Sonntag mit Erinnerungen und „Als wir träumten“

„Können wir in „Als wir träumten“ gehen? (Das Junge Staatstheater Braunschweig spielt jenes Stück heute im Schauspielhaus. )

Karla fragt mich das und es wundert mich nur so lange bis ich lese worum es geht. Ein paar Schlagworte nehme ich wahr wie : Pioniere, Wendezeit, Clique, Hoffnungen, Verlorenheit. Ich erzähle nicht oft, zu weit weg ist das Thema für unsere Kinder.

Ich hab irgendwann aufgehört Bücher über die Wendezeit zu lesen, es war mir meist zu viel Klischee, aber vielleicht sage ich das auch nur, weil ich 89 schon weg war und mir Heidelberg mit seinem Postkartenidyll merkwürdig irreal zu Füßen lag.

Ich bin im Plattenbau aufgewachsen, in einer Plattenbaustadt, im Block 635/2.

Es lebte sich gut, so lange lange man mit dem Strom schwamm und ich schwamm gern mit dem Strom. Patriotisch für den Frieden das Halstuch tragend. Berufswunsch: Partisan.

„Lies!“, hatte mein Vater mir immer wieder gesagt, „lies Feuchtwanger und Anna Seghers“, meine Mutter packte Scholochow und Aitmatow dazu. Ich las alles über Thälmann, Lenin, Rosa Luxemberg. Ich las Timur und sein Trupp, sie nannten sie Katja, Gesine und „Der Weg zum Smolny.“ Wir waren die Guten.

Irgendwann kam die Pubertät, das Aufbegehren, Nachfragen, die Leere. Desillusion. Es das war definitiv kein Bullerbü , viele Szenen die im Roman beschrieben sind, kenne ich-siehe anklopfende Glatzen bei einer Party. Der Ton von Meyer ist unverblümt und treffsicher ( Ich habe das Buch gestern noch schnell begonnen zu lesen). Das mag ich sehr .

Einreißende Kulissen, fallende Werte, fallendes Systems.

„Von der Sowjtunion lernen heißt siegen lernen, ein Pionier liebt seine Eltern und hält seinen Körper sauber und gesund“ -die Erziehung zum neuen Menschen.

Die Leere, die Abgeklärtheit derer die hinter die Kulissen geschaut hatten, die auch schon vor der Wendezeit ohne Hoffnung waren, weil es für sie keine Chancen mehr gab: verkacken konnte man schnell, die die Doppelbödigkeit durchschauten oder einfach von vornherein null Chancen hatten, die gab es auch schon vor der Wende.

Brach sich Bahn in zerstörten Spielplätzen, Outlaw dasein, geschnüffelten Klebstoff und Goldbrand.

Wenn ich an die die DDR denke, denke ich an abwesende Eltern die rund um die Uhr arbeiteten und am Abend in Parteilehrjahren ihre politische Gesinnung festigten . Sie ergriffen ihre Chance, auch die der Gleichberechtigung. Wenn ich an die DDR denke denke ich Ganztagesbetreung und Wochenheime,denke ich an Gleichschaltung, und Verlogenheit, an Staatssicherheit und Denunzianten, an Pionierlieder in Dur, an Fahnenapelle, an die Sehnsucht meines Vaters nach Mandelbäumen und dem Pfälzer Wald, an die pfälzisch sprechende und Kette rauchende Großmutter.

Manchmal werde ich sauer, dann wenn Anna gelangweilt „Das Leben der Anderen “ sieht, weil es Hausaufgabe ist und sagt, so sei es gar nicht gewesen sage ihr Wipolehrer. „Doch“, sage ich dann, „genauso war es, Anna, genau so.“

Wo hatte ich angefangen : Ach ja beim Theaterstück „Als wir träumten.“ Ich gehe da heute mit Karla hin.

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