Sein Leben galt dem gut gestalteten Buch

ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 636 • 9. November 2013

von Walter G. Goes (ARTus) • Bergen auf Rügen

Ich hätte ihm längst schreiben müssen. Das FRAGMENTE-Buch aus der Edition herre lag als Gabe für ihn bereit und ich weiß, er hätte sich darüber gefreut.

Sein letzter Brief erreichte mich aus einer Pflegeeinrichtung in Bernau: Ein großer Umschlag mit 14 Drucken der von ihm früh geförderten, mit nur 51 Jahren verstorbenen Berliner Künstlerin Ruth Knorr. Vor Jahren bat er mich bei Bedarf um Zuarbeit, um die Bereitstellung von Knorr-Arbeiten aus meiner Grafik-Sammlung. Er wolle noch eine Publikation dieser großartigen Grafikerin in Erwägung ziehen, falls sich ein Verlag findet und Geld. Er werde sich melden…

Dann aber hörte ich von einer chronisch fortschreitenden Krankheit, »Eher als gedacht…«, wie es auf einem beiliegenden Kärtchen im erwähnten Bernau-Brief verharmlosend stand. So starb das Projekt, wie am 18. Oktober 2013 sein Anreger, mein verehrter Lehrer Hans-Joachim Schauß.

Etwa 800 Büchern hat er (s)ein unverwechselbares Gesicht gegeben. Mit sensiblem Gespür für das Außergewöhnliche hat er Künstler für seinen Verlag unter Vertrag genommen oder an andere Verlage vermittelt. Darunter die aus Moskau stammende Elena Liessner-Blomberg, den Dresdner Zeichner Ernst Lewinger, die Illustratorin Ruth Knorr und den polnischen Art Brut-Holzbildhauer Szczepan Mucha, dem er das Buch Der Künstler im Gehäuse oder MUCHA, die Fliege widmete.

Mit etlichen Künstlern schrieb er Buchgeschichte. 2003 überraschte mich Hans-Joachim Schauß mit einer bibliophilen Rarität. Er hatte 333 Bild-Grüße als Pünktliche Pointen zu Neujahr von 77 Künstlern aus 4 Jahrzehnten für den Leipziger Verlag Faber & Faber ausgewählt und in einer Subskribenten-Auflage von nur 285 Exemplaren herausgeben können, so gesehen als nicht zum öffentlichen Verkauf bestimmten Liebhaber-Druck. Im Buch entdeckte ich die Ätzradierung Kleiner Friedensengel. Den auf einer Eisscholle festgefrorenen Engel hatte ich ihm von Rügen aus als Neujahrsgruß auf das Jahr 1982 nach Berlin geschickt.

Er liebte Rügen. Gelegentlich sah man den »Büchermacher« Schauß beim Verleger Marquardt in Neuendorf oder in Hagen auf Jasmund, wo er in einer kleinen, verwunschenen Kate mit der schönen Friederike Pondelik (1943-2002) diverse Pläne schmiedete. Wie oft wohl über neue, bestens zu gestaltende Bücher? ARTus

Schauß I


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