Game of Thrones mit Mechs
Harebrained Schemes sind zwar noch kein AAA-Entwickler, aber das Entwicklerstudio aus Seattle hat mit seinen Shadowrun Umsetzungen einen dicken Stein bei mir im Brett. Und da mittelalte Nerds scheinbar genau deren Zielgruppe sind, haben sich die Jungs aus den USA nun um ein weiteres Tabletop Urgestein gekümmert: BattleTech. Und das steht für hausgroße Roboter, die sich mit Laserkanonen und Raketen beharken eingebettet in einer fast schon an Firefly erinnernden Zukunft in der zwar alles dreckig, aber nicht unbedingt hoffnungslos ist. Und in genau diese Welt wird man als Sproß einer Adelsfamilie hineingeworfen und muss sich nun neben Laserkanonen, Panzern und Riesenrobotern auch mit politische Ränkespielen, zwielichtigen Söldnern und einer Prise Basisbau auseinandersetzen.
Filmreife Standbilder
Das BattleTech mehr ist, als nur ein Rundenstrategiespiel mit dicken Mechs liegt nicht zuletzt an der irre detaillierten Tabletopgrundlage. Ähnlich wie schon bei den Shadowrun Spielen wissen die Jungs von Harebrained Studios wie man ein bestehendes Spielesystem geschickt und ursprungsgetreu in die digitale Welt führt. In BattleTech geschieht das in erster Linie in Dialogen und Videosequenzen aus halbbeweglichen Standbildern.
Das Abenteuer beginnt damit, dass der selbsterstellte Protagonist und sein Mastiff als Leibwächter für Lady Kamea Arano dienen und sie auf dem Weg zu ihrer Krönung beschützen sollen. Kamea ist dabei alles andere als die Prinzessin auf der Erbse, denn als waschechter Mechpilot lässt sie es sich natürlich nicht nehmen an die Sicherheitsvorkehrungen höchstpersönlich zu überwachen. Wie so oft in der Videospielwelt bleibt es bei dem vermeintlichen Routineeinsatz natürlich nicht bei einer ruhigen Tagesschicht, denn das Adelshaus der Lady Arano wird just in den Vorbereitungen zur ihrer Krönung von einer anderen Familie gestürzt. Nur knapp entrinnt der Protagonist dem Coup und wird von einer Söldnertruppe gerettet. Nur drei Jahre später ist man Anführer der Truppe und muss sich nun dem schlimmsten Feind der Galaxie stellen: Der Bank. Denn zwar konnte man dem Anschlag lebend entkommen, aber als Neu-Söldner ist das Leben auch kein Zuckerschlecken. Ab hier beginnt das Abenteuer richtig.
No Guts, No GalaxyFrei nach diesem Motto beginnt jetzt der Ernst des Lebens, denn neben den Taktikelementen auf dem Boden gibt es auch einen strategischen Part an Board des Jumpships, welches durch ein Darlehen bezahlt wird und die Truppe zu verschiedenen Aufträgen bringt. Hier kann man sich als Anführer herrlich ausleben, denn auf dem Schiff gibt es viel zu tun. Man kann sich mit Crewmitgliedern unterhalten, die Harebrained Schemes-typisch erstaunlich tief ausgearbeitet sind und Dialoge mit verschiedenen Auswahlmöglichkeiten führen kann. Dadurch lernt man seine Crew besser kenne, kann aber auch Nebenmissionen freischalten. Gleichzeitig kann man hier auch die nächste Mission auswählen. Das ganze verläuft dabei in der Regel recht frei, denn man kann stets zwischen unterschiedlichen Kontrakten auswählen. Diese unterscheiden sich nicht nur im Missionsdesign, auch das heimische Klima und die auftraggebende Fraktion spielen eine kritische Rolle. Steht man bei einer Fraktion besser da, kann man beim Angebot besser verhandeln, läuft aber in Gefahr andere Fraktionen vor den Kopf zu stoßen. Da man am Ende einer Mission einen Anteil der erbeuteten Teile von gegnerischen Mechs behalten darf, ist die Verhandlung um den Vertrag umso spannender. Möchte man lieber safe in eine höhere Geldauszahlung investieren oder nimmt man das Glücksspiel an und kann so unter Umständen viel wertvollere Teile erhalten? Hat man genug Einzelteile eines Mechtyps zusammengesammelt, kann man daraus nämlich deutlich günstiger eine neue Chassis zusammenschweißen lassen, statt einen brandneuen Mech zu kaufen. So fühlt man sich auch tatsächlich so, als würde man die Welt mit seiner Crew beeinflussen.
