Das Präsidentschaftsrennen in den USA ist für einen echten Polit-Nerd das, was Spiele in der spanischen oder italienischen Liga für den hiesigen Fußballfan sind. Vor allem dann, wenn Sie für einen Club wie zum Beispiel „Eintracht Braunschweig“ bibbern. Oder eben die SPD, und dann guckt man Romney und Obama zu, und so sehr man mitgerissen ist, man fragt sich doch ein wenig, warum man das nicht im heimatlichen Stadion geboten kriegt.
Aber nicht immer. Und gerade Romneys Kampagne hatte immer wieder diese Momente, wo sie definitiv nicht nur programmatisch nahe an der FDP oder der CSU waren, sondern auch methodisch. Obama gab in der ersten Fernsehdebatte den Scharping, und ja, wenn Sie jetzt sofort ins Koma fallen, es tut mir leid, ich versuche auch, ihn zu vergessen. Und dann gibt es diese Momente, wo sie nicht nur einfach schlecht sind, sie schaffen seltene Gelegenheiten, mit denen man eine ganze Kampagne zusammenfassen kann und warum man persönlich für den einen oder anderen Kandidaten ist.
Sturm Sandy ist so eine Gelegenheit Nein, nicht, weil Obama den Schröder macht, wie die ZEIT in ihrem durchaus erfolgreichen Versuch, dem eigenen Niveau zu entkommen, heute titelte. Die Aussage ist natürlich wahr, nur ist die Oderflut um ein hundertfaches schlimmer gewesen als das sicherlich heftige, aber weder Horror- noch Mega- noch Super- Unwetter, das die amerikanische Ostküste gerade heimgesucht hat. Tatsächlich geben die Schäden weniger Aufschluss über das Ausmaß der Katastrophe am Himmel oder über den Klimawandel, was jetzt gerade hochgekocht wird, sondern vor allem über den katastrophalen Zustand der amerikanischen Infrastruktur. Aber das wird bis zu den Wahlen dennoch ein Top-Thema bleiben, und ich nehme an, dass sich Obama abends beim Wetterfrosch bedankt, und warum es mich freut, dass ausgerechnet DAS WETTER die Wahlen dort entscheiden könnte, muß ich wohl kaum erwähnen (schauen Sie sich einfach an, wie ich Artikel seit etwa drei Jahren abschließe
Wer ehrlich ist, würde nicht allzu tief in die Materie einsteigen, weil sie verdeutlicht, wie wenig Obama in den letzten vier Jahren vorangekommen ist. Das Land zerfällt unter seinen zweifellos begabten Händen, und das bei einem Defizit, dass unseren kompletten Bundeshaushalt auf Zwergengröße schrumpfen lässt und das Griechenland reich und schön wirken lässt. Nun will aber Mitt Romney definitiv keine Regierungsprogramme, keine massiven staatlichen Investitionen, kein Steuergeld für irgendetwas, sondern, Trommelwirbel, Steuersenkungen. Ja, das kennen wir hierzulande: Mehr Nutto vom Bretto. Und nein, ich lästere nicht über die FDP, diesmal nicht, aber ich wollte klar machen, dass der Mann Obama hier nicht attackieren kann, weil er sich damit ein weiteres und endgültiges Mal selber widersprechen würde.
Nein, Mitt Romney muss auch Sturmhelfer werden, oder zumindest seine Kampagne einstellen. Das gehört anscheinend mittlerweile dazu: Ein paar Tage vor der Entscheidung fliegt ihnen der Laden so sehr um die Ohren, dass sie dann alle Amerikaner sind, darin haben wir ja auch Übung. 2008 war der Supervulkan die Finanzkrise; diesmal ist es also Sandy. Mitt Romney hatte aber eine Menge Geld in die Hand genommen, um dieser Tage Wahlkampf zu machen, er hatte Gebäude angemietet und dergleichen mehr, und nur so am Rand sitzen und Obama zugucken war einfach falsch.
Wie kann also ein Mitt Romney durch Sandy punkten?
Indem man eine geplante "Victory Rally" in eine "Storm Relief Rally" umbaut. Die ganze Geschichte finden Sie übrigens hier, aber die Bilder haben Sie sicherlich auch gesehen: Bilder, wie Romney auf seiner Kampagne Lebensmittel einsammelt. Es ist ein netter kleiner Fakt, dass die dortigen Hilfsorganisationen ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sie eigentlich keine Sachspenden haben wollen, aber es ergeben sich so schöne Fotos daraus:
Unfortunately, due to logistical constraints the Red Cross does not accept or solicit individual donations or collections of items. Items such as collected food(...)must be sorted, cleaned, repackaged and transported which impedes the valuable resources of money, time, and personnel.
Es würde also schon ausreichen, dass Romney die Behörde, welche bei nationalen Katastrophen einspringt, die FEMA, privatisieren will und auf "private Hilfe" setzt, die, wie er sehr schön demonstriert, bei allem guten Willen genau das Falsche sein kann, während Obama aus gutem Grund zu Geldspenden aufrief. Aber das ist nicht der beste Teil.
Wenn man nämlich eine Wahlkampfveranstaltung in letzter Sekunde zu einem großen Spendenaufruf umwandelt, hat man ein Problem: Eventuell bekommen viele Besucher das nicht mit, und der mit großem Pathos zu beladende Truck, der dann an die Ostküste fährt, ist peinlich leer. Vor dem Event gingen also Romneys Wahlhelfer ernsthaft im Wal-Mart einkaufen und gaben 5000 Dollar aus für Granalo-Riegel, Konservendosen und Windeln.
Romneys übliche Wahlkampfrede wurde zugunsten einer Hymne über ehrenamtliche Arbeit gestrichen, und die eingeladenen Prominenten und Unterstützer würden nicht den Kandidaten loben, sondern den Kampfgeist Amerikas - natürlich so, dass klar ist, dass Romney eben diesen Geist repräsentiert. Man hätte sich übrigens gar nicht so viel Gedanken machen müssen: Die meisten Besucher der Veranstaltung brachten Spenden mit, was ein wenig aufzeigt, wie groß das Vertrauen Romneys in seine Landsleute wirklich ist.
Und nein, ohne Lebensmittel gab es auch kein Händeschütteln. Nur wer wenigstens eine Konservendose vorweisen konnte, durfte in die Nähe des Kandidaten. Aber keine Sorge: Für diejenigen, die mit leeren Händen erschienen waren, hielten die Mitarbeiter halt ihre Wal-Mart-Einkäufe bereit, die dann wiederum Romney übergeben wurde, der sich auch artig bedankte.
Und Sie haben sich das dann im Fernsehen angesehen und waren sicherlich auch sehr gerührt .
Also ja: Obama machte den Schröder. Aber wenigstens sammelte er nicht seine eigenen Einkäufe vor laufender Kamera ein, die definitiv als Spenden unbrauchbar waren. Und das fasst, methodisch wie auch programmatisch, diesen Wahlkampf hervorragend zusammen.
Danach dann das Wetter.
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