Sagt doch nicht immer Rechtspopulisten zu den Rechtspopulisten!

Der Konservatismus zwischen Selbstmitleid und Beleidigtsein und ganz verloren in einer Welt, die keine Meinungsfreiheit für sie zulässt.
Der Focus-Online-Experte Klaus Kelle schrieb sich diese Woche seinen Frust von der Seele. Er und viele andere Menschen könnten in Deutschland gar kein "kluges Wort" mehr sagen, ohne gleich zum Rechtspopulisten ernannt zu werden. Sein Artikel wuchert nur so von Larmoyanz und will den Leser vermitteln, dass der Konservative ein ganz armes Würstchen ist, weil er moralisch verfolgt wird und überhaupt keine Meinungsfreiheit mehr besitzt.
Sagt doch nicht immer Rechtspopulisten zu den Rechtspopulisten! Es geht mal wieder um die "Political Correctness", die er jetzt im Zuge des Schweizer Votums zur Zuwanderung wieder am Rotieren sieht. Er findet, man dürfe die Initiatoren des Bürgerentscheids nicht als rechtspopulistisch bezeichnen, denn er kann "dieses Wort nicht mehr hören, dessen Gebrauch für alles und jeden, der nicht dem Mainstream folgt" gedacht ist. Das ist natürlich großer Unsinn. Denn Wagenknecht oder Gysi hat bislang noch keiner als Rechtspopulisten bezeichnet. Es kommt schon ein bisschen darauf an, was man so von sich gibt.

Kelle kommt natürlich auch auf Sarrazin zu sprechen. Und es ist wohl kein Zufall, dass in wenigen Wochen eben dieser Sarrazin ein Buch zum exakt selben Thema auf den Markt bringt. Weil die Kanzlerin damals Sarrazins Buch zwar nicht gelesen habe, seine Thesen aber als "nicht hilfreich" abkanzelte, ist der arme Mann nun auch als Rechtspopulist verunglimpft worden, erklärt Kelle besorgt. Das kennen wir ja nun seit Jahren. Alle die Sarrazin kritisieren, haben ihn nicht gelesen oder nicht verstanden und dürfen daher keine Kritik üben. Er ist nämlich gar kein Rechtspopulist, sondern nur ein aufrichtiger Mann, der von den Boshaften absichtlich missverstanden wurde.
Ein kluges Wort und "schon ist man ein Rechtspopulist". Das ist ja lachhaft. Sarrazin mag ein Klugscheißer sein. Aber klug? Und Kelle selbst? Läuft auch er Gefahr, rechspopularisiert zu werden? Möglich, denn er schreibt nämlich auch "besonders kluge Sachen" für eine Plattform, die sich FreieWelt.net nennt. Dort befasst er sich zum Beispiel mit der Relativierung rechter Gewalt durch "linksradikale Gewaltkriminelle", mit Lobesgesängen auf eine Kirche, die man aus Gründen der Spaßgesellschaft schleifen möchte oder mit Edward Snowden, der etwas Verächtliches für ihn getan hat. Den Artikel zu Snowden beginnt er übrigens ganz zynisch so: "Kennen Sie jemanden, der durch die Datenerfassung des amerikanischen Geheimdienstes NSA einen Schaden erlitten hat? Irgendeinen unbescholtenen Bürger, aus ihrer Nachbarschaft ..." Nein? Ergo: Dann hat die NSA gewissenhaft gearbeitet.
Um Kelle geht es hier nicht. Aber ich will trotzdem noch erläutern, was ihm bei Facebook so gefällt. Ein Auszug der Gruppen, die ihm zusagen: Pro Kernkraft, Die DDR war ein Unrechtsstaat, Freundeskreis Bischof Dr. Walter Mixa oder Wir stehen zu unseren Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz. Man sieht, er ist also völlig unverdächtig, jemand von Rechts zu sein. Vor allem diese letzte Gruppe ist interessant für einen Mann, der das Recht auf Waffenbesitz in den Vereinigten Staaten als bloße gesellschaftliche Entwicklungsfrage abtut. Die Demokratie-und-Anti-Kopftuch-Einsätze der Bundeswehr jenseits der westlichen Hemisphäre beantwortet er jedoch völlig gegenteilig mit Solidarität und Zustimmung. Westliche Länder haben ein Recht auf Nicht-Einmischung - andere können im Sturm genommen werden. Als ob der Paschtune nicht dasselbe Recht auf ein Sturmgewehr besitzt, wie ein Kleinstadt-Lehrer aus dem Mittleren Westen.
Was dieser Mann hier abliefert ist ein Paradebeispiel für die typische Weinerlichkeit des rechten politischen Spektrums unserer Tage. Es heult rum, weil es sich in einer notorisch linken Welt völlig unverstanden fühlt. Und in der gibt es nur Political Correctness. Was völliger Irrsinn ist, wenn man mal die Entwicklungen vor allem in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik betrachtet und sich die öffentlichen Themen und Meinungen mal so ansieht. Links ist da wenig bis nichts. Selbst die Political Correctness ist ein konservativer bis neoliberaler Code. Eine gesellschaftliche Konversationsvereinbarung, die sich aus konservativen Ansichten und neoliberalen Theoremen zusammensetzt und die noch einen ordentlichen Schuss Emotionalität enthält, um die notwendige Betroffenheit zu generieren.
