"Schund, ich schreibe Schund." - Kölner Überkonstrukt "Tatort: Freddy tanzt"


Das Haus mit der Hausnummer 77a in Köln-Mülheim gleicht einem Gefängnis. Vergittert dieTüren, überteuert die Mieten (2.400 € kalt!), seltsam die Bewohner. Hier haust beispielsweise das ältere Ehepaar Koschwitz (Gudrun Ritter & Theo Pfeifer), das Buddha anbetet, schlechte Ohren hat und auch sonst Tofu mit Mohn und Gerste zu sich nimmt. Mjam mjam mjam!
Aber auch die Nachbarschaft ist eine illustre Gesellschaft. Der Glatzkopf namens Baumgart (spielt die selbe Rolle wie immer: Robert Gallinowski) ist ein bekannter Eishockeytrainer, gebürtig aus München stammend und nun in Leverkusen arbeitend. Dort soll er ein neues Team aufbauen. Er besitzt ein Geheimnis – ein im professionellen Sport-Bereich arbeitender Mensch, was verbirgt der wohl klassischerweise im Tatort? Nicht all zu schwer, oder?

Freddy tanzt! (Dietmar Bär) © WDR/Colonia Media GmbH/ Martin Valentin Menke

Auch Frau Denk (Ursina Lardi), eine Kunstexpertin, wohnt mit ihrer Tochter in dem Haus mit der Nummer 77a. Und auch sie gibt vor, jemand zu sein, der sie eigentlich gar nicht. Sie verdreht Kommissar Freddy Schenk (bleibt ein Sympath: Dietmar Bär) den Kopf, der etwas korpulente Mörder-Fänger beginnt wegen ihr sogar mit dem Tanzen. Ouh yeah! 
Schenk und Kollege Ballauf (mittlerweile grauhaarig: Klaus J. Behrendt) ermitteln in dem Haus, in dem auch Fräulein Petersen (Anna Stieblich) ihr Dasein fristet und ihre Wohnung höchstens zum Müll rausbringen verlässt. Der Übersetzerin, die davon lebt, Schund zu schreiben, und ihren unmittelbaren Nachbarn wird eine üble Sache zur Last gelegt: Sie hätten gemeinschaftlich den mittlerweile Verstorbenen Daniel Gerber (tut einem Leid: Matthias Reichwald) bei sich im Haus verbluten lassen. Der hatte was mit Baumgart zu schaffen – jetzt kommt ihr drauf, was Baumgart für ein Geheimnis hat, jede Wette! -, und irgendwie auch mit Denk, die sich in einem Hotel oft mit Männern trifft – auch ihr Geheimnis dürften die halbwegs Intelligenten unter euch jetzt geknackt haben.
In ihrem Stamm-Hotel wollte der auf der Straße lebende Musiker Gerber endlich wieder sein Talent am Klavier beweisen. Klappt eher semigut, weil drei sturzbetrunkene, natürlich völlig unsympathische Boni-Banker (Volkram Zschiesche, Julian Weigend & Hannes Wegener) dort ebenfalls auf den Barhockern sitzen und keinen Sinn für Musik haben. Blutüberströmt suchte Gerber deshalb Zuflucht in dem interessanten Mehrparteienhaus. Geholfen hat ihm keiner. Gerbers Mutter wohnt übrigens zufälligerweise seit mittlerweile siebzehn (!) Jahren im selben Haus von Ballauf; gesehen hat der sie noch nie und hält sie für eine neue Nachbarin. So ist das eben in der Großstadt.

Talentiert und tot: Daniel Gerber (Matthias Reichwald) © WDR/Colonia Media GmbH/ Martin Valentin Menke


Und so ist das eben im neuen Kölner Tatort „Freddy tanzt“. Verdammt viele Zufälle, verdammt viele Klischees, verdammt viel Hanebüchenes. Kaum zu glauben, dass der Fall aus der Feder von Jürgen Werner stammt, der jüngst für seine wundersamen Dortmunder Tatorte für den Grimme Preis nominiert wurde. Was ihm in der Ruhrpott-Metropole stets außerordentlich gut gelingt, misslingt in der Karnevals-Hauptstadt völlig. Seine Geschichten wandern ständig auf dem schmalen Grad zwischen cleverem Konstrukt und Überkonstruktion – in der aktuellen Ausgabe jedoch nehmen die üblichen Versatzstücke und unglaubwürdigen Verflechtungen Überhand an. Unaushaltbar ist das Ganze, an den Haaren herbei gezogen ebenfalls.

© WDR/Colonia Media GmbH/ Martin Valentin Menke

Das liegt auch größtenteils an der Inszenierung von Regisseur Andreas Kleinert und Kameramann Johann Feindt. Handwerklich fehlt es den Bildern an Pfiff und Ideenreichtum, inszenatorisch erinnern die 90 Minuten mal wieder zu viel an gesellschaftskritischem Sozialkitsch und zu wenig an einen Krimi. Von Ballauf und Schenk ist man das leider schon gewohnt. Aber diesmal dürfen die beiden nicht einmal die standesgemäße Currywurst am Rhein verspeisen. Schade.
Während Werner bei den Charaktern skurril mit albern verwechselt, wuchert sich der Film irgendwie durch lauter trauriger Schicksale. Und leider viel zu viel davon unter einem Dach. Ein absurdes Theater voller Langeweile. Die Bewohner des Haues Nummer 77a können einem Leid tun.

© ARD



BEWERTUNG: 3/10Titel: Tatort: Freddy tanztErstausstrahlung: 01.02.2015Genre: KrimiRegisseur: Andreas Kleinert
Darsteller: u.a. Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Joe Bausch, Robert Gallinowski, Anna Stieblich, Ursina Lardi

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