Obzwar sich die Meinungsmacher einig sind, dass die Veröffentlichung der WikiLeaks-Akten eigentlich kaum etwas Neues oder Aufsehenerregendes geboten hat, außer vielleicht die randständige Entdeckung, dass die Situation in Afghanistan zerfahrener, ja auch viel schmutziger ist, als das die Berichte von auf Hochglanz polierten Fronten vorgaben - obgleich also im Osten nichts Neues, so mehren sich doch Klänge, wonach die Veröffentlichung der Akten ein Schlag gegen die eigenen Soldaten sei, weil die Taliban nun mitlesen könnten. Was da über unseren Köpfen schwebt ist weniger das Damoklesschwert mitlesender, bisher aber meist als analphabetisch umschriebener Fundamentalisten, als eine kürzere Stichwaffe, als ein Dolch nämlich - als die Dolchstoßlegende nämlicher. Nicht dass die Herausgabe der Akten über Sieg oder Niederlage entschieden hätte - um zu gewinnen ist man ja durchaus nicht nach Afghanistan marschiert, und um zu verlieren schon überhaupt gar nicht! Auf in den Kampf!, riefen sie nur aus einem Grunde: um Witwen zu trösten und Brunnen zu entgiften - um humanitär tätig zu werden. Die Dolchstößler meucheln damit nicht den militärischen Sieg, sie fallen den Witwentröstern und Brunnenentgiftern in die ungeschützte Flanke, sie lynchen folglich Witwen und Wassertrinker rücklings.
Und wieder waren es Demokraten! Menschen, die einen irgendwie krankhaften Hang zu demokratischen Strukturen aufweisen, die Transparenz bevorzugen, eine offene Gesellschaft befürworten. Andere Demokraten als damals, als der Dolchstoß bereits in aller Munde war, natürlich - jedenfalls stellt man sie anders dar. Seinerzeit waren es ja angeblich mit Stilett gerüstete Juden, die ihren jüdischen Unfug an die von Natur aus eher devoten, autoritätshörigen Deutschen austeilten; diese Demokratie nämlich, dieser unerhöhrte Quatsch aus jüdischen Köpfen. Und prompt als die Militärs abtraten, Hindenburg und Ludendorff ihre Sitzpolster aufgaben, solcherlei Demokraten - man beachte die angeekelte Miene beim Aussprechen dieses frevlerischen Wortes! - an die Machthebel gestellt waren, da gaben auch die Soldaten ihre Sitzpolster in Gräben und auf Stellungen auf, so wie der Quartiermeister und sein greiser Heros zuvor. Ungeschlagen im Felde ging es heimwärts, den endgültigen Sieg, dieser zum Greifen nahe, musste man zurücklassen. Tief wurde der Dolch von diesen Judenbengeln in deutsche Soldatennacken gerammt - den verschlagenen, hinterfotzigen Blick solcher Messerschwinger durfte man noch Jahre danach auf Plakaten betrachten, damit dem vergesslichen Volksgenossen nicht abhanden kam, wer für seine Misere verantwortlich war. Kurzum, Freunden jüdischer Ideen, demokratischer Ideen wurde die Schuld überschrieben. Verfluchte Demokraten! Immer stecken sie dahinter, wenn eine militärische Operation schiefgeht. Verwunsches Pack!
