Rezension: Zuckerleben (Pyotr Magnus Nedov)

Rezension: Zuckerleben (Pyotr Magnus Nedov)

Inhalt

Ein junges Liebespaar will Selbstmord in Italien begehen. Doch da kommt der junge Moldawier Tolyan Andreewitsch vorbeigefahren und bringt den Plan durcheinander. Das ungewöhnliche Trio schweißt sich zusammen und landet in einer Pension, in der — was für ein Zufall — tatsächlich ein Selbstmord geschah und die Besitzerin nun an der “Beseitigung” der Leiche interessiert ist.

Dieser Rahmen liefert den Aufhänger für die nachfolgende Geschichte, die Lebensgeschichte Andreewitschs, die er dem jungen, lebensmüden Paar nun erzählt.

Wir springen zurück ins Jahr 1991: Das Riesenreich Sowjetunion zerbricht und auch in der kleinen Republik Moldawien geht es drunter und drüber, denn in der Stadt Donduseni braut sich ein Schnaps-Komplott zusammen. 40 Tonnen Zucker, die nach dem Ableben des Fabrikdirektors niemandem mehr gehören, sollen zu hartem Fusel verarbeitet werden. Weißes Gold also — doch die Männer haben die Rechnung ohne das Schicksal gemacht.

Verrückt, verrückter, Zuckerleben

Mit seinem Sprung durch Zeit und Raum möchte Nedov die Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart spielend überbrücken. Zuckerleben ist ein chaotisch anmutender Trip, oder ein absurder Alptraum, wie es Mareike Fallwickl in ihrer Rezension formuliert. Und absurd ist hier das richtige Stichwort: Nedov möchte uns am sprichwörtlichen Ring an der Nase schleifen und verliert manchmal die Richtung aus den Augen.

Es gibt Augenblicke in Zuckerleben, in denen man das Buch genervt zuklappen und beiseite legen will. Und auch die Brutalität, mit der das Ganze daherkommt, ist keine organische, sondern eine vom Schriftsteller einzementierte, mit dem Wunsch, zu schocken. Ja, liebe FAZ, Zuckerleben ist ein Hochgeschwindigkeitsroman. Doch wie jedes Vehikel mit extremem Tempo müssen auch Romane aufpassen, dass sie nicht abheben.

Kein Wimpernschlag erlaubt

Wer diesen Roman liest, sollte vorher genügend Dextro-Energie-Plättchen gelutscht oder seine Kaffeemaschine auf Doppelten Espresso programmiert haben. Anders lässt sich Zuckerleben nicht verstehen, denn wer nicht auf diesen diabetischen Holterdipolterschock vorbereitet ist, den trifft die Mixtur kiryllisch-kryptischer Namen, ungewöhnlicher Dialekte, ausufernder Dialoge und wechselnder Zeitintervalle wie eine Dampframme.

Vielleicht ist es genau das, was diesen Roman auszeichnen soll: Turbulenz. Und die ist Nedov gelungen. Turbulenz in der Sprache, Turbulenz in der Handlung, Turbulenz in den Dialogen. Doch in jedem Sturm finden wir ein ruhiges Auge und wir wissen, wie wichtig stille Momente sind, um Spannung zu erzeugen.

Spannung ist nicht die permanente Aneinanderreihung von Knallbonbons, genauso wie eine Gag-Gulaschkanone kein gelungenes Comedy-Programm ausmacht. Romane brauchen den Mut zur Pause. Autoren müssen das Vertrauen haben, dass ihre Leser dranbleiben, auch wenn diese nicht auf jeder Seite mit Skurrilem bombardiert werden.

Fazit

Zuckerleben möchte alles sein — Zeitreise und Aufarbeitung, Komödie und Persiflage, zeitgeschichtliches Zeugnis und turbulenter Road-Trip. Heraus kommt dabei ein Feuerwerk, das sich in alle Richtungen verpulvert. Die Sprache sprüht vor Energie, Nedov bringt viel Witz und Mut in seine teils langkettigen Sätze. Doch im Versuch, besonders originell zu sein, wirkt der Roman trotz seiner sprachlichen Exzellenz überdreht.


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