Das war ein Schlag ins Kontor der allmächtigen Welterbekommission der Unesco, damals vor zwei Jahren. Gemäß dem Vorschlag seines Sekretariats strichen die hohen Abgeordneten großer Welterbebewahrungsnationen wie Bahrain, Kuba, Barbados, Madagaskar und Nigeria das Welterbe Dresdner Elbtal ratzefatz mit einer Stimmenmehrheit von 14:5 von der Welterbeliste.
Das Todesurteil für den Tourismus in der Elbemetropole, die nun ausdörren würde, weil niemand sie mehr besuchen kommen wolle. "Die Blamage ist jetzt amtlich", knirschte der "Spiegel", der traditionell vom Blamagen lebt. Deutschlandweit ergingen sich Qualitätsmedien in dunklen Betrachtungen über das Ende des Tourismus in Dresden, die Dummheit der Dresdner, eine für Hamburger, Kölner und Berliner völlig unnütze neue Brücke einzutauschen gegen den Ruf, eine von weltweit nur knapp 550 Welterbestätten zu sein, die jedes Schulkind kennt.
Zwei Jahre danach sind die Medien allerdings verstummt. Dass "Dresdens Tourismus alle Rekorde bricht", wie die Sächsische Zeitung gerade berichtet, passt ja auch so gar nicht zu den finsteren Zukunftsfantasien, die das jahrelange Murren über die eigenmächtige Bauentscheidung der Sachsen grundiert hatten. Auch in Bahrain, Kuba, Barbados, Madagaskar und Nigeria ist Dresden und die Waldschlösschenbrücke laut Google News kein Thema mehr, "helle Freude" (SZ) herrscht hingegen "bei Hoteliers und Gastwirten in Dresden, denn noch wurde die Stadt von so vielen Touristen besucht wie in den ersten Monaten des Jahres 2011.
"Von Januar bis März sind insgesamt 12,1 Prozent mehr Touristen in die Stadt gekommen als noch 2010", jubelt die regionalpresse, während die überregionalen Mahner und Warner ins Dresden-Koma gefallen sind. Von "Spiegel" bis "Stern", von "Welt" bis "Süddeutscher" ist der Brückenbau kein Thema mehr, ebensowenig natürlich auch die explodierten Besucherströme. Die können dank der Bauarbeiten an der Brücke zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder frei auf die klassischen Flussbiegungen blicken. Zuvor, als der Blick noch Welterbe war, endete die Canaletto-Aussicht im Blattwerk von Bäumen und Gebüsch, mit dem das Welterbe unbemerkt von Berichterstattern in Hamburg, München und Havanna komplett zugewachsen war.
Neidisch blickt die alte Römerstadt Regenburg auf die sogenannte Dresdner Lösung. Seit Monaten wartet die Stadtverwaltung der bayrischen Welterbestadt auf eine Auskunft der Unesco-Welterbekommission zur Frage, ob sich Regensburg eine Ersatzbrücke über die Donau und vielleicht sogar ein Hochhaus am Donauufer bauen darf. Doch die Unesco schweigt.
Der Blick nach Sachsen aber macht nun Hoffnung: Baut man Brücke und Hochhaus, ist der Welterbetitel weg. Aber die Touristen, die sind da.
Der bizarre Streit im Zeitraffer:
Die Rache der Enterbten
Aufschwung ohne Welterbe
Canaletto mit Betoneinfassung
Erpressung im Elbtal
Breit im Brückenstreit