Tag 5: Guess who?

Nachdem sich gerade an diesen thematisch „schweren Brocken“ bis zum Ende kein(e) Freiwillige(r) wagen wollte, hab ich diese doch etwas schwierige Aufgabe kurzfristig, aber dann doch gerne, übernommen – so als Aufwärmübung für meine Herzensangelegenheit, „das Cover“, an Tag 18 ;-)

Bei der Suche nach einer passenden Platte zu dieser Aufgaben stellt sich ja schon die Definition der „Hassband“ als äußerst schwieriges Unterfangen dar. Im Prinzip beschäftigt man sich ja meist mit Musik, der man eigentlich eher zugetan ist, und die Definition der mir eher unangenehmen Musikgruppen aus Film, TV und Radio – also aus dem Bereich eher indirekter Beschäftigung – als „Hassband“ erscheint mir deutlich zu oberflächlich. Auch gesunder Hass sollte eine gewisse Intensität der Auseinandersetzung als Grundlage haben („qualitativ hochwertiger Hass“ sozusagen). Neben dieser Problematik werde ich mir allerdings an dieser Stelle verkneifen, mich näher mit der grundsätzlichen Schwierigkeit der überzogen scharfen sprachlichen Wertigkeit von „Hass“ im Zusammenhang mit einer Nebensache (Aufschrei des Musikliebhabers in mir) im Allgemeinen auseinanderzusetzen – ich werde das Ganze jetzt einfach nur als „deutliche Abneigung“ definieren.

Ich will mich also mit einem Album einer Band beschäftigen, die mir aus heutiger Sicht in Beurteilung ihrer Szene-Positionierung, ihrer lyrischen Inhalte, ihrer Geschichte als auch insbesondere ihres teilweise wenig niveauvollen Auftretens im Allgemeinen nicht zusagt, bzw. schon oft Objekt kritischer Kommentare von meiner Seite war. Diese Band hat nicht nur diverse Anbiederungen an den rechten Rand der Rockszenerie, rüpelhaftes Verhalten, diverse inhaltlich inakzeptable Texte oder auch Aussagen auf ihrer Kappe, sie hat sich vor allem auch nicht wirklich gebessert und ist auch als inzwischen erwachsene Gruppe gestandener Herren eine Truppe, die bei mir gewisse Zweifel hinterlässt – was mir insbesondere im Bezug auf die immer noch vorhandene Wirkung von Musik und Texten auf junge Zielgruppen Sorge bereitet.

Der wenig ruhmreiche aktuelle Status der Band-Skandale – nach einem eigentlich geglückten Band-Ende mit großer Final-Tour– ist leider ein Alko-Fahrerflucht-Prozess des ehemaligen Sängers. Auf der anderen Seite findet man nun mal aber auch ein hier zur Disposition stehendes „tolles Album“, und mit Blick auf die später begutachteten positiven Faktoren steht sicher nicht nur explizit diese eine Platte auf der Haben-Seite. Warum aber wird nun eine der Platten dieser eben umschriebenen „Hassband“ zu einer guten, tollen bzw. sogar Lieblingsplatte? Dies fußt – im Bezug auf die im Fokus stehende Platte – auf drei Säulen der Beurteilung:

Die Erläuterung der „persönlichen Umstände“, in welchen ich in Kontakt mit der Platte gekommen bin, verdeutlicht sehr schnell die besondere Beziehung – es war schlicht und einfach zu Teenie-Zeiten die Lieblingsplatte eines besten Freundes. Somit fand der beginnende Rock-Fan-Jüngling nicht nur Gefallen am schwierigen Image der Band, dem punkig-rockigen Sound oder den gefälligen und teilweise hochmelodischen deutschen Texten – sondern erlebte mit dieser Platte als gedanklicher Hintergrundmusik auch noch einige sehr aufregende Dinge… die auszuführen hier natürlich zu weit gehen würde ;-)

Es verbindet mich kurz gesagt einfach ein Stück meiner Vergangenheit mit einer Band, die nie wirklich eine „meiner“ Bands war und die ich aus heutiger Sicht in ihrer Gesamtbeurteilung zwar nicht völlig verteufeln will, der ich aber mit Sicherheit eher ablehnend gegenüberstehe.

Zur „musikalischen Qualität“ ist ganz einfach zu sagen, dass die technisch-musikalische Umsetzung im Zeitrahmen ihresgleichen sucht: Grandiose Melodien, tolle Riffs und kraftvolle Produktion treffen auf authentische, aber durchaus auch sprachlich-verspielte Textkonzepte (die ganz im Sinne des Album-Titels viele Bibel-Verweise enthalten). Die Platte ist musikalisch wie textlich extrem abwechslungsreich, gespickt mit Zitaten (u. a. Goethe, Hesse, …), und sie versprüht angriffige, aber gereifte Rock-Energie, die auch heute noch ins Ohr geht und mit Heilige Lieder oder Nenn‘ mich wie Du willst auch tatsächlich klassische Band-Hits beinhaltet. Das Album an sich, abseits der Hintergründe und Geschichte der Bandprotagonisten, ist schlichtweg ein musikalisch wie textlich tolles Stück deutscher Rockmusik. Durchaus wichtig ist mir an dieser Stelle auch die respektable Würdigung der Band-Leistung im Bezug auf Umfeld, Anfeindungen, … eine derartige Platte zu bewerkstelligen.

Zur Zeit der Veröffentlichung des Albums gab es negative Presse-Kampagnen, kein Marketing der Plattenfirma, Verkaufsverbote z. B. bei Mediamarkt, einen allgemeinen Gegen-Trend zur klassischen Rock-Musik und schwierige Zeiten in der Band – die Platte in dieser Situation (und noch dazu ohne Internet-Support) auf Platz 5 der deutschen Charts zu platzieren, war eine gewaltige Leistung. Insgesamt ergibt sich also aus meiner sehr subjektiven Sicht das Bild eines grundsätzlich tollen Albums einer grundsätzlich kontroversen und schwierigen Band. Gerade auf Grund der Tatsache, dass es sich um eine sehr kontroverse Gruppe handelt, habe ich jetzt auch sehr lange versucht, die Notwenigkeit der finalen Nennung der Band hinauszuzögern, um jetzt zum Ende nur noch der Vollständigkeit halber kurz „Namen zu nennen“. Wie die KennerInnen unter den werten LeserInnen vielleicht schon erkannt haben, behandle ich nun schon einige Zeilen lang die deutsche Rockband Böhse Onkelz und ihr Album Heilige Lieder aus dem Jahre 1992 – das aus den angeführten Gründen mein „tolles Album einer Hassband“ ist.

Über den Autor: Florian Allesch arbeitet im Bereich Medien/Kommunikation bzw. als Sozialarbeiter, schreibt für einige Online-Musikmagazine und darf eine relativ umfangreiche Plattensammlung mit Fokus auf den Rock-/Metal-Bereich sein Eigen nennen. FA on www, Xing, Facebook, Twitter & Last.fm.

Böhse Onkelz: Website Myspace Amazon


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