Rügen: Tod auf Raten?

Rügen: Tod auf Raten?

Saßnitz (PA) Hunderte gaben am gestrigen Dienstag, den 28. April 2020, dem Fährschiff "Sassnitz" das "letzte Geleit". Tausende verfolgten die Ausfahrt über ein Live-Streaming-Video, einige hundert Rüganer säumten die Küstenlinie von Saßnitz, andere auf der geschwungenen Brücke zum Hafen. Sie hatten sogar einen guten Stehplatz für die Sicht auf den letzten Akt eines Dramas gesichert, an dem man nun selbst teilnehmen konnte. Die Stimmung der anwesenden Zuschauer lag zwischen Traurigkeit, Wut und Unverständnis.

Einen Tag später war dieses historische Ereignis des Niedergangs und Bedeutungsverlustes von Saßnitz und der Insel Rügen selbst der größten Tageszeitung an der Ostseeküste nicht mal mehr einen Leitartikel wert. Wer eine Stellungnahme der Ministerpräsidentin Manuela Schwesig oder des Staatssekretärs für Vorpommern Patrick Dahlemann (beide SPD) in der Presse erwartete, der irrte ebenfalls. Allerdings: Die Landesregierung ist derzeit dabei "zu retten, was noch zu retten ist". Schließlich steht auch im Tourismus derzeit vielen Gastronomen und Hoteliers das Wasser buchstäblich "bis zum Hals".

Rügen: Tod auf Raten?


Wer in diesem Jahr von der vorübergehenden Einstellung der Königslinie zwischen Saßnitz und Trelleborg bis 31. Mai 2020 dürfte dabei zunächst noch daran geglaubt haben, dass es danach vielleicht wieder weiter gehen würde. Doch diese Hoffnung wurde mit der Ankündigung durch den Betreiber "Stena Line" dann Anfang April 2020 enttäuscht: Die Königslinie ("Kungslinjen") endet - nach fast 123 Jahren - am 28. April 2020 mit dem Abzug des Fährschiffes "Sassnitz" - für immer. Kommentar der Stadt Saßnitz:


"Liebe Sassnitzer*innen, wenn Ihr Blick auf der Ostsee und dem auslaufenden Fährschiff Sassnitz verweilt, lassen Sie uns gemeinsam positiv nach Vorn schauen. Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich immer eine neue!"


Rückblick: Die Reederei Stena Line, betreibt neben der ehemaligen Linie Sassnitz-Trelleborg auch die Fährverbindung Rostock-Trelleborg. Stena Line steht dabei in Konkurrenz zur TT-Line, die die Fährverbindungen Travemünde-Trelleborg und Swinemünde-Trelleborg bedient.


Die Verbindung Rostock-Trelleborg wurde zunächst im August 1990 mit der Fähre "Saga Skåne" eröffnet und im April 1991 aus wirtschaftlichen Gründen (!) wieder eingestellt. Erst mit dem Neubau eines neuen Fährterminals waren ab 1994 auch das Betreiben einer Eisenbahnfährlinie möglich. 2012 kaufte das Unternehmen Stena Line die Frachtrouten von dem Unternehmen Scandlines (u.a. die Königsline - schwedisch "Kungslinjen"). Seither verabschiedeten sich die neuen Betreiber Stück für Stück von der Königslinie, die seit dem 1. Mai 1897 Saßnitz mit Südschweden verbindet. Im April 2014 gab man so beispielsweise bekannt, dass keine Eisenbahnwaggons mehr von Sassnitz nach Skandinavien verschifft würden.

Rügen: Tod auf Raten?


Der Eisenbahnverkehr, so Stena Lines damals, werde Mitte ab Juni 2014 nach Rostock verlagert. Ursache für die Verlagerung seien die sinkenden Frachtzahlen auf der Fährstrecke Sassnitz-Trelleborg. 2012 hätte man noch 31.000 Waggons auf der Strecke verschifft, 2013 wären es nur noch 20.000 gewesen. Nun, so die Reederei damals, wolle man in Sassnitz stärker auf den Passagierverkehr setzen und das touristische Angebot ausbauen. Immerhin würde man nun täglich drei Überfahrten nach Schweden bieten. Nachdem an dieser Stelle am 11. Dezember 2018 in dem Beitrag "Sassnitz-Trelleborg: Kein Schiff wird kommen" bereits auf das drohende Ende der Fährschifflinie aufmerksam gemacht wurde (der sich auch mit dem zeitweisen Abzug verdeutlichte), sah sich "Stena Line" sogar zu einer Stellungnahme veranlasst. Bereits am darauffolgenden Donnerstag, den 13. Dezember 2018, erklärte das Unternehmen sich zur Zukunft der Linie. Auf die Frage, welche Zukunftsperspektive "Stena Line" der Fährlinie Sassnitz-Trelleborg noch einräumt, erklärte man:


"Stena Line ist mit der Auslastung der Route Sassnitz-Trelleborg zufrieden, die insbesondere von schwedischen Gästen genutzt wird. Im Jahr 2018 konnte Stena Line 300.000 Gäste an Bord begrüßen, eine leichte Steigerung zum Vorjahr."