Rollenspiel ist Chefsache
Neben all den strategischen Entscheidungen und den wirtschaftlichen Problemen, denen die Crew ausgesetzt ist, bleibt aber noch reichlich Zeit für Rollenspielelemente, schließlich kann der Flug zwischen den Planeten mehrere Tage dauern und die sind selten ereignislos. So müssen natürlich auch Mechs repariert oder verletzte Piloten auf Genesung warten, es kann aber auch ausgiebig mit der Crew herumgelungert werden. Die erzählen einem aus ihrem Leben und geben wertvolle Tipps, manchmal als Tutorial, manchmal als Anekdote. Gelegentlich treten aber auch außerordentliche Events auf bei denen das verhandlerische Geschick des Spielers gefragt wird. So kann es zu Streit zwischen den MechWarriors kommen, die alle eigene Persönlichkeiten aufweisen und sich auch in die Haare kriegen können. Manchmal versucht die Bank auch einen übers Ohr zu hauen und droht trotz fristgerechter Zahlungen mit Kopfgeldjägern. Kennt man ja auch aus dem Privatleben. Und wo wir schon bei MechWarriors sind, die Piloten haben nicht nur eine Persönlichkeit sondern auch Stats. Die vier Grundstats kann man nach eigenem Ermessen ausbilden und erhält bei gewissen XP-Thresholds neue Fähigkeiten dazu; so können Piloten beispielsweise lernen gleichzeitig auf verschiedene Ziele zu feuern oder sich effizienter gegen Beschuss zu wappnen.
Panzer auf zwei Beinen
Kommen wir jetzt zu den Hauptdarstellern des Spiels, den Mechs selbst und von denen gibt es gleich rund 40 Stück. Aber Mech ist nicht gleich Mech, denn die laufenden Panzer kommen in vier Kategorien, geordnet nach ihrem Gewicht. Die leichtesten fangen bei 20 Tonnen an und gehen bis 35 Tonnen und sind somit so schwer wie ein deutscher Schützenpanzer Marder. Die Assault genannte Klasse wiegt zwischen 80 und 100 Tonnen und ist somit fast so schwer wie zwei ausgewachsene moderne Kampfpanzer. Die Mechs der verschiedenen Gewichtsklassen spielen sich natürlich unterschiedlich, denn die kleinen wendigen Mechs wie der Locust sind deutlich schneller, haben durch ihren höheren Initiativewert also die Möglichkeit vor den schweren Jungs zu handeln und verlassen sich auf ihre Utility. Zwar ist auf der kleinen Chassis kaum Platz für Wärmetauscher und schwere Waffen, aber Signalstörer oder Sensoren passen hier wunderbar drauf. So macht man den eigenen schweren Blackknights oder Zeus` das Leben deutlich leichter. Sollte man aber in Schussreichweite eines schweren Gegners kommen, kann man sich schonmal darauf Einstellen den Schleudersitz nutzen zu müssen.
Grundsätzlich passen alle Teile auf jeden Mech, eine Grenze liefert hier lediglich die Tragekapazität. So muss man abwägen, ob es sich wirklich lohnt den schwersten Mech mit genügend Sprungdüsen auszustatten um ihn mobiler zu machen oder doch lieber auf seine Stärken baut und stattdessen Wärmetauscher einbaut um mit höherer Intensität zu feuern.
