Tunesien - jetzt erst recht!

Tunesien - jetzt erst recht!

Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich einen Blogbeitrag zu den aktuellen Geschehnissen in Tunesien schreiben soll oder ob  es klüger ist, zu warten bis die aktuellen Medienberichte verstummen und die Anschläge in allgemeine Vergessenheit geraten. Doch je öfter ich die Bilder aus Sousse sehe und je mehr Kommentare ich zu diesem schrecklichen Attentat lese, desto größer wird meine Trauer, um die Opfer, um ein aufstrebendes Land und um den Ruf, den ein einzelner Attentäter dem kleinsten Land Nordafrikas antut.

Als wäre es erst gestern gewesen, weiß ich noch, welche Gefühle ich hatte, als ich vor mittlerweile 4 Jahren zu einem Praktikum während des Studiums nach Tunesien – genauer gesagt in den Aldiana Club nach Hammamet – aufbrach. Ben Ali war gerade gestürzt, die Aussichten hinsichtlich der Besucherzahlen miserabel und ich muss zugeben, dass Tunesien für mich immer nur ein als All-inclusive-Pauschalreiseurlaubsziel bekanntes Land war. Kein Land, das auf meiner persönlichen Reiseliste damals stand. Aber ich wollte Erfahrungen sammeln und dafür bot sich diese perfekte Chance. Soviel vorweg: aus einem 4-monatigen Praktikum wurde eine  weitere Saison im darauffolgenden Jahr.

Besonders nach der Jasmin-Revolution suchten die Einheimischen nach einem Halt. Ben Ali war als Diktator immer da, ein Andersdenken wurde unterdrückt bis zur Jasmin-Revolution. Einige wandten sich der Religion zu, andere gingen für freie Meinungsäußerung auf die Straße. Trotz dieser großen Umbrüche in einem Land auf der Suche nach sich selbst, habe ich mich nie unsicher gefühlt. Im Gegenteil, wir Europäer wurden alle mit offenen Armen empfangen. Politisch hat es Tunesien geschafft, innerhalb kurzer Zeit für freie Wahlen zu sorgen... und glaubt mir, dies ist eine enorme Leistung für ein Land, das seit 1987 keine freien Wahlen mehr erlebt hat.

Es war nicht immer leicht, aber das ist es wohl nie, wenn verschiedene Kulturen aufeinander treffen. Über einige Eigenheiten der arabischen Kultur schmunzel ich noch heute, aber ich bin mir sicher, dass es den Tunesiern mit uns ebenso ergangen ist. Dennoch haben wir im Club Seite an Seite als Freunde gearbeitet, ein Mix aus verschiedenen Nationen mit einem gemeinsamen Zuhause auf Zeit in Tunesien. Unter den Mitarbeitern war wirklich fast jeder Kontinent vertreten und ich kann mich nicht erinnern, dass einer sich nicht sicher gefühlt hat.

Zu Beginn der Saison 2011 hatte der Club teilweise nur 60 bis 80 Gäste und wir waren mehr Mitarbeiter als Urlauber. Aber jeder tunesische Mitarbeiter war froh über jeden einzelnen Gast aus Europa und die Stimmung war beinah familiär und wirklich schön.

Einmal, nicht lang nach der Revolution, bin ich auf die Idee gekommen, nach Tunis zu fahren. An einem Freitagnachmittag. Zugegeben, ich habe einfach nicht nachgedacht bzgl. Freitagsgebete etc. und bin mitten in der trubeligen Altstadt in eine nicht ungefährliche Demonstration hineingelaufen, ich anscheinend die einzige Touristin weit und breit. Ein aufmerksamer Teppichhändler zog mich zur Sicherheit in seinen Laden, erklärte mir, was vor sich ging und dass sie auf keinen Fall wollen, dass Touristen zu Schaden kommen. So kehrte ich wohlbehalten zurück.

Natürlich unternahm ich von Zeit zu Zeit auch Ausflüge. Ob es der Trip mit dem Sammeltaxi (Louage), verschiedenen anderen Gefährten eingequetscht zwischen zahlreichen Einheimischen zum Cap Bon gemeinsam mit meiner Freundin Cordula war oder eine Fahrt mit eigenem Chauffeur mit meiner Freundin und damals Vorgesetzten Claudia nach Dougga. Mich hat weniger die Sicherheit bekümmert, als die leeren Sehenswürdigkeiten, die anscheinend nur wir und ein paar andere verlorene Entdecker besichtigten.  Tunesien hält wahre Schätze bereit, für den, der sich auf das Land einlassen möchte und nicht nur die tollen Strände erleben will.

Mich macht es unendlich traurig, zu erleben, wie dieses kleine Land, das gerade auf den richtigen Weg gelangt ist, nun unter einem unwissenden, fehlgeleiteten Attentäter leiden muss. Wie oft erlebe ich es als Touristiker, dass mir Kunden sagen „Nein, in dieses Land reise ich nicht, das ist mir zu gefährlich.“ Dieser Spruch wird, egal ob aktuell etwas passiert ist oder auch nicht, sehr gern benutzt. Und ich möchte die Gelegenheit nutzen, euch zu sagen: aus den aktuellen Ereignissen könnt ihr ableiten, dass es egal ist, wohin ihr fahrt. Ob Frankreich, Großbritannien oder eben die arabischen Länder... wer sagt euch, dass nicht nächsten Freitag wieder ein Anschlag verübt wird, diesmal in München, London, Rom oder oder oder? Egal, ob ISIS, Al-Qaida & Co., dies sind alles kranke Ideologien, die den Islam als Deckmantel für ihre Taten nutzen. Verdammen wir nicht ganze Länder wegen unmenschlicher Barbaren.

Ich als waschechte „Ungläubige“  habe in Tunesien eine herzliche, durchaus offene Bevölkerung erlebt, der es Wert ist, Vertrauen zu schenken. Tunesien ist mehr denn je auf den Tourismus angewiesen, denn abgesehen von etwas Textilindustrie verfügt das Land über wenige Rohstoffe, im Gegensatz zu anderen arabischen Staaten. Die Bevölkerung braucht die Einnahmen, zum Überleben und zum Aufbau einer Demokratie, einer Vorreiterrolle in der arabischen Welt.

Heute habe ich gerade gelesen, dass 3000 Briten beschlossen haben, ihren Urlaub nicht abzubrechen. Natürlich übernimmt jeder die Verantwortung für sich selbst, für seine Kinder im Falle eines Familienurlaubs und trifft seine eigene Entscheidung, ob er Tunesien besucht oder nicht, aber diese News haben mich sehr gefreut.

Ich weiß noch nicht wann, aber dass ich wiederkommen steht fest... jetzt erst recht!


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