Richard Schwartz – Die Rose von Illian

Richard Schwartz - Die Rose von Illian

Richard Schwartz – Die Rose von Illian

Wusstet ihr, dass ich eine Zeit lang ziemlich sauer auf Richard Schwartz war? Ich war wütend, weil ich nicht wusste, dass auf seinen Zyklus „Das Geheimnis von Askir" noch ein weiterer Zyklus namens „Die Götterkriege" folgen würde. Ich bin mit vollem Tempo in den Cliffhanger am Ende des sechsten Bandes „Der Kronrat" reingerasselt und musste anschließend auf den neuen Zyklus warten. Ich habe mich geärgert, fühlte mich veralbert und schmollte. Jahrelang. Erst vor etwa zwei Jahren habe ich mich wieder eingekriegt und begann, „Die Götterkriege" zu kaufen. Es dauere, bis ich alle sechs Bände im Regal stehen hatte. Im März 2016 war es soweit, sodass ich mir endlich den Auftakt „Die Rose von Illian" vornehmen konnte.

Nach Jahrhunderten der Führungslosigkeit ist der Thron Askirs wieder besetzt. Desina, Eule und Enkelin des ewigen Herrschers, forderte ihr Geburtsrecht ein und darf sich nun Kaiserin von Askir nennen. Ihr stehen unsichere, gefährliche Zeiten bevor. Noch immer befindet sich das Königreich Illian in Not. Truppen des Imperiums von Thalak unter der Herrschaft des Nekromantenkaisers besetzen das Reich und weben dunkle, beängstigende Magie. Seine Schergen waren es, die einen feigen Angriff auf Havald führten und sein Bannschwert Seelenreißer stahlen. Jetzt liegt der Mann, der nicht sterben kann, in einem ungewissen Zustand zwischen Leben und Tod. Er muss mit seinem Schwert wiedervereint werden, um aus seinem ewigen Schlaf zu erwachen. Der Maestra und neuen Königin Illians, Leandra de Girancourt, fällt die Aufgabe zu, mit ihren Freunden nach Illian zu reisen, um Havalds Schwert zurückzuerobern und ihr Königreich von den thalakischen Truppen zu befreien. Können sie der Blutmagie des Nekromantenkaisers Einhalt gebieten?

Vermutlich hätte ich vor der Lektüre von „Die Rose von Illian" den ersten Zyklus „Das Geheimnis von Askir" noch einmal rekapitulieren sollen. Zwar bietet dieser neue Reihenauftakt zu Beginn eine knappe Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse, doch mir hat diese nur bedingt geholfen, mich zu erinnern. Der Rückblick ist eben sehr kurz, fokussiert die übergeordnete Handlungslinie und lässt die meisten inhaltlichen Details aus. Dadurch habe ich mich anfangs etwas unsicher gefühlt, besonders in Bezug auf die auftretenden Figuren. Obwohl ich alte Bekannte prompt wiedererkannte, hatte ich deutliche Schwierigkeiten, mir ihre Biografien ins Gedächtnis zu rufen. Mit Fortschreiten der Handlung wurde es glücklicherweise besser; Stück für Stück kamen die wichtigsten Erinnerungen zurück. Dementsprechend brauchte ich ein Weilchen, bis ich wirklich in „Die Rose von Illian" angekommen war und mich wieder zurechtfand, denn Schwartz lässt keinen inhaltlichen Bruch erkennen und führt die Handlung nahtlos weiter. Ich fand die Entwicklungen logisch, aber etwas verwirrend. Leandra macht sich in Begleitung ihrer Freunde und einer Lanze auf den Weg nach Illian, um dort drei verschiedene Missionen zu erfüllen: sie möchte ihren Thron besteigen, den magischen Weltenstrom umleiten, um den thalakischen Truppen einen empfindlichen Schlag zuzufügen und darüber hinaus Havalds Bannschwert an sich bringen. Problematisch wurde es dadurch, dass einzelne Mitglieder der Gruppe um Leandra diesen drei Zielen verschiedene Prioritäten beimaßen. Die Lanze unter Major Blix soll sich um den Weltenstrom kümmern; Havalds Schwert soll von einem Priester des Soltar namens Gerlon geborgen werden und Illians Thron kann natürlich nur von Leandra selbst in Besitz genommen werden. Sie arbeiten alle zusammen, um bestenfalls alle Punkte zu meistern. Die daraus entstehende Vermischung empfand ich als etwas unübersichtlich. Ich musste hin und wieder innehalten, um noch einmal aufzudröseln, wer jetzt eigentlich was anstrebt.
Die Charaktere selbst sind hingegen äußerst gradlinig gestaltet. Schwartz unterteilt unmissverständlich in Gut und Böse; es gibt nur wenige Nebenfiguren, die etwas ambivalenter sind. Häufige Perspektivwechsel treiben die Handlung voran und bieten zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten. Mir gefielen die Kapitel aus Wiesels Sicht am besten, weil seine Erlebnisse meiner Ansicht nach am stärksten auf die namensgebenden Götterkriege hinweisen. Im ersten Band verrät Schwartz selbstverständlich noch nichts Konkretes, doch die bisherigen Andeutungen versprechen eine spannende Reihe.
Übrigens hatte ich auch vergessen, dass Richard Schwartz zu einer etwas gestelzten Ausdrucksweise neigt, die aus einem vergangenen Jahrhundert zu stammen scheint. Vulgäre Kraftausdrücke sucht man bei ihm vergeblich. Er hat sie nicht nötig. Seine Geschichte vermittelt vieles, aber Aggressivität gehört nicht dazu. Trotz einiger Kämpfe samt Blutvergießen schwelgt er nie in Brutalität, wodurch ich mich als Leserin auch niemals unwohl, angespannt oder abgestoßen fühlte. Er erzählt eine aufregende Geschichte, die genau das richtige, realistische Maß zwischen Gewalt und Friedfertigkeit pflegt.

„Die Rose von Illian" ist klassische, traditionelle High Fantasy. Der Reiz dieses Buches liegt meiner Meinung nach darin, dass es keinerlei Experimentierfreudigkeit verlangt. Richard Schwartz verarbeitet darin charakteristische Merkmale des Genres und hält sich an Altbewährtes, um seinen Leser_innen ein paar schöne Stunden zu bescheren. Wer Fantasy der alten Schule liebt, kann damit gar nicht falsch liegen. Allerdings ist es unbedingt erforderlich, vorher den ersten Zyklus „Das Geheimnis von Askir" gelesen zu haben. Schwartz setzt umfangreiches Vorwissen voraus, ohne das „Die Rose von Illian" nicht zu verstehen ist. Streng genommen handelt es sich dabei ja eigentlich nicht um einen Auftakt, sondern um den siebten Band einer Reihe. Quereinsteigen ist deshalb keine Option und sollte meiner Ansicht nach auch nicht euer Bestreben sein. Ihr würdet viel zu viel Magisches, Wundervolles und Fantastisches verpassen.


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