Es gibt im Schwedischen einen Ausdruck, der von dortigen Sozialdemokratie jahre- oder jahrzehntelang als ihr Wahlspruch benutzt wurde: "Alla ska med!" Übersetzt kann das soviel bedeuten wie "Alle sollen mit von der Partie sein" in der Bedeutung von "Keiner darf hinten runterfallen". Mit diesem Leitspruch haben die Sozis dort die Politik über Jahrzehnte hinweg geprägt und ein sogenanntes "Volksheim" aufgebaut mit dem besten Sozialstaat der Welt zum Ziel. Und wenn nicht Norwegen sein vieles Öl gefunden hätte und wenn die Schweiz nicht das viele Schwarzgeld gefunden hätte, so würden die Schweden trotz vieler Sozialkürzungen und neoliberaler Systemveränderungen immernoch den besten Sozialstaat der Welt haben.
Was mir bei diesem Spruch neben der Schaffung von sozialem Wohlstand für alle noch einfällt ist die Tatsache, dass der auch von allen getragen werden soll. Es muss ein Grundkonsens in der Gesellschaft geben, dass nur wenn alle Menschen genug abgesichert und beteiligt sind, die Gesellschaft als Ganzes funktioniert. Dieses Lebensgefühl, dass "alles gut wird", dass Lebenskrisen wie der Verlust von Arbeit nicht existenzbedrohende Auswirkungen haben wird kann man auch heute noch den Menschen ansehen. Zumindest denjenigen, die dort geboren wurden und mindestens der "oberen" Unterschicht bzw. der unteren Mittelschicht angehören.
Wie auch immer, so muss ich dennoch feststellen, dass es diesen Grundkonsens in Deutschland nicht gibt. Hier arrangiert man sich mit Obdachlosen und man lebt auch mit "Einwanderern", die selbst in der zweiten Generation noch "Ausländer" genannt werden. Aber auch soziale Phänomene wie eine zu geringe Geburtenrate werden plakativ mit "die Falschen kriegen die Kinder und die Richtigen nicht" zusammengefasst. Und die Kinder müssen dann auch noch in Armut aufwachsen und schaffen es nur schwer die Zuversicht in ihrem Leben zu erlangen, dass " alles wieder gut wird", falls mal doch zwischendurch im Leben was schief gehen sollte. So wie eigentlich immer im Leben.
Worauf man im Leben allerdings weniger vorbereitet sein kann, ist dass jemand in seiner Hauptstadt eine Bombe hochjagt und anschließend auf einer idyllischen Insel ein paar Dutzend Sozialdemokraten erschießt. Er wollte das "alle sollen dabei sein" in der norwegischen, sozialdemokratisch geprägten Gesellschaft vernichten und hat eigentlich nur das Gegenteil erreicht. Die Gesellschaft in Norwegen rückt zusammen und besinnt sich auf ihre freiheitlichen Werte. Und ein Ruck geht durch die Gesellschaft, wo (fast) alle miteinander einstimmen: "Jetzt erst recht keinen zurücklassen! Anti-Muslim-Debatten den Kampf ansagen!"
Anders Breivik ist demnach einfach nur ein psychisch kranker Attentäter der alles andere als rational gedacht hat, um seinen Zielen Geltung zu verschaffen. Genauso wie schon Timothy McVeigh oder in Schweden John Ausonius, der Lasermann. Sie alle sind nur "Ausfransungen" der Gesellschaft. Oder auch unserer Menschlichkeit.
Wenn man sich nämlich unsere menschlichen Gesellschaften anschaut, so wird man feststellen, dass vielleicht 70 bis 80 Prozent ein Otto-Normal-Leben führen. Sie haben Arbeit oder versuchen einer nachzugehen. Sie haben Familie oder versuchen eine zu gründen. Die Schicksale des überwiegenden Teils einer Gesellschaft gleichen einander enorm. In Politikkreisen nennt man das "die politische Mitte" um die sich alle schlagen.
Dabei gleicht diese "Normalverteilung" der Menschen überall auf der Welt einer sogenannten Gaußschen Glockenkurve. Es gibt dann ganz viele Menschen in der Mitte die "ein bisschen progressiv" oder "ein bisschen konservativ" sind. Nach den Extremen hin werden dann das weniger. Dort sammeln sich ganz idealistische Grünwähler, Linksparteiwähler und Anarchisten auf der einen Seite, und auf der anderen Seite sind das der extrem rechte Rand der CDU, der FDP sowie die Rechtsextremen. Auf beiden Seiten gilt wie gehabt: je extremer, desto weniger werden sie. Und ganz ausgedünnt gibt es natürlich auch psychisch Kranke außergewöhnliche Menschen, die meinen, dass man mit Morden die Gesellschaft verändert.
Man mag es kaum wahrhaben, aber anscheinend gibt es ein biologisches oder mathematisches Gesetz das vorschreibt, dass in jedem Land Sozialdemokraten UND Konservative geben muss. Linksparteiwähler UND NPD-Wähler. Vermummte UND Hitlerbart-Tragende. Und alle müssen dabei sein. Auch Arme, Einwanderer und sonstige "sozial Schwache". Sonst läuft die Gesellschaft nicht rund.
Abschließend nun eine Hausaufgabe an Sie zuhause vor dem Bildschirm: Welche drei der vier in diesem Artikel genannten Länder schaffen es im Lebensqualitäts-Ranking der UN in die Top Ten? Und welches Land schafft das nicht?
Ein Tipp: Es nennt seine eingewanderten Mitbürger offiziell immernoch Ausländer.
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