Umlaufverfahren: Ein Fall für den Verfassungsschutz?

Saßnitz (PA). In Saßnitz hat man Beschlüsse mit einem sogenannten Umlaufverfahren gefaßt. Bei diesem entscheiden die Stadt- und Gemeindevertreter über kommunale Themen ausschließlich via Briefpost, Fax oder e-Mail. In Saßnitz wurde das Verfahren per Mail praktiziert.

Nun mehren sich jedoch die Hinweise, dass die sogenannten Umlaufverfahren (in Saßnitz: "Befreiung vom Sitzungszwang"!) rechtlich hätte gar nicht durchgeführt werden dürfen - worauf auch Saßnitzer Stadtvertreter mehrfach den Bürgermeister Frank Kracht und den Stadtpräsidenten Norbert Benedict (SPD) hingewiesen haben. Eine gewisse Brisanz ergibt sich nun vor allem, weil die durchgeführten Verfahren unter Umständen sogar als verfassungsfeindlich eingestuft werden könnten.

Das Umlaufverfahren selbst wurde vom Städte- und Gemeindetag M-V (!) beim Innenministerium beantragt. In dem Antrag heißt es dazu u.a.:

"...dass Beschlüsse nicht nur von den anwesenden Mitgliedern der Gemeindevertretung in öffentlicher Sitzung gefasst werden können, sondern in einem Umlaufverfahren aller Mitglieder schriftlich oder per Mail. Dabei wird den Mitgliedern der Gremien vor der Sachentscheidung die Frage vorgelegt, ob sie mit dem schriftlichen Umlaufverfahren einverstanden sind. Wenn kein Mitglied widerspricht, wäre das Verfahren zulässig und die anschließende Abstimmung in der Sache auf Grund der Beschlussvorlagen der Verwaltung gültig."

In Saßnitz gab es jedoch mehr als eine Gegenstimme zum von der Stadt Saßnitz angestrebten Verfahren, womit das Umlaufverfahren eigentlich abgewendet worden wäre. Auch in Unternehmen und Verbänden, wo dieses Verfahren bisher Anwendung fand, ist die Durchführung nur möglich, wenn niemand widerspricht. Schwer fallen dürfte es nun auch zu erklären, wie von Seiten der Stadt Saßnitz der Erhalt der Unterlagen und Mißverständnisse zur Abstimmung über das Umlaufverfahren bei den Stadtvertretern sichergestellt wurden. Weiterhin unklar ist, warum 25% der Stimmberechtigten hätten dagegen stimmen müssen (So fragen sich Stadtvertreter bis heute, auf welcher Rechtsgrundlage diese Bedingung fußen soll?)

Zudem ist das Standarterprobungsgesetz, nach dem die Beantragung von Umlaufbeschlüssen durch den Städte- und Gemeindetag M-V erfolgte, keine Ermächtigung dafür, die freiheitlich demokratische Ordnung auszuhebeln - denn: auch Umlaufbeschlüsse dürfen dem Bundesrecht, dem Recht der Europäischen Gemeinschaft oder Dritter nicht entgegenstehen. Neben der Aushebelung der Kommunalverfassung wird derzeit aber auch das Landespresserecht eingeschränkt. (wir berichteten) Dies übrigens in Bezug auf das Informationsrecht der Presse.

Zudem wurde auch - wie eine Schweriner Aktionsgruppe für Kommunalpolitik feststellte - (anders als im Kommunalen Standarterprobungsgesetz vorgesehen) das Umlaufverfahren nicht im Amtsblatt des Landes Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht (Stand: 21. April 2020), wie es lt. dem Gesetz vorgeschrieben ist.

Fraglich ist außerdem, ob eine Notlage zu dem Zeitpunkt der Durchführung von Umlaufbeschlüssen überhaupt gegeben war oder sie das noch ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in einer benachbarten Gemeinde (Binz) die Gemeindevertretung und Ausschüsse tagen, weil es seit Wochen keine Corona-positiv-Meldungen auf der Insel Rügen gibt.

Fragwürdig dürfte für viele Stadtvertreter, die im Vertrauen auf die Richtigkeit einer solchen Umsetzung handelten, sein, warum der Bürgermeister zu dem Beschlussvorschlag nicht in Widerspruch gegangen ist, obgleich ihm die Rahmenbedingungen dafür bekannt gewesen sein dürften und damit Beschlüsse (wie der laufende Haushalt des Jahres 2020 / 2021 der Stadt Saßnitz), die durch das sogenannte Umlaufverfahren zu Stande kamen, nun zwingend unwirksam sein könnten.

Ob die Saßnitzer Stadtvertretung als Kontrollorgan der Verwaltung einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der ungewöhnlichen Vorgänge einrichtet, ist derzeit noch unbekannt.


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