Als sich die Niederlage von Bernie Sanders in den demokratischen Vorwahlen immer stärker abzeichnete, wandelte sich die Frage aller Kommentatoren weg vom "Kann er Präsident werden?" zu "Wird seine Bewegung ihn überleben?", eine Frage, die nicht ganz zufällig auch für Donald Trumps Rechsextremisten im Raum steht. Sanders kündigte an, seine Bewegung am Leben halten und für die Wahl von progressiven Kandidaten in den Kongress einsetzen zu wollen. Zynische Zeitgenossen wiesen daraufhin, dass Obama das für seine eigene Anhängerschaft auch mit geringem Erfolg versucht hatte, aber Sanders' gewaltige Erfolge besonders bei der Akquise von Finanzmitteln sprachen sehr für ihn. Da viele primaries für die Kongressabgeordneten erst Ende August sind, hatte Sanders auch nach seiner Niederlage beim DNC Parteitag noch Zeit, Geistesverwandten auszuhelfen beziehungsweise dem Establishment Steine in den Weg zu legen. Ziel Nummer eins war dabei Debbie Wasserman Schultz, die als DNC-Vorsitzende zur Nemesis der Sandernistas¹ erklärt und auf dem DNC zum Rücktritt gezwungen wurde. Gleichzeitig fand auf der Rechten eine ähnliche Bewegung statt, wo Herausforderer von republikanischen Größen wie Paul Ryan und John McCain Unterstützung und PR von Trump und seiner eigene Fanbasis erhielten. Gestern waren die Vorwahlen für den Kongress. Wie also haben die Herausforderer abgeschnitten? Die Überschrift verrät es schon: nicht gut.
So gewann Marco Rubio, der noch in den Debatten stets angekündigt hatte, seine Karriere im Senat zu beenden und über die Arbeit dort zu klagen, seine Vorwahl mit 72,0% vor seinen Herausforderern, obwohl er sich wiederholt weigerte zu versprechen, dass er die volle Amtszeit ableisten würde. Debbie Wasserman Schultz, deren Herausforderer Tim Canova bereits früh von Sanders ein endorsement und von seinen Anhängern tiefe Feindschaft erhalten hatte, gewann 56,8% zu 43,2%. John McCain besiegte seine Herausfordererin Kelli Ward mit 51,7% zu 39,2%, obwohl er einen äußerst unvorteilhaften Zweikampf mit Trump führte und bereits 80 Jahre alt ist. Bereits am 9. August schlug Paul Ryan den von Sarah Palin und zeitweilig von Donald Trump unterstützten Paul Nehlen 84,1% zu 15,9%. Insgesamt verloren nur drei republikanische und ein demokratischer Amtsinhaber ihre Sitze gegen innerparteiliche Herausforderer. Letzteres gilt natürlich auch für die Tea-Party-Kandidaten, die sehr Establishment-feindlich eingestellt sind. Insgesamt aber zeigen die Kongress-primaries dieses Jahr, dass der Aufstand der extremen Flügel zumindest vorerst nur auf der präsidialen Ebene Erfolge verbuchen konnte. Und selbst hier besiegte Clinton ihren Herausforderer ziemlich deutlich.
Interessant ist daher die Frage, warum das so ist. Warum materialisierte sich die gewaltige Unterstützung der Establishment-Feinde nicht auf der Ebene des Kongresses? Selbst das knappste dieser Ergebnisse, die primary von Debbie Wasserman Schultz, fiel angesichts ihrer Unpopularität bei den Sandernistas und der profilierten Unterstützung durch Sanders während des Vorwahlkampfs gegen Clinton überraschend deutlich aus. Mehrere Gründe sind ausschlaggebend hierfür.
Da wäre zuerst der Organisationsgrad zu nennen. Die Amtsinhaber verfügen über ein ordentlich geöltes Unterstützernetzwerk und, vor allem, etablierte Spender. Sie haben außerdem den Rückhalt ihrer jeweiligen Parteirorganisation, des RNC und DNC. Das wirkte sich bereits in den Präsidentschaftsvorwahlen stark aus - daher ja auch der Hass der Sandernistas gegen Wasserman Schultz - und ist bei den durch geringere Aufmerksamkeit und insgesamt geringere Geldmengen geprägten Kongresswahlen deutlich ausschlaggebender. Allein die Koch-Brüder, die aus Protest gegen Trump kein Geld in den Präsidentschaftswahlkampf stecken, pumpen Millionen in die Kongresswahlen und -vorwahlen, um eine demokratische Übernahme zu verhindern.