Niemand hätte heute die Absicht, die Demokratie den Juden in die Schuhe zu schieben - aus mindestens zwei Gründen. Einmal, weil nach der Erfahrung von Auschwitz eine solche idiotische Aussage politisch inkorrekt, ja ein politischer Suizid wäre - aber auch, und das viel wesentlicher, weil Demokratie sich blendend als gut geschmiertes Instrument herrschender Interessen erwiesen hat. Nützliches Besteck pflegt man, man wirft es nicht achtlos in die Ecke! Heute sind es übertrieben fundamentalistische Demokraten, freiheitsliebende Menschen, die in einem Ausmaß an diesem hohlen Ideal, an Freiheit kleben, dass es schon wieder störend ist - nicht Juden sind es, sondern Aktivisten: Leute überdies, die einen Rechner und speziell das Internet zu mehr als zum Musik hören, zum Chatten oder zum Wichsen gebrauchen. Der Dolch hat die Physiognomie eines Rechners angenommen, der Griff nennt sich Tastatur; und der biedere Demokrat von annodazumal ist passé, sein Urenkel trägt keinen Stehkragen mehr, er knöpft sein Hemd wahrscheinlich noch nicht mal zu - aber ein argloser Lump, ein hinterlistiges Mistvieh ist er doch. Würde er nur surfen, um seine eigenen unerheblichen Bedürfnisse zu stillen oder zu befrieden - aber doch nicht das öffentliche Bedürfnis! Die Öffentlichkeit hat doch überhaupt keine Bedürfnisse! Da wird demokratisches Verständnis schnell gefährlich. Leute zieht euch Pornos, aber laßt die Finger vom freien Meinungsaustausch; nestelt unter eurer Gürtellinie herum, legt uns aber keine politischen Blogs in Nest; chattet über schönes Wetter, sorgt euch jedoch nicht um das eisige Klima innerhalb unserer Gesellschaft!
Dolchstöße konnten sich die Vorväter des heutigen Deutschlands schon nicht gefallen lassen - Demokratie war dann auch irgendwann konsequenterweise verboten. Sie sei ohnehin nie des Deutschen Lebensstil gewesen, hieß es damals. Wer weiß, vielleicht ist es schon bald nicht mehr des Deutschen Stil, das Internet zu mehr als zu trivialen Zeitvertreib zu verwenden - die freien Gesellschaften dieser Erde pflegen diese Erkenntnis eh schon betriebsam - wobei betriebsam eher betriebsarm lauten müsste, übersetzt ausgedrückt: sie stellen den Betrieb ein. Reißt den vaterlandslosen Gesellen schnell den Dolch aus der Klaue, rufen sie dann freilich sicher nicht. Mittlerweile geht es weniger dramatisch zu in diesem Lande, das feierliche, leicht hysterische Pathos liegt ganz weit unten in der Mottenkiste. Das funktioniert heute anders, wurde leicht modifiziert, dem Zeitgeist angepasst: ein kleiner öffentlicher Exkurs via Print und Broadcast, dann eine Kommission auserlesener Experten, hernach noch ein Quentchen sachlicher, leicht wissenschaftlich dünkender Berichterstattung mitsamt politischen Talk bei Plasmann und Beckberg, zur Krönung nochmals nachgefragt bei Willberger und Maisch - und die Überwachung politisch aktiverer Internetnutzer ist verabschiedet, inklusive der Sonderbefugnis nach Absatz Y, Punkt drei in Klammer, zweiter Absatz des brandneuen Beschlusses, wonach besonders frech mit dem Dolch herumsäbelnden, fechtenden, spiegelfechtenden Elaboraten, ohne lange Umschweife ebenso ein tödlicher Dolchstoß versetzt werden dürfe - dies geschieht natürlich nur in Ausnahmefällen, blieben immer rare Einzelfälle; für den biederen Bürger, der das Internet lediglich nutzt, um Kochrezepte oder Seitensprünge zu organisieren, wird das überhaupt nicht augenfällig werden. Repressalien nicht vor Augen geführt bekommen: so schreibt sich Demokratie!
Vorsorge treffen, könnte die Devise lauten. Die ganzen Nestbeschmutzer, die vorgeben im Namen der Wahrheit und der Demokratie ihren bescheidenen Dienst zu tun, gehören schon vorab, bevor uns etwas Schlimmeres widerfährt, an die Kandare gelegt. Denn sie fördern nicht Demokratie, sie befinden sich auf einem gefährlichen, staatsfeindlichen Egotrip - demokratisch sein, so könnte es dann als offiziöses Credo lauten, bedeutet immer auch, sich selbst zurückzunehmen, nicht zu demokratisch zu denken, damit die Demokratie nicht durch ihrer selbst erdrückt wird, damit sie auch gedeihen kann. Nur eine in Frieden gelassene, in sich ruhende, unbenutzte Demokratie, sei auch eine gesunde Demokratie - und die Heere der Fundamentalisten aus dem Internet, diese Tastaturtaliban zersetzen nicht nur die Wehrkraft, sie geben den afghanischen Talibankollegen überdies auch noch Lesestoff, damit diese dann aus erster Hand erfahren, wie das mit dem Krieg vor ihrer Haustür so läuft - denn wenn sie lesen, dass es Sondermordkommandos gibt, dass Zivilisten abgeschlachtet werden, dann werden sie die Toten, die ringsumher liegen, auch durch Akten verifiziert sehen und endlich wissen, dass es der Krieg ist, der sie da ereilt hat. Ohne WikiLeaks tappten sie vermutlich immer noch im Dunkeln - ohne WikiLeaks würden sie sich wohl immer noch fragen, warum dieser vom Westen gebrachte Frieden mit Leichen gepflastert ist.