Das sieht zugegeben manchmal links aus - ist es aber gar nicht. Wenn im Namen dieser Correctness Märchen in ein Eiapopeia-Deutsch übersetzt werden sollen, in denen Hexen nicht mehr verbrennen dürfen und das Rumpelstilzchen am Ende nicht im Erdboden versinkt, sondern von einem Facharzt für Psychologie aufgrund starker Stalker-Symptome behandelt wird, dann ist das keine linke Angelegenheit, sondern die Ideologie harmonischer Wir-machen-die-Welt-besser-Clowns, die am Abend bei einer Lesung von Sarrazin vollauf begeistert sind und am nächsten Morgen beim Zähneputzen eine Hannes Wader-CD einlegen. Diese Leute sind süchtig nach allseitiger Verträglichkeit. Das hat mit einem linken Weltbild ungefähr noch so viel gemein, wie die bayerischen König Ludwig-Romantiker mit dem modernen Konservatismus in der INSM.
Nee Leute, die Öffentlichkeit ist keine linke Veranstaltung - aber für solche Typen muss sie es sein, damit sie ihr Selbstmitleid auch publizieren können. Das war schon damals so, als Sarrazin in genau dieselbe Kerbe schlug und wimmerte, er könne seine Meinung gar nicht richtig sagen. Dabei saß er in jeder Talkshow und tat genau das. Über Wochen und Monate hinweg. Und danach war er auch noch sauertöpfisch, weil er ja nie eine Chance bekommen habe, seine Thesen richtig zu erläutern. Ja, so sind sie. Immer feste druff auf die Araber und dann sind sie böse, weil nicht alle voller Ehrfurcht aufstehen, um zur rassistischen Brühe zu gratulieren.
"Meinungsfreiheit muss her", beendet Kelle dann auch seinen Text. Nachdem er seine Meinung aufgeschrieben und veröffentlicht hat, versteht sich. Nein, diesen Leuten geht es nicht um ihre freie Meinung. Die sagen sie ja auch ganz offen und bekommen nicht selten entweder Gehör oder sogar Applaus dafür. Mit Meinungsfreiheit meinen diese konservativen Kreise: Erst sagen wir unsere Meinung und dann sollen alle dafür sein und nicht mehr lange fackeln und für die schnelle Umsetzung etwaiger Veränderungen sein. Meinungsfreiheit ist für Leute wie Klemme oder Sarrazin die Freiheit, dass ihre Meinung auch offizielles Programm sein sollte. Dass ihre Meinung aber aufgegriffen und angegriffen werden kann, gehört zum Verständnis dieser Freiheit für sie nicht dazu. Über die Grenzen der Meinungsfreiheit heißt dann auch Sarrazins neues Buch. Man darf nicht gespannt sein. Er wird das skandalöse Wirken der Öffentlichkeit beschreiben, als sie sein Buch Deutschland schafft sich ab nicht als neue Bibel gefeiert hat. Nicht mal mehr richtig Eugenik predigen darf man in diesem Land des Tugendfurors. Der Kelle stimmt nur schon mal auf den neuen Sarrazin ein.
Er ringt in seinem Text nebenher auch noch für die AfD. Das passt gut, denn sie nennt man gerne, wenn es darum geht, dem amerikanischen Tea Party Movement ein deutsches Pendant zu verpassen. Und genau diese selbstmitleidige Weinerlichkeit dominiert diese Bewegung jenseits des Atlantiks ebenfalls. Drüben sind es die Liberalen, die den Konservativen "das Leben unmöglich machen". Auch sie fordern die Freiheit, ihre Meinung kundtun zu dürfen, ohne diskreditiert zu werden. Das machen sie ganz pathetisch, mit Verweis auf die Verfassung - sie sind ja gute Staatsbürger. Dazu gibt es viel Zorn auf die verweichlichten Liberalen, die ihnen am liebsten die Meinung verbieten würden. Aber keiner von denen tut das. Macht nichts, trotzdem verkünden sie großkotzig: Wir lassen uns unsere Meinung nicht verbieten! USA erwache! Das Geheule um die Meinungsfreiheit, die diese Leute angeblich nicht besitzen, hält den globalen Konservatismus zusammen. Was ist aus dieser politischen Richtung nur für eine Bande von Klageweibern geworden.
Und dass viel von dieser ganzen Meinung, die diese Gestalten für sich beanspruchen, nicht mal Meinung ist, sondern die Vorbotin zum Verbrechen, lassen wir heute mal unkommentiert. Ich sende nur noch kurze Grüße an Herrn Henryk B., der Herrn Anders B. aus Norwegen eine schriftliche Erwähnung in seinem Manifest wert war.
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