Da wäre zum zweiten die Mobilisierung. Die Präsidentschaftsvorwahlen sind leicht zu greifen und machen es leichter, Werbung für die Teilnahme zu machen. Aber in Floridas 23. Distrikt genügend Streiter für einen Vorwahlkampf für den Kongress zu finden ist schwer. Das Gleiche gilt für Arizona und Wisconsin natürlich ebenso. Das Thema eignet sich nicht für einen kurzfristigen "Angriff von oben", wie es die Präsidentschaftsvorwahlen tun. Wie die Tea Party gezeigt hat, ist hier eine große Bewegung von unten notwendig. Das ist Sanders aber nicht.
Der hat stattdessen mit seiner neuen Organisation "Our Revolution" einige organisatorische Missgriffe getan. So registrierte er sie als eine 501(c)(4)-Organisation, was auf ihren steuerlichen Status hinweist (grob vergleichbar mit einem gemeinnützigen eingetragenen Verein in Deutschland). Dadurch muss Our Revolution nicht alle Geldströme nachweisen, unterliegt aber scharfen Auflagen, was den Eingriff in Wahlkämpfe anbelangt. Das bekam besonders Wasserman Schultz' Herausforderer Tim Conova zu spüren, für den Sanders nicht ein einziges Mal in Florida auftrat und der auch sonst nur wenig Unterstützung erhielt.
Es zeigt sich einmal mehr, dass der Präsidentschaftswahlkampf als Instrument einer tiefgreifenden Veränderung denkbar ungeeignet ist. All politics is local, wie es das alte Sprichwort will, und die hohe Beteiligung in den Vorwahlen täuschte oft über den mangelnden Rückhalt in der breiteren Bevölkerung hinweg. Wenn die Progressiven in der Wandlung der demokratischen Partei erfolgreich sein wollen, müssen sie so vorgehen wie es die Tea Party getan hat und ihre eigenen, lokal verwurzelten Kandidaten herausbilden, also eine bundesweite, professionelle Fraktion bilden. Ob das insgesamt so erstrebenswert ist, sei einmal dahingestellt. Den Republicans brachte der scharfe Rechtsruck den Totalkollaps jeglicher Gestaltungsmacht im Kongress und einen Präsidentschaftskandidaten Trump ein - in nur sechs Jahren nach ihrem Triumph bei den Midterms 2010. Das ist die Definition eines Pyrrhussiegs, und wenn der Preis zu seiner Vermeidung Kandidaten der Mitte wie Wasserman Schultz und Clinton sind, dann ist das sicherlich besser als die Alternative. Jede progressive Graswurzelbewegung sollte daher stets das Schicksal der Tea Party und der Republicans vor Augen haben und sich gut überlegen, wie viele Institutionen man niederbrennen kann, bevor einem der ganze Bau über dem Kopf zusammenbricht.
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¹ Begriff für die Anhänger Sanders. Analog dazu Clintoniten, Trumpisten.
So gewann Marco Rubio, der noch in den Debatten stets angekündigt hatte, seine Karriere im Senat zu beenden und über die Arbeit dort zu klagen, seine Vorwahl mit 72,0% vor seinen Herausforderern, obwohl er sich wiederholt weigerte zu versprechen, dass er die volle Amtszeit ableisten würde. Debbie Wasserman Schultz, deren Herausforderer Tim Canova bereits früh von Sanders ein endorsement und von seinen Anhängern tiefe Feindschaft erhalten hatte, gewann 56,8% zu 43,2%. John McCain besiegte seine Herausfordererin Kelli Ward mit 51,7% zu 39,2%, obwohl er einen äußerst unvorteilhaften Zweikampf mit Trump führte und bereits 80 Jahre alt ist. Bereits am 9. August schlug Paul Ryan den von Sarah Palin und zeitweilig von Donald Trump unterstützten Paul Nehlen 84,1% zu 15,9%. Insgesamt verloren nur drei republikanische und ein demokratischer Amtsinhaber ihre Sitze gegen innerparteiliche Herausforderer. Letzteres gilt natürlich auch für die Tea-Party-Kandidaten, die sehr Establishment-feindlich eingestellt sind. Insgesamt aber zeigen die Kongress-primaries dieses Jahr, dass der Aufstand der extremen Flügel zumindest vorerst nur auf der präsidialen Ebene Erfolge verbuchen konnte. Und selbst hier besiegte Clinton ihren Herausforderer ziemlich deutlich.
Interessant ist daher die Frage, warum das so ist. Warum materialisierte sich die gewaltige Unterstützung der Establishment-Feinde nicht auf der Ebene des Kongresses? Selbst das knappste dieser Ergebnisse, die primary von Debbie Wasserman Schultz, fiel angesichts ihrer Unpopularität bei den Sandernistas und der profilierten Unterstützung durch Sanders während des Vorwahlkampfs gegen Clinton überraschend deutlich aus. Mehrere Gründe sind ausschlaggebend hierfür.
Da wäre zuerst der Organisationsgrad zu nennen. Die Amtsinhaber verfügen über ein ordentlich geöltes Unterstützernetzwerk und, vor allem, etablierte Spender. Sie haben außerdem den Rückhalt ihrer jeweiligen Parteirorganisation, des RNC und DNC. Das wirkte sich bereits in den Präsidentschaftsvorwahlen stark aus - daher ja auch der Hass der Sandernistas gegen Wasserman Schultz - und ist bei den durch geringere Aufmerksamkeit und insgesamt geringere Geldmengen geprägten Kongresswahlen deutlich ausschlaggebender. Allein die Koch-Brüder, die aus Protest gegen Trump kein Geld in den Präsidentschaftswahlkampf stecken, pumpen Millionen in die Kongresswahlen und -vorwahlen, um eine demokratische Übernahme zu verhindern.
Da wäre zum zweiten die Mobilisierung. Die Präsidentschaftsvorwahlen sind leicht zu greifen und machen es leichter, Werbung für die Teilnahme zu machen. Aber in Floridas 23. Distrikt genügend Streiter für einen Vorwahlkampf für den Kongress zu finden ist schwer. Das Gleiche gilt für Arizona und Wisconsin natürlich ebenso. Das Thema eignet sich nicht für einen kurzfristigen "Angriff von oben", wie es die Präsidentschaftsvorwahlen tun. Wie die Tea Party gezeigt hat, ist hier eine große Bewegung von unten notwendig. Das ist Sanders aber nicht.
Der hat stattdessen mit seiner neuen Organisation "Our Revolution" einige organisatorische Missgriffe getan. So registrierte er sie als eine 501(c)(4)-Organisation, was auf ihren steuerlichen Status hinweist (grob vergleichbar mit einem gemeinnützigen eingetragenen Verein in Deutschland). Dadurch muss Our Revolution nicht alle Geldströme nachweisen, unterliegt aber scharfen Auflagen, was den Eingriff in Wahlkämpfe anbelangt. Das bekam besonders Wasserman Schultz' Herausforderer Tim Conova zu spüren, für den Sanders nicht ein einziges Mal in Florida auftrat und der auch sonst nur wenig Unterstützung erhielt.
Es zeigt sich einmal mehr, dass der Präsidentschaftswahlkampf als Instrument einer tiefgreifenden Veränderung denkbar ungeeignet ist. All politics is local, wie es das alte Sprichwort will, und die hohe Beteiligung in den Vorwahlen täuschte oft über den mangelnden Rückhalt in der breiteren Bevölkerung hinweg. Wenn die Progressiven in der Wandlung der demokratischen Partei erfolgreich sein wollen, müssen sie so vorgehen wie es die Tea Party getan hat und ihre eigenen, lokal verwurzelten Kandidaten herausbilden, also eine bundesweite, professionelle Fraktion bilden. Ob das insgesamt so erstrebenswert ist, sei einmal dahingestellt. Den Republicans brachte der scharfe Rechtsruck den Totalkollaps jeglicher Gestaltungsmacht im Kongress und einen Präsidentschaftskandidaten Trump ein - in nur sechs Jahren nach ihrem Triumph bei den Midterms 2010. Das ist die Definition eines Pyrrhussiegs, und wenn der Preis zu seiner Vermeidung Kandidaten der Mitte wie Wasserman Schultz und Clinton sind, dann ist das sicherlich besser als die Alternative. Jede progressive Graswurzelbewegung sollte daher stets das Schicksal der Tea Party und der Republicans vor Augen haben und sich gut überlegen, wie viele Institutionen man niederbrennen kann, bevor einem der ganze Bau über dem Kopf zusammenbricht.
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¹ Begriff für die Anhänger Sanders. Analog dazu Clintoniten, Trumpisten.