Und wieder waren es Demokraten! Menschen, die einen irgendwie krankhaften Hang zu demokratischen Strukturen aufweisen, die Transparenz bevorzugen, eine offene Gesellschaft befürworten. Andere Demokraten als damals, als der Dolchstoß bereits in aller Munde war, natürlich - jedenfalls stellt man sie anders dar. Seinerzeit waren es ja angeblich mit Stilett gerüstete Juden, die ihren jüdischen Unfug an die von Natur aus eher devoten, autoritätshörigen Deutschen austeilten; diese Demokratie nämlich, dieser unerhöhrte Quatsch aus jüdischen Köpfen. Und prompt als die Militärs abtraten, Hindenburg und Ludendorff ihre Sitzpolster aufgaben, solcherlei Demokraten - man beachte die angeekelte Miene beim Aussprechen dieses frevlerischen Wortes! - an die Machthebel gestellt waren, da gaben auch die Soldaten ihre Sitzpolster in Gräben und auf Stellungen auf, so wie der Quartiermeister und sein greiser Heros zuvor. Ungeschlagen im Felde ging es heimwärts, den endgültigen Sieg, dieser zum Greifen nahe, musste man zurücklassen. Tief wurde der Dolch von diesen Judenbengeln in deutsche Soldatennacken gerammt - den verschlagenen, hinterfotzigen Blick solcher Messerschwinger durfte man noch Jahre danach auf Plakaten betrachten, damit dem vergesslichen Volksgenossen nicht abhanden kam, wer für seine Misere verantwortlich war. Kurzum, Freunden jüdischer Ideen, demokratischer Ideen wurde die Schuld überschrieben. Verfluchte Demokraten! Immer stecken sie dahinter, wenn eine militärische Operation schiefgeht. Verwunsches Pack!
Niemand hätte heute die Absicht, die Demokratie den Juden in die Schuhe zu schieben - aus mindestens zwei Gründen. Einmal, weil nach der Erfahrung von Auschwitz eine solche idiotische Aussage politisch inkorrekt, ja ein politischer Suizid wäre - aber auch, und das viel wesentlicher, weil Demokratie sich blendend als gut geschmiertes Instrument herrschender Interessen erwiesen hat. Nützliches Besteck pflegt man, man wirft es nicht achtlos in die Ecke! Heute sind es übertrieben fundamentalistische Demokraten, freiheitsliebende Menschen, die in einem Ausmaß an diesem hohlen Ideal, an Freiheit kleben, dass es schon wieder störend ist - nicht Juden sind es, sondern Aktivisten: Leute überdies, die einen Rechner und speziell das Internet zu mehr als zum Musik hören, zum Chatten oder zum Wichsen gebrauchen. Der Dolch hat die Physiognomie eines Rechners angenommen, der Griff nennt sich Tastatur; und der biedere Demokrat von annodazumal ist passé, sein Urenkel trägt keinen Stehkragen mehr, er knöpft sein Hemd wahrscheinlich noch nicht mal zu - aber ein argloser Lump, ein hinterlistiges Mistvieh ist er doch. Würde er nur surfen, um seine eigenen unerheblichen Bedürfnisse zu stillen oder zu befrieden - aber doch nicht das öffentliche Bedürfnis! Die Öffentlichkeit hat doch überhaupt keine Bedürfnisse! Da wird demokratisches Verständnis schnell gefährlich. Leute zieht euch Pornos, aber laßt die Finger vom freien Meinungsaustausch; nestelt unter eurer Gürtellinie herum, legt uns aber keine politischen Blogs in Nest; chattet über schönes Wetter, sorgt euch jedoch nicht um das eisige Klima innerhalb unserer Gesellschaft!
