Sie haben 21 % europäische Gene - Woher kamen diese Gene? Welche Folgen haben sie?
Das afrikanische Volk der Fulbe (engl. Fulani) ( Wiki, engl) stammt nach neueren Studien (1) genetisch zu 74 % aus Westafrika (also von den Bantu-Völkern), zu 21 % aus Europa und zu 4,1% aus Ostafrika.*) Auf die europäische Herkunft wird zurückgeführt, daß die Fulbe eine genetisch verschaltete Fähigkeit, als Erwachsene Rohmilch verdauen zu können, besitzen, die völlig identisch ist zu der gleichen europäischen Fähigkeit. Eine solche Fähigkeit ist jedoch bei Völkern in Ostafrika und bei arabischen Völkern völlig anders verschaltet, dort also konvergent evoluiert (1).
Eine neue Studie hat nun gefragt, wann und wo genauer diese europäische Einmischung stattgefunden hat (1). Sie stellt zwei Einmischungsereignisse fest, und zwar um 200 n. Ztr. und um 1700 n. Ztr..**) Insgesamt könnte die genetische Signatur dieser Einmischung auch auf Einmischung von Berber-Völkern in Nordafrika hinweisen. Diese könnten schon im Neolithikum durch Südwanderung europäischer Völker entstanden sein, wie vielfach in der Forschung angenommen wird. (Im Neolithikum findet AncientDNA ja auch wenige Anteile schwarzfrikanischer Genetik in Spanien, worauf andernorts hier auf dem Blog schon hingewiesen wurde.)
Es sind nun allerlei historische Szenarien denkbar, mit denen diese europäische Einmischung erklärt werden kann. Auch die portugiesischen Seefahrer des 17. Jahrhunderts können eine Rolle spielen, aber ebenso das Volk der Phönizier oder - vielleicht? - auch das Volk der Wandalen.
Im ersten Zugriff scheint einem die Art der des früheren Vermischungsereignisses**) am ehesten zu passen auf die Phönizier, die mit ihren Schiffen sicher bis Westafrika gekommen sind. Schon bei den Tuareg hielt sich die Sage und gibt es manche Hinweise für die Vermutung, daß sie von Karthagern abstammen, die nach der Zerstörung von Karthago durch die Römer in die Wüste geflohen sind. Ein ähnlicher Zusammenhang wäre auch bezüglich der Fulbe annehmbar.
Wie es sich damit aber nun genau verhält, werden künftige Forschungen zeigen müssen, vermutlich wird auch hier erst Ancient-DNA-Forschungen einigermaßen abschließende Ergebnisse liefern.
Noch einmal zur Erinnerung: 146 v. Ztr. wurde die phönizische Großmacht Karthago von den Römern endgültig zerstört ( Wiki). 435 bis 534 n. Ztr. herrschten in Nordafrika die Wandalen.
Der Ehrenkodex der Fulbe
Die Fulbe haben übrigens ursprünglich als Nomaden gelebt und - offenbar - auch Kamele geritten - wie die Tuareg. Sie haben vor der Kolonisierung südlich der Sahara auch Staaten gegründet. Sie besaßen in Westafrika, so ist zu erfahren, "eine Vormachtstellung". Auf Wikipedia heißt es diesbezüglich in einer Sprache von Völkerkundlern und auch mit Inhalten, die inzwischen etwas veraltet sind ( Wiki):
Die ethnische Herkunft der Fulbe ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Die frühen europäischen Ethnologen des 19. und 20. Jahrhunderts waren sich über den Ursprung der Fulbe sehr uneinig. Einige Theorien (...) sagten ihnen (...) sogar europäischen Ursprung nach. (...) Eine weitere Erklärung für die europäischen Versuche, die Fulbe ethnogenetisch zu lokalisieren, liegt in dem Umstand, daß sie zur Zeit der Kolonialisierung eine Vormachtstellung in Westafrika innehatten. Die Europäer versuchten, diese militärische Überlegenheit mit einer hypothetischen Überlegenheit der "weißen Rasse" in Einklang zu bringen. Die Fulbe stellten in diesem Fall einen "entarteten" Vertreter dieser Rasse dar, der allerdings aufgrund seiner Herkunft immer noch ein Minimum an Überlegenheit gegenüber den Schwarzen aufweisen mußte.
Ääääähm, Entschuldigung. Aber "irgendwie" scheinen die genetischen Studien solche Vermutungen gerade zu bestätigen. Ähhhhhm.
