Spucke im Rhein und Bernsteinkettchen

Ein Gastbeitrag von Julitschka. Danke dafür:
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“Eine Bekannte von mir hat vor kurzem ihr Kind zur Welt gebracht. Schon während ihrer Schwangerschaft schimpfte sie über mich, im Scherz. Sie war, dank meiner Warnung vor Pseudomedizin, sehr aufmerksam bei der Wahl ihrer Hebamme und auch später bei ihrem Kinderarzt. Dass sie dahingehend sensibilisiert war, machte ihre Suche natürlich aufwändiger. Ihre Hebamme beschrieb sie als knallharte “wurstige” ältere Frau, die ihre Bitte nach Vermeidung von Hokuspokus nur mit einem Nicken quittierte, als wäre dass das selbstverständlichste auf der Welt. Wer regelmäßig mit Hebammen zu tun hat, weiß, dass diese Haltung eher ungewöhnlich ist.

Ihr Kinderarzt ist auch eher einer der Skeptischen. Als sie ihn auf Homöopathie ansprach, sagte er nur trocken:
“Homöopathie ist, wenn sie in der Schweiz in den Rhein spucken und das in Köln nachweisen wollen.”

Das brachte uns natürlich zum Lachen, aber im gleichen Atemzug verschrieb er ihr Vib.urcol, welches er trotzdem
als wirksam bezeichnete. Es handelt sich um Zäpfchen für Säuglinge gegen “krankheitsbedingte Unruhe”. Diese sollte sie ihrem Kleinen gegen die Nebenwirkungen der Impfungen geben. Einige Inhaltsstoffe sind gegenüber der “Urtinktur”* nur 1:10 verdünnt. Sie sind uns auch aus der evidenzbasierten Medizin bekannt. Beispielsweise enthält die Tollkirsche zwei Stoffe, die zur Behandlung von Erregungszuständen benutzt wurde. Breitwegerich wirkt angeblich entzündungshemmend und Kamille ist krampflösend und entzündungshemmend. Simile-Prinzip? Wohl eher nicht.
Allerdings täuscht die niedrige Verdünnung, da wir nicht wissen wie konzentriert die “Urtinktur” war. Gerade bei der Tollkirsche würde mich das sehr interessieren.

Das Fazit meiner Bekannten fiel daraufhin sehr nüchtern aus. Ihrem Kleinen haben die Zäpfchen nicht geschadet und irgendwas hat funktioniert. Ihrem Arzt verzeiht sie zwar, sie wird aber in Zukunft noch kritischer hinterfragen.

Sie erlebt auch während anderer Aktivitäten mit ihrem Kleinen obskure Dinge. So schrieb sie mir vor ein paar Tagen:
“[..] Es gibt echt viel Hokuspokus in der Kinderheilkunde. Bin echt gespannt, wie viele Kinder es in der Krabbelgruppe mit Bernsteinkettchen geben wird. Bisher ist nur eines dabei, ein anderes hat ‚ne Veilchenwurzel um den Hals, auf der es jederzeit rumbeißen kann…(hilft beides ganz wunderbar gegen Zahnungsprobleme, hab ich gehört)
Und am Samstag im Babybecken des Schwimmbades B. hatten alle 3 Knirpse einer dort badenden Familie Bernsteinkettchen um, 2 weitere, mit verschiedenen Eltern auch – nur Max und ein anderes Kind hatten keine Kettchen – wahrscheinlich weil sie noch zu klein fürs Zahnen sind. Das wird’s sein. Endlich weiß ich, was mein Kleiner zu Weihnachten bekommt: Bernsteinkettchen und Veilchenwurzel. ;-)”

Auf meine Frage hin, was das denn für Eltern seien, sagte sie mir, dass sie ganz normal wirkten. Keine Besonderheiten, die auf fanatischen Esowahn hinweisen würden. Irgendwie wäre mir das zwar lieber, aber ich kann nur hoffen, dass sie es bei solch harmlos erscheinenden Accessoires belassen.

* Die sogenannte Urtinktur ist die Anfangslösung, die die Homöopathen ansetzen, um dann ihren Verdünnungsritus abzuspulen. Diese Urtinktur kann alles Mögliche sein, z. B. ein Zwiebelsud oder ein wässriger Kamillenextrakt.”
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Vielen Dank für diesen schönen Einblick von der Basis. Zum Thema Bernsteinkettchen könnte ich auch noch einiges schreiben.



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