Dolchstöße konnten sich die Vorväter des heutigen Deutschlands schon nicht gefallen lassen - Demokratie war dann auch irgendwann konsequenterweise verboten. Sie sei ohnehin nie des Deutschen Lebensstil gewesen, hieß es damals. Wer weiß, vielleicht ist es schon bald nicht mehr des Deutschen Stil, das Internet zu mehr als zu trivialen Zeitvertreib zu verwenden - die freien Gesellschaften dieser Erde pflegen diese Erkenntnis eh schon betriebsam - wobei betriebsam eher betriebsarm lauten müsste, übersetzt ausgedrückt: sie stellen den Betrieb ein. Reißt den vaterlandslosen Gesellen schnell den Dolch aus der Klaue, rufen sie dann freilich sicher nicht. Mittlerweile geht es weniger dramatisch zu in diesem Lande, das feierliche, leicht hysterische Pathos liegt ganz weit unten in der Mottenkiste. Das funktioniert heute anders, wurde leicht modifiziert, dem Zeitgeist angepasst: ein kleiner öffentlicher Exkurs via Print und Broadcast, dann eine Kommission auserlesener Experten, hernach noch ein Quentchen sachlicher, leicht wissenschaftlich dünkender Berichterstattung mitsamt politischen Talk bei Plasmann und Beckberg, zur Krönung nochmals nachgefragt bei Willberger und Maisch - und die Überwachung politisch aktiverer Internetnutzer ist verabschiedet, inklusive der Sonderbefugnis nach Absatz Y, Punkt drei in Klammer, zweiter Absatz des brandneuen Beschlusses, wonach besonders frech mit dem Dolch herumsäbelnden, fechtenden, spiegelfechtenden Elaboraten, ohne lange Umschweife ebenso ein tödlicher Dolchstoß versetzt werden dürfe - dies geschieht natürlich nur in Ausnahmefällen, blieben immer rare Einzelfälle; für den biederen Bürger, der das Internet lediglich nutzt, um Kochrezepte oder Seitensprünge zu organisieren, wird das überhaupt nicht augenfällig werden. Repressalien nicht vor Augen geführt bekommen: so schreibt sich Demokratie!
Vorsorge treffen, könnte die Devise lauten. Die ganzen Nestbeschmutzer, die vorgeben im Namen der Wahrheit und der Demokratie ihren bescheidenen Dienst zu tun, gehören schon vorab, bevor uns etwas Schlimmeres widerfährt, an die Kandare gelegt. Denn sie fördern nicht Demokratie, sie befinden sich auf einem gefährlichen, staatsfeindlichen Egotrip - demokratisch sein, so könnte es dann als offiziöses Credo lauten, bedeutet immer auch, sich selbst zurückzunehmen, nicht zu demokratisch zu denken, damit die Demokratie nicht durch ihrer selbst erdrückt wird, damit sie auch gedeihen kann. Nur eine in Frieden gelassene, in sich ruhende, unbenutzte Demokratie, sei auch eine gesunde Demokratie - und die Heere der Fundamentalisten aus dem Internet, diese Tastaturtaliban zersetzen nicht nur die Wehrkraft, sie geben den afghanischen Talibankollegen überdies auch noch Lesestoff, damit diese dann aus erster Hand erfahren, wie das mit dem Krieg vor ihrer Haustür so läuft - denn wenn sie lesen, dass es Sondermordkommandos gibt, dass Zivilisten abgeschlachtet werden, dann werden sie die Toten, die ringsumher liegen, auch durch Akten verifiziert sehen und endlich wissen, dass es der Krieg ist, der sie da ereilt hat. Ohne WikiLeaks tappten sie vermutlich immer noch im Dunkeln - ohne WikiLeaks würden sie sich wohl immer noch fragen, warum dieser vom Westen gebrachte Frieden mit Leichen gepflastert ist.