Smoke | Dan Vyleta

Smoke | Dan Vyleta

Ende des 19. Jahrhunderts in England. Die Jungen Charlie und Thomas gehen in einem elitären Internat zur Schule. Eigentlich sind sie privilegiert, doch ihre Gedanken sind unrein. Und alles, was mit Unreinheit, Bosheit oder einer Lüge zu tun hat, manifestiert sich in Rauch, der unkontrollierbar den Körper verlässt. Wer raucht, gibt sich der Sünde hin und zeigt deutlich den Unterschied zwischen Ober- und Unterschicht.
Weder Charlie, noch Thomas würden jemals die Regeln des Rauchs hinterfragen, bis sie nach einem sehr verstörenden Schulausflug zwei Beobachtungen machen: ein Mann, der inmitten der Sünde kein einziges Fädchen Rauch absondert und ein Mann, der den Ruß eines Mörders einsammelt. Völlig ratlos machen sich die beiden auf die Suche nach Antworten, ohne zu wissen, dass sie nicht nur sich selbst damit in Gefahr, sondern das gesamte Machtgefüge ins Wanken bringen.

Ein Buch, das mich mit seiner Gesellschaftskritik unglaublich gefordert hat.

Als mich die E-Mail von carl's books erreichte, ob ich nicht Lust hätte diesen Mystery-Thriller zu lesen war ich zunächst nicht ganz sicher. Der Klappentext von „" hat mich allerdings direkt angesprochen. Die Idee von Dan Vyleta, eine alternative Realität darzustellen, hat mich gereizt. Allerdings habe ich mir doch etwas mehr davon Versprochen. Mehr Spannung, einen Funken mehr Action.

Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass „Smoke" derart kompliziert zu lesen sein würde. Dieses Buch habe ich einfach nicht in kurzer Zeit lesen können, weil ich mir Zeit nehmen musste, um die komplexe Botschaft hinter der Geschichte verstehen zu können.
Vyleta stellt das England im 19. Jahrhundert dar, doch nicht so, wie es eigentlich gewesen ist, sondern in einer alternativen Realität in der fast jede Gefühlsregung als Rauch sichtbar wird.
Nicht nur eine Boshaftigkeit, Neid oder Lüge tritt als Rauch aus dem Körper, sondern auch jegliche Erregung, Leidenschaft, Freude. Der Rauch ist genau das, was der Mensch eigentlich ist: voller Gefühle, voller Leidenschaft und keineswegs gut oder böse.
In diesem England, in dem wir uns befinden wurde der Rauch jedoch verteufelt. Wer raucht, muss ein Sünder sein, der sich selbst nicht zügeln kann. Wer raucht, ist die Personifizierung des Bösen. Der Rauch wird dazu genutzt, die unteren Schichten zu unterdrücken und die Elite weiter herauszustellen, denn wer privilegiert ist, raucht nicht. Wer reich ist, kann kein Sünder sein.
Thomas und Charlie sind in dieser Welt aufgewachsen und werden im Internat für jedes bisschen Rauch, das ihnen entweicht, aufs härteste bestraft. Trotzdem können sie dem Ideal, nicht entsprechen. Sie rauchen, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise.

Thomas ist voller Gefühle, die er nicht kontrollieren kann. Er kann seine Wut, Freude und Leidenschaft nur schwer unterdrücken und raucht bei fast jeder Gefühlsregung. Als Charakter hat er mir gut gefallen, denn er sagt fast immer was er denkt. Er ist zwar jemand, der vor dem Rauch Angst hat und sich fragt, was dieser aus einem Menschen machen kann, trotzdem versucht er Antworten zu finden, um in einer besseren Welt leben zu können.
Charlie kann seine Gefühle sehr viel besser unterdrücken und raucht lange nicht so stark wie sein bester Freund. Er ist gutmütig, ruhig und überlegt sich immer genau, was er sagen möchte. Er lässt sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen und versucht immer eine klare Antwort für seine Fragen zu finden. Dass seine gesamte Welt dabei auf den Kopf gestellt wird, ängstigt ihn, bringt ihn aber trotzdem nicht dazu übermäßig zu rauchen. Charlie ist der Gegenpol zu Thomas und vielleicht sind die beiden gerade deswegen Freunde geworden. Sie sind das Gegenteil voneinander und genau deshalb passen sie so gut zusammen. Charlie holt Thomas zurück, wenn er im Begriff ist sich zu verlieren und Thomas zeigt Charlie, was sein könnte, wenn er einmal seine Gefühle die Oberhand gewinnen lässt.

„Worte sind wie Rauch [...]: Lässt man sie erst einmal hinaus, vermehren sie sich unkontrolliert." (S. 319)

Die Handlung der Geschichte ist nicht unbedingt spannungsgeladen. Es gibt Momente, in denen man so etwas wie Spannung verspürt und unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht und dann gibt es sehr viel mehr Momente, in denen eine Situation die andere ergibt und man zwar irgendwie weiter kommt, das jedoch nichts mit Spannung oder Action zu tun hat. Es gibt eine Szenen, die recht brutal sind auch wenn sie nie direkt beschrieben werden, die Vorstellung allein genügt in diesem Fall aber auch.
Die Art, wie Vyleta erzählt, ist ebenso besonders, wie die gesamte Geschichte. Er bringt immer wieder unterschiedliche Sichtweisen ein. Einmal lesen wir aus Thomas Sicht, ein andermal aus Charlies, dann wieder aus der Sicht eines der Lehrer oder von einem einfachen Bauern. Es ist spannend zu erfahren, wie der ein oder andere die Ereignisse wahrnimmt und bewertet.
Trotzdem war das Buch für mich teilweise einfach zu schwer. Womöglich war der Zeitpunkt, zu dem ich das Buch gelesen habe, einfach nicht der Richtige. Ich hatte kaum die Möglichkeit, mir wirklich Zeit für die Geschichte zu nehmen und kam deshalb auch nur schleppend voran. Es hat mich manchmal doch recht gestört, dass die Handlung nur sehr langsam voran gekommen ist und die erwartete Spannung anders ausgearbeitet war, wie ich es gehofft habe.

Trotzdem hat mich vor allem das Ende sehr für sich eingenommen. Es ist möglicherweise für einige Leser nicht zufriedenstellend, ich habe es aber genau für dieses Buch als perfekt empfunden. In diesen letzten Seiten hat es mir dann sogar doch etwas Leid getan, dass ich diese Welt nun verlassen muss.

Eine Geschichte, für die man sich wirklich Zeit nehmen muss. Das Buch verläuft in eher ruhigen Bahnen, hat aber einen sehr hohen Anteil an Gesellschaftskritik. Man muss mitdenken, um der Handlung folgen zu können und wirklich verstehen zu können, um was es geht. Die Botschaft hinter dem Buch hat mir gefallen auch wenn ich mir einen etwas schnelleren Handlugnsablauf gewünscht hätte.

Herzlichen Dank an carl's books für das Rezensionsexemplar!

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