Auf die Frage, ob es Unterstützung aus Politik oder Wirtschaft gäbe, um den Transit zu fördern und damit zum Erhalt der Linie beizutragen, gab es jedoch bereits damals eine ausweichende Antwort.


In einem Gespräch mit einem Vertreter der Stena Line, das am 12. Januar 2020 (!) geführt wurde, zählte die Linie zwischen Sassnitz und Mukran auch zu diesem Zeitpunkt noch etwa 300.000 Passagiere jährlich, womit sich das Fahrgastaufkommen also nicht geändert hatte. Allerdings wurde zu diesem Zeitpunkt bereits von einem weiteren Anstieg der Passagierzahlen auf der Strecke Rostock-Trelleborg im Jahre 2019 gesprochen. Dieser belief sich demnach auf 12 % gegenüber dem Vorjahr, was insgesamt etwa einem Passagieraufkommen von 440.000 Reisenden entsprach. Mit den schwedischen Reisenden, die auf der Fährlinie Saßnitz-Trelleborg 70 bis 75% aller Reisenden ausmachten, könnte man (wenn diese zukünftig über Rostock reisen) die Fährverbindung Rostock-Trelleborg auch dauerhaft als gesichert ansehen.

Rügen: Tod auf Raten?


Für den pommerschen Landesteil und die Insel Rügen ein noch nicht meßbarer Verlust. Allerdings dürfte dieser drastisch sein: Denn schon heute beziffern örtliche Anbieter des Gastgewerbes die dadurch bedingten Umsatzausfälle nach dem Ende der Königslinie zwischen Saßnitz und Trelleborg. Und auch Supermärkte dürften, bedingt durch die von Schweden eingekauften Produkte, klare Aussagen zu den Umsatzverlusten machen können. Der Schaden geht in die Millionen. In der Folgewirkung wird dies auch bei den Erwerbslosenzahlen und Steueraufkommen ablesbar sein. Die Politiker auf Landesebene - genauer Ministerpräsidentin Schwesig und der Staatssektretär für Vorpommern - Patrick Dahlemann (beide SPD), Kreisebene - Landrat Dr. Stefan Kerth (SPD) -und kommunaler Ebene - Bürgermeister Frank Kracht - werden sich die Frage gefallen lassen müssen, die in den letzten Tagen bereits auf der Insel zu hören ist: Was wurde von der Politik seit 2018 aktiv unternommen, um der sich bereits damals deutlich abzeichnenden Entwicklung entgegenzuwirken?


Nach der Einstellung der Fährverbindung ins Baltikum (2016) und nach Skandinavien (2020) hat Saßnitz und die Insel Rügen massiv an wirtschaftliche Bedeutung verloren. Zu Recht fragt man sich, welche Rolle nun noch die verkehrstechnische Anbindung des Hafens über die Rügenbrücke und die Bundestraße B 96n (die als Projekt über Jahrzehnte gestreckt wurde und bis heute nicht abgeschlossen ist) spielen soll?


Gab es Gespräche zwischen Politik und Stena Line? Wenn man den Aussagen von Stena Line folgt: Ja. Denn alleine im Rostock soll die Infrastruktur weiter ausgebaut werden: Um längere Güterzüge anlanden zu können, soll die Gleislänge des Trimodal-Terminals jetzt von 600 Metern auf 740 Meter ausgebaut werden. Und übrigens: Nicht nur der Güterverkehr sondern auch der Personenverkehr zwischen Malmö und Berlin sowie zwischen Stockholm und Berlin soll weiter steigen.

Die kürzeste Verbindung zwischen Deutschland und Skandinavien spielt dafür allerdings keine Rolle mehr. Längst spricht man auf der Insel Rügen nach dem Ende des Tourismus und der Fährverbindung vom "Tod auf Raten", bei den finanziellen Transfers an Unternehmen und Beschäftigte von "Sterbehilfe". Und eine Frage wird dabei in den tagtäglichen Gespräch immer lauter:

"Welchen Anteil hat daran die Politik?"

Rügen: Tod auf Raten?


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