich nur entirren, aus dem Höhlenlabyrinth entkommen. Diese Szene beweist nicht nur, dass Martin Freeman einen hervorragenden Bilbo Beutlin abgibt, sondern sie ist zugleich auch der Initiator für die bereits existierende „Herr der Ringe“-Trilogie. Aber zurück zu Freeman, über den im Vorfeld viel zu wenig gesprochen wurde, der sich offenbar hinter Peter Jackson versteckt hielt, der den Zwergen den Vortritt gewährte, der die Technik – gleich ob 3D oder 48 fps (frames per second) – wohl als wichtiger als sich selbst ansah. Aber er ist der kleine Lichtschein in diesem Film, der jedes noch so fragwürdige in die Länge ziehen der Handlung ertragbar werden lässt. Mit einer natürlich wirkenden Trockenheit scheint er sich selbst zu spielen, so leicht möchte man ihm diese Rolle abkaufen: etwas kauzig, irgendwie auch britisch, verkrümelt er sich lieber in seiner Höhle, blickt verwundert auf die großen Dinge in der Welt – von denen ihn gar reichlich begegnen und noch begegnen werden. Er stolpert – überhaupt nicht negativ konnotiert – durch dieses Abenteuer, als hätte er noch nie einen Fuß vor die eigene Haustür gestellt, wirkt dabei schrullig, abweisend wie auch interessiert zugleich.

Das hätte man sich von manchem Zwerg ebenso gewünscht. Die Vorstellung der Truppe von Thorin Eichenschild – wohl der einzige Zwerg den man in Erinnerung behalten wird – verläuft etwas komprimierter als in der Buchvorlage, wo Balin, Dwalin, Bifur, Bofur, Bombur, Fili, Kili, Oin, Gloin, Nori, Dori, Ori und Thorin Eichenschild noch alleine oder in Zweierteams in das Hobbit-Heim einfallen – im Film wurde hier eine schnellere Variante gewählt – was dann besonders merkwürdig erscheint, wo sich der Film in den ersten 90 Minuten doch für allerlei Unnützes Zeit nimmt, nur eben nicht für die Figuren. So kann man von einer Masse von Zwergen sprechen, ein Geflecht, welches sich schwer voneinander trennen lässt. Auf den Bildern wird immer nur eine Meute von Zwergen gezeigt, die wie Wilde über ihre Feinde herfallen – wer da genau was macht, ist eigentlich egal. Dass das dennoch ganz hübsch aussehen kann, beweist die Flucht aus der Goblinstadt – ein Gerüst aus Holzbalken und Hängebrücken – bei der die Kamera dieser unzertrennlichen Gruppe folgt, überall Bewegung, überall Goblins, Zwerge, ein Zauberer und umher schwingende Balken, das sieht dann doch schon spektakulär aus.

Ian Holm als alter Bilbo Beutlin, im Hintergrund Elijah Wood als Frodo Beutlin

Ian Holm als alter Bilbo Beutlin, im Hintergrund Elijah Wood als Frodo Beutlin

Alles andere als spektakulär ist die hochfrequentierte Bilderzahl – schnell wird deutlich weswegen sich die 24 Bilder pro Sekunde als Standard durchgesetzt haben, bei 48 Bildern wirkt alles wie aus einem Heimvideo entsprungen – Bruchtal die Soap Opera, so sieht es in dieser Welt aus, die durch ihre Optik weder wie ein Film, noch wie die Realität wirkt, sondern wie die pure Kunst. Hinzu kommt, dass so manche Kamerabewegung viel zu schnell und hektisch wirkt, es wird deutlich, dass man gar nicht mehr sehen muss, es hierdurch eher zu Irritationen kommt. Manche Bewegung auf der Leinwand erscheint dann auf einmal so, als hätte jemand den Vorspul-Knopf betätigt, die Technik wirkt wenig ausgereift, eher verspührt man das Gefühl, sich inmitten einer Testvorführung zu befindet. Dieses andersartige Bild kommt gar so prägnant daher, dass es so manches Mal von der Handlung ablenkt, man sich immer wieder dabei erwischt sich die 24 Bilder pro Sekunde zurückzuwünschen.

Das wäre vielleicht alles gar nicht so wild, wäre es Peter Jackson gelungen, hier eine rundum perfekte Story abzuliefern. Gerade die zweite Hälfte des Films kommt dem schon sehr nahe, während der Beginn jedoch weit hiervon entfernt ist. Den Umschwung bietet dann eine Sequenz unter Altdarstellern: Wenn Gandalf, Saruman, Galadriel und Elrond im Bruchtal über die finstere Zukunft Mittelerdes sinnieren, dann kommt so richtig „Herr der Ringe“-Stimmung auf. Von hieran gibt man sich Mühe, lässt die Zwerge über Berge klettern, den Hobbit auf Gollum treffen und den einen Ring finden, die Adler erscheinen und der Albino-Goblin Azog wird auf Thorin und Gefolgschaft gehetzt. Was zuvor geschieht ist der verzweifelte Versuch sowohl den bereits bestehenden Fans gerecht zu werden, die „Herr der Ringe“-Welt erneut zum Leben zu erwecken, zugleich aber auch die Aufgabe zu erfüllen, dem Kinderbuch „Der kleine Hobbit“ zu entsprechen. Immer wieder werden Momente eingestreut, die als hervorragende Kinderfilm-Motive funktionieren würden: Gerade die Zwergenschar eignet sich vorzüglich hierfür, selbst das Aufeinandertreffen mit drei etwas dümmlich anmutenden Orks ist eher kindgerecht auf Unterhaltsamkeit getrimmt als auf abenteuerliche Action. Nur fiel offenbar die deutliche Entscheidung für eine Richtung schwer, weder kann man „Der Hobbit“ nur für Kinder empfehlen, noch werden „Herr der Ringe“-Fans sich durchgängig in der bekannten Mittelerde-Atmosphäre wiederfinden können.

Vielleicht ist „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ ein Opfer der Vorerwartungen geworden, die an den Film gemacht worden sind. Vielleicht hat es Martin Freeman gut gemacht, sich im Hintergrund versteckt, wie es auch Bilbo Beutlin getan hätte, um nun der große Held zu sein. Allein für Freeman lohnt sich der Gang, weitaus mehr jedenfalls als für den Versuch eine filmische Optik mit verdoppelter Bildfrequenz zu etablieren. Dieser Trilogie-Beginn ist alles andere als perfekt, gewährt dennoch eine erneute Reise nach Mittelerde, eine dieser Welten, denen man sich partout nicht entziehen kann.

Denis Sasse


Der Hobbit_Hauptplakat

“Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“

 

Originaltitel: The Hobbit: An Unexpected Journey
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 170 Minuten
Regie: Peter Jackson
Darsteller: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, Ken Stott, Graham McTavish, William Kircher, James Nesbitt, Stephen Hunter, Dean O’Gorman, Aidan Turner, John Callen, Peter Hambleton, Jed Brophy, Mark Hadlow, Adam Brown, Ian Holm, Elijah Wood, Hugo Weaving, Cate Blanchett, Christopher Lee, Andy Serkis, Sylvester McCoy

Deutschlandstart: 13. Dezember 2012
Offizielle Homepage: warnerbros.de/thehobbitpart1


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