Rundfunkbeitrag: Ein-Euro-Job reicht nicht

Ist zwar still geworden um den „verhassten Rundfunkbeitrag“: Wohl wegen der meinungsbildenden Macht der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten. Aber es gibt sie doch, die Leute, die sich wehren gegen die „Haushaltsabgabe“ für den „weltweit finanziell am besten gestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunk“.

Rund 7,5 Milliarden Euro jährlich verprassen ARD, ZDF und Deutschlandradio bislang. Und “bis zu einer Milliarde Euro Mehreinnahmen in vier Jahren“ stehen dank des neuen Rundfunkbeitrags noch ins Haus, deutlich mehr als angekündigt. Deshalb soll die „Haushaltsabgabe“ um 1 Euro nachgelassen werden. Wäre dann alles wieder gut?
Wohl kaum: Es gibt viele Anzeichen, dass die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten gründlich überholt werden sollten. Eines ist das wohl unterirdischste Programmangebot aller Zeiten, das ARD und ZDF für das viele Geld abliefern. Ach, die Zuschauer-Quote Scobel (Link)! Ach, das dumme Zuschauervolk! Das in vielen amerikanisch anmutenden Formaten dumm gemacht wird. Hat ja für die derzeitigen Machthaber Vorteile, ein desinformiertes Wahlvolk. Ausdrücklich auszunehmen: Arte, 3Sat, Deutschlandradio.
Ein weiteres Problem ist die fehlende soziale Staffelung des Rundfunkbetrages, von deren Höhe große Bevölkerungsgruppen überproportional hart betroffen sind. Alleinlebende und/oder Bezieher kleiner Einkommen. RentnerInnen. Alleinerziehende Frauen. MigrantInnen. Die berüchtigten „Kleinunternehmer“ mit Migrationshintergrund nicht zu vergessen: Von anderen war in den öffentlichen Medien, nicht nur den öffentlich-rechtlichen, ja bisher nie die Rede. Wenn die Armen in unserem europaweit einzigartigen Niedriglohnsektor in den Medien überhaupt vorkommen, sind sie Objekt der Berichterstattung sind, nicht Subjekt. Bezahlen dürfen sie trotzdem. Und zwar 17,98 Euro im Monat, ob im Haushalt eine Person wohnt oder viele, ob das Haushaltseinkommen hoch ist oder gering. Ermäßigung bekommen – auf Antrag – nur Bezieher „bestimmter staatlicher Sozialleistungen“, Taubblinde und Behinderte mit dem Merkzeichen „RF“.
Das könnten wir gnadenlos finden, lebten wir im Feudalismus. Aber wir leben in einer Demokratie, in der die hohen Herren in den entscheidenden Gremien der Öffentlich-Rechtlichen Sendeanstalten – eigentlich – die Interessen aller zu vertreten und im Interesse aller zu handeln hätten, nicht nur im eigenen: Viel Geld zu scheffeln, sich hohe Gehälter zu genehmigen und den Fortbestand der Institution Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk zu sichern, gerade jetzt, da sie immer entbehrlicher wird, jedenfalls in der gegenwärtigen aufgeblähten Form.
Dass diese Herren so eigenmächtig handeln können, hat viel mit fehlender Kontrolle und insbesondere mit der stark verkrusteten Struktur der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten zu tun. Die alles entscheidenden Rundfunk- und Verwaltungsräte der Sendeanstalten sind fest in der Hand von miteinander verfilzten „Freundeskreisen“. Die „Gremlins“, (Link Fritz Wolf) in die Gremien kommen aus politischen Parteien, Kirchen, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Frauenverbänden und gesellschaftlichen Gruppen, die in grauer Vorzeit mal relevant waren. „Noch immer sitzen in einigen Gremien Vertreter der Vertriebenenverbände, während Organisationen der Zivilgesellschaft von Amnesty International bis zu Human Rights Watch, von Attac bis zu Reporter ohne Grenzen nicht vertreten sind.“ (Fritz Wolf) So gut wie nicht vertreten: Migrantenorganisationen oder Vertreter anderer Religionen außer den christlichen.
Ein unrühmliches Beispiel für Niedergang und Filz ist der Hessische Rundfunk. Allein ein Blick auf die Mitglieder des Rundfunkrats (Link) lehrt einen das Grausen: Lauter eher unattraktive Männer. nur 17% der hessischen Rundfunkrats-Gremlins sind Frauen. (S. 32, Fritz Wolf). Dabei hatte der hr mal eine Intendantin, heute unvorstellbar. Vorsitzender des Rundfunkrats ist ein Vertreter der evangelischen Kirchen. Was wahrscheinlich erklärt, weshalb hr2 an Sonntagen und anderen kirchlichen Feiertagen inzwischen unerträglich nach Kirchenfunk klingt. Dabei war der hr ehemals als Rotfunk berüchtigt. Im Rundfunkrat gibt es natürlich auch einen Vertreter der katholischen Kirche und des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Hessen. Aber keinen Vertreter einer der Muslimenvereine. Wobei heute keiner der Religionen mehr ein Mitspracherecht bei der Programmgestaltung haben sollte, schon gar kein so großes wie die Kirchen immer noch. (Link?)
Gegen den neuen Rundfunkbeitrag, auf den sich die Länder geeinigt haben, gibt es neben sozialen auch juristische Bedenken: Wegen der neuen und ungewöhnlichen Berechnungsbasis (alle Haushalte) gilt diese Zwangsabgabe als eine Steuer, gegen die der Passauer Jurist Ermanno Geuer in Bayern gerade eine Popularklage führt: Für Steuern sind die Länder nicht zuständig.“ Außerdem verletzt der Meldedaten-Abgleich, mit dem die Daten über die Haushalte erhoben werden, das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beitragspflichtigen. Besonders grotesk ist, dass der „Beitragsservice“ der Öffentlich-Rechtlichen mehr Auskunftsrechte als jede andere Behörde hat, mit Ausnahme der Polizei. Dass ein solches Konstrukt überhaupt in die Welt gesetzt werden konnte, lässt auf die Einpreisung willfähriger Gerichte schließen – deren Existenz der Fall Mollath durchaus zu belegen scheint.
Aber hoffen darf man noch: Derzeit sind an die 60 Klagen gegen den Rundfunkbeitrag unterwegs. Besonders bekannt die der Rossmann-Kette, deren Filialen einzeln besteuert werden, für das Unternehmen ein Wettbewerbsnachteil. Außerdem sind wohl auch eine ganze sich zahlungsunwillige Einzelhaushalte im Widerstand. Einen kleinen Überblick über das Handgemenge gibt es hier. Link


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