Boots on the Ground
Nach dem strategischen Vorgeplänkel geht es jetzt aber um das Eingemachte: Das Gameplay auf den Planeten. Hat man sich im Voraus mit der eigentlichen Mission beschäftigt, weiß man schon viel, was einen erwartet. Neben der eigentlichen Aufgabe, die von reinen Zerstörungsmission zu Begleitungen von Convoys, Aufklärungsmissionen über Auftragsmorde geht, spielt das Klima eine große Rolle. Jede Mission findet auf einem bestimmten Biotop statt, so gibt es im Grundspiel Wüsten in denen Mechs schneller überhitzen, Schneewelten, wo man getrost die Laserwaffen durchziehen kann oder Aufträge im Vakuum des Weltraums, wo kaum ein Wärmeaustausch stattfindet. Diese Parameter sollten sich also auf die Ausstattung der Mechs auswirken und werden in den DLC noch um weitere Varianten erweitert.
Dabei starten alle Missionen grundsätzlich ähnlich. Man darf bis zu 4 Piloten und ihre Mechs auswählen und wird vom Landungsschiff im Kampfgebiet abgeworfen. Hier beginnt nun der rundenbasierte Teil des Spiels und somit sein Herzstück. Die Mechs bewegen sich in einer festen Reihenfolge, abhängig von dem Gewicht der Chassis und Sonderfähigkeiten der einzelnen Piloten. Trifft man auf Gegner in der Nähe, werden diese auf der Karte als rote Blips angezeigt, die erst nach einem Scan oder Sichtkontakt identifiziert werden können. Und das sollte man nach Möglichkeit recht zügig tun, denn die Gegnervielfalt ist größer, als man zunächst erwarten würde. Neben den rund 40 Mechs, die auch vom Spieler genutzt werden können gibt es auch festinstallierte Geschütze, die sich zwar nicht bewegen können, dafür aber ungezügelt Feuern können und verschiedene Arten von Panzern. Die sind allesamt deutlich kleiner und schneller als die meisten Mechs, haben aber mächtige Waffen geladen. Umso befriedigender ist es dann diese mit einem eigenen Mech zu zerstampfen, denn gegen solche Fahrzeuge gibt es den passenden Bonusschaden bei Nahkampfangriffen.
Das Herzstück des Spiels ist aber der Fernkampf. Jedem Piloten stehen grundsätzlich pro Runde eine Bewegung und eine Aktion zu. Hat man sich für ein passendes Ziel entschieden, kann man im nächsten Schritt auswählen welche Waffen man tatsächlich abfeuern will, denn oft lohnt sich eine volle Breitseite natürlich für den Schaden, aber man läuft dann auch in Gefahr in der nächsten Runde wegen Überhitzung auszusetzen.
Ob die Schüsse treffen wird einem in Prozent angegeben, denn ähnlich wie bei der Tabletopvorlage, werden die Ergebnisse und Trefferorte ausgewürfelt. So kann es schnell passieren, dass man richtig positioniert gezielt die Munitionsreserven des Mechs sprengt und so den Piloten stark genug verletzt, dass er die Reißleine ziehen muss und den Kampf verlässt.
Ähnlich wie bei X-Com kommen so irre intensive Gefechte zustande, denn zerstörte Mechs und getötet Piloten sind häufig permanent und Schüsse mit niedriger Chance im Chaos der Schlacht doch noch durchzubekommen fühlt sich einfach super an.
Ein Blick unter die HaubeTechnisch präsentiert sich BattleTech ähnlich wie seine Mechs: gewaltig, aber etwas rustikal. Die Videosequenzen sind zwar animierte Standbilder, aber toll gezeichnet. Die Dialoge sind in der Regel gut geschrieben, aber leider nur selten vollständig vertont. Die Mechs selber