Die Fulbe kannten übrigens auch - wie die Tuareg - ein Kastensystem mit Adligen, Handwerken und Sklaven. Die Fulbe besitzen einen Ehrenkodex, den "Pulaaku", an den sie sich - traditionell - unbedingt zu halten haben. Man darf ihn begeisternd nennen, er gründet auf drei Säulen, für einen Angehörigen der Fulbe (Einzahl "Pullo") gilt:
- Selbstbeherrschung - ein Pullo soll sich immer ruhig verhalten und darf sich nicht seinen Emotionen hingeben
- Zurückhaltung und vor allem Ehrlichkeit, die für den Pullo von großer Bedeutung ist
- Geist ist eine der wichtigsten Eigenschaften des Pullo - ein Pullo soll weise und gebildet sein, denn nur der Weise kann sich selbst beherrschen und bescheiden leben.
Aus den drei Grundsätzen lassen sich folgende Regeln ableiten:
Oder, auch dem englischen Wikipedia-Artikel ( Wiki):
The Fulani follow a code of behavior known as pulaaku, which consists of the qualities of patience, self-control, discipline, prudence, modesty, respect for others (including foes), wisdom, forethought, personal responsibility, hospitality, courage, and hard work.
Für den Unterstamm der Fulbe, die Wodaabe heißt es darüber ( Wiki):
Ihr Verhaltenskodex betont Zurückhaltung und Bescheidenheit (semteende), Geduld und Seelenstärke (munyal), Sorge und Voraussicht (bakkilo) sowie Loyalität (amana). Die 45.000 Mitglieder der Gemeinschaft legen Wert auf Schönheit und Charme, die die Grundlage eines ungewöhnlichen und einzigartigen Brautwerbungsrituals bilden, das geerewol, bei dem die Männer in einem dreitägigen Tanzwettbewerb um den Titel des Schönsten wetteifern. Das geerewol ist auch das Dankfest für den üppigen Graswuchs der Regenzeit.
Bei dem Geerewol-Fest werden die Schönheit und die Fähigkeiten der heiratsfähigen Männer durch die heiratsfähigen Frauen beurteilt.
Während in der Kultur der Tuareg das Kamel - sozusagen - "allesbestimmend" ist, auch für das Verständnis vieler sprachlicher Eigenheiten, ist dies bei den Fulbe die Kuh.
Die Unterstämme beider Völker haben zu unterschiedlichen Zeiten den Islam angenommen ( Wiki), was mitunter die Feindschaft zwischen Tuareg-Stämmen und Fulbe-Stämmen verstärkt zu haben scheint, aber auch von Einzelstämmen der Fulbe untereinander.
Die Fulbe haben als Hirtenvölker bis heute auch viele Konflikte mit seßhaften Völkern, an die sie angrenzen. Insgesamt wird erkennbar, daß die Fulbe eine ähnlich spannende Kultur und Geschichte haben wie die Tuareg (2, 3).
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*) "The Fulani from Ziniaré in Burkina Faso have ancestry fractions of 74.5% West African, 21.4% European and 4.1% East African." (1)
**) Ergebnis: "We found evidence for two admixture events between groups with West African and European ancestries (Table S2). The first admixture event is dated to 1828 years ago (95% CI: 1517-2138) between a parental population/s related to the West African ancestry groups in our dataset (Jola, Gurmantche, Gurunsi and Igbo) and a parental population carrying European ancestry (related to North-Western Europeans (CEU), Iberians (IBS), British (GBR), Tuscans (TSI), and Czech&Slovaks (CS) in our dataset). The second admixture event is dated to more recent times - 302 years ago (95% CI: 237-368) - and occurred between a West African group, with broadly similar ancestries compared to the first admixture event, and a European group. However, this European group is more related to present-day southwestern Europeans (Iberians (IBS) and Tuscans (TSI))." (1)
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- Population history and genetic adaptation of the Fulani nomads: Inferences from genome-wide data and the lactase persistence trait. By: Mario Vicente, Edita Priehodova, Issa Diallo, Eliska Podgorna, Estella S Poloni, Viktor Cerny, Carina M. Schlebusch. Auf: bioRxiv 650986; doi: https://doi.org/10.1101/650986 This article is a preprint and has not been peer-reviewed, https://www.biorxiv.org/content/10.1101/650986v1
- Die Tuareg - ein Volk wie aus einer anderen Welt. Europäer erleben den Orient. Februar 2001, https://fuerkultur.blogspot.com/2001/02/die-tuareg-ein-volk-wie-aus-einer.html
- Bading, Ingo: Zwei junge Ziegenhirtinnen bei den Tuareg in der Sahara. 2. August 2007, http://studgendeutsch.blogspot.com/2007/08/zwei-junge-ziegenhirtinnen-bei-den.html