Landkarten haben mich schon immer fasziniert.
Die Karte bringt auf wundersame Art Ordnung in unsere Welt. Da wo zuvor nur undurchdringlicher Wald oder verdächtige Sümpfe waren, sind jetzt klare Worte, Muster und rote Linien, alle bedeuten etwas, und geben uns Sicherheit. Viel Sicherheit.
Als Teenager bin ich im Sommer oft um vier Uhr früh auf Pirsch gegangen, um Rehe zu beobachten. Damit ich über meine „Jagdgründe“ Kontrolle hätte, habe ich sogenannte Krokis (kartenähnliche Skizzen) gezeichnet, mit den Schlaf- und Äseplätzen des Wildes. So war ich sicher, bei der nächsten Expedition gleich erfolgreich zu sein.
Auf meiner langen Reise durch Sibirien nach Asien, habe ich natürlich auch viele Karten gezeichnet (siehe Bild oben). Dadurch bekam ich Klarheit, ich nahm die Gegend gedanklich in Besitz. Wie hat das früher wohl Marco Polo gemacht, der keine Vorlage hatte, ja keine Ahnung wie es weitergeht? Das was wohl eine unsichere Reiserei!
In Südamerika musste ich einmal ein großes, abgelegenes Grundstück wieder in Schwung bringen. Als erstes wollte ich eine Karte machen, damit ich wüsste, wo dessen Parzellen, Schuppen und Grenzen sind. Also begann ich zusammen mit einem ortskundigen Indianer die Äcker abzuschreiten, hier 1834 Schritte, dort 2715 und bei den Kakteen ging’s zum Fluss runter und dann dem Bewässerungskanal entlang zurück und am Abend bei der Kerosenpfunzel zeichnete ich es auf einen riesigen Bogen Papier auf. Aber es ist nie aufgegangen, die Winkel stimmten nicht, ich musste dauernd mogeln, und meine Finca blieb krumm und schief, ein unsicheres Geheimnis.
„Die Karte ist nicht das Gebiet“
„Die Karte ist nicht das Gebiet“ ist ein berühmtes Zitat vom polnisch-amerikanischen Linguisten Alfred Korzybski (1879-1952). Er hat als erster ausformuliert, dass wir eigentlich in zwei Welten leben: einerseits in der realen Welt, und andererseits in der Welt der Sprache. Die Welt der Sprache gibt uns Sicherheit, wir glauben an die Bezeichnung der Dinge. Aber es ist eine trügerische Sicherheit, denn die Welt der Sprache ist eine Abstraktion, und die stimmt niemals mit der Welt der Erfahrung überein.
Jeder lebt in seiner eigenen Landkarte von Worten, die die Wirklichkeit beschreiben. Man kann sich das so vorstellen, wie wenn jeder eine andere Karte nutzt: der Eine eine Wanderkarte, der Andere eine Vegetationskarte, wieder Andere nutzen Geologische Karten, Flugkarten, Wetterkarten, Autokarten, Burgenkarten oder Kanukarten. Jeder lebt inmitten einer herrlichen Sicherheit, die ihm seine Karte verleiht. Aber keine einzige Karte ist die Wirklichkeit, alle sind sie nur Papier.
Genauso sind unsere Worte und Gedanken, welche die Wirklichkeit beschreiben, eben nur Schall und Rauch, und die reelle Wirklichkeit findet außen statt, dort wo die undurchdringlichen Wälder und verdächtigen Sümpfe sind.
Das Bild oben stammt aus meinem zwei Tagebuchbänden zur Asienreise.
Ich bin jetzt übrigens am Tagebuch N°154 und habe schon über zehntausend Tagebuchseiten geschrieben und gezeichnet.
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