Mutter Scheinheiligkeit

Mutter ScheinheiligkeitHeute wurde Anjezë Gonxha Bojaxhiu, bekannt als "Mutter Teresa", von Papst Franziskus heiliggesprochen. Eine gute Entscheidung war das nicht. Mit ihrer Entscheidung fiel die katholische Kirche damit genau dem zum Opfer, gegen was sie als Institution eigentlich immer zu bestehen hofft: den aktuellen Launen und Modeerscheinungen und der Abwehr radikaler Bestrebungen innerhalb der Organisation selbst. Aber von Anfang an.
Mutter Teresa wurde 1910 im heutigen Albanien geboren, Bereits mit 12 wollte sie Ordensschwester werden, was sie mit 18 auch tat. Sie wurde bereits nach kurzer Zeit ins indische Bengalen entsandt und nahm den Namen "Schwester Teresa" an. 1948 bat sie um ihre Eklausturierung, also die Entlassung aus dem Klosterverband, weil sie von Jesus die Aufforderung erhalten habe, sich um die Ärmsten zu kümmern. 1950 erhielt sie Erlaubnis und lebte seither in Kalkutta, wo sie mit einigen ihrer ehemaligen Schülerinnen die Ordensgemeinschaft "Missionarinnen der Nächstenliebe" aufbaute, die später vom Papst approbiert wurde. Positive Berichterstattung, vor allem durch die Magazine Time und Life, brachte ihr weltweite Aufmerksamkeit und 1979 den Friedensnobelpreis. Bereits ein Jahr nach ihrem Tod 1997 begann Papst Johannes Paul II den Prozess ihrer Seligsprechung, die 2003 erfolgt. Seit heute ist sie eine Heilige.
Wo also liegt in dieser inspirierenden Geschichte von einem Leben im Dienste der Ärmsten das große Problem? Da gibt es tatsächlich mehrere.
Der Glaube Mutter Teresas ist eine besonders radikale Ausprägung des Christentums. Sie war absolut gegen Abtreibungen, gegen Verhütungsmittel, gegen Frauenrechte und ziemlich zuverlässig gegen jede andere progressive Reform des 20. Jahrhunderts. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil setzte sie ihren gesamten nicht unebträchtlichen Einfluss dazu ein, jede Reform zu blockieren; stattdessen forderte sie - wie stets in ihrem Leben - mehr "Arbeit und Glaube" und bezeichnete die Abtreibung als "größten Zerstörer des Friedens" den es auf der Welt gebe. Sie wandte sich gegen die Legalisierung der Scheidung und engagierte sich im entsprechenden irischen Referendum 1995 in einer Vortragsreise stark gegen die Scheidung. Für ihre persönliche Freundin, Prinzessin Diana, machte sie allerdings gerne eine Ausnahme und gab deren Scheidung ihren Segen, weil die Ehe "so unglücklich" gewesen sei.
Ihr Dienst an den Armen diente nicht dazu, ihr Leben besser zu machen. Für Teresas Theologie war Armut nicht eine Last, sondern eine Belohnung von Gott, denn sie verursachte großen Schmerz, und jeglicher Schmerz brachte die Menschen Gott näher. Ihr Ziel war es nicht, Menschen zu heilen oder ihr Leben angenehmer zu machen. Ihr Ziel war es, sie in Gottes Herde zu bringen. Daher ist die Fürsorge, die Mutter Teresa betrieb, nicht gerade unumstritten. In ihren Sterbehäusern und Hospizen waren die Bedingungen furchtbar. So war Hygiene kaum gewährleistet, nicht einmal bei den medizinischen Geräten, wo häufig Spritzen mehrfach ohne Reinigung verwendet wurden. Da Teresa die Armut idealisierte, verschlechterte sie die Zustände in den Gebäuden - die gespendet wurden und manchmal gut ausgestattet gewesen waren - absichtlich, entsorgte etwa neuwertige Matratzen. Im Winter wurde zudem kaum oder gar nicht geheizt.
Diesen Praktiken, die aus einer ideologischen Verblendung herrührten, verschlechterten den Gesundheitsszustand vieler Patienten, selbst wenn diese eigentlich problemlos heilbar gewesen wären. Oberstes Ziel Teresas war - nach eigenen Aussagen übrigens - auch nie die Hilfe für die Menschen, die Linderung oder Heilung ihrer Krankeiten, sondern die Missionierung. Dafür wurden auch gerne einmal Sterbende getauft, die sich nicht mehr wehren konnten. All das sind Praktiken, wie sie die Kirche selbst eigentlich ablehnt und verurteilt.
Krankenwägen, über die der Orden ebenfalls verfügte, wurden nicht zum Transport von Kranken verwendet, sondern als Transport für die Schwestern umgebaut. Auch persönlich war sie gegenüber der modernen Welt eher pragmatisch eingestellt: wenn ihr Gesundheitszustand schlecht war, flog sie in Elitekliniken nach Kalifornien. Dazu kam ein Umgang mit Spendengeldern, der mit "intransparent und moralisch fragwürdig" milde umschrieben ist. Teresa störte es keinesfalls, Beziehungen zu Superreichen zu pflegen, auch und vielleicht besonders nicht, wenn es sich um moralisch fragwürdige Zeitgenossen wie den haitischen Diktator Duvalier handelte, der sie mit Millionen bedachte, oder den Kredithai Charles Keating, der maßgeblich für die US-Finanzkrise in den 1980ern verantwortlich war. Zudem ist bis heute ist unklar, was mit vielen Millionen Spendengeldern geschehen ist. Der Orden kann ihre Verwendung jedenfalls nicht nachweisen. Die Annahme, dass sie für andere als die propagierten Zwecke der Armutsbekämpfung ausgegeben wurden, ist nur schwer von der Hand zu weisen.
Wie konnte jemand mit so einem Resumee jemals einen solchen Berühmtheitsgrad erreichen und eine Heiligsprechung durch Akklamation, lange bevor die Person dann mit ihrem Tod auch das formale Kriterium erfüllte?
Hauptsächlich ist es Teresas Händchen für PR zu verdanken. Sie war sehr gut darin, sich gekonnt in Szene zu setzen und arbeitete kräftig am Mythos um ihre eigene Person. Der Orden wurde zu einer richtigen Public-Relations-Maschine und gründete mehr als 500 Konvente in rund 100 Ländern, alles in ihrem Namen. Für die katholische Kirche wurde sie somit zu einem unverzichtbaren Werbeelement, auch wenn ihre Theologie bereits in den 1970er Jahren eher zum Opus Dei passte als zum Mainstream der Kirche. Johannes Paul II war ein großer Fan und erkundigte sich bereits zu ihren Lebzeiten, wie man den Prozess der Selig- und Heiligsprechung abkürzen könnte. Eigentlich hat die Kirche als Sicherung gegen genau solche Modeerscheinungen eine Fünf-Jahres-Frist für den Antrag zur Seligsprechung vorgesehen, aber über den setzte sich der Papst 1998 locker hinweg. Alle Regeln sind eben doch flexibel, wenn man nur will. Als Aushängeschild für die Kirche ist Mutter Teresa seit Jahrzehnten ein purer Gewinn. Verdient hat sie es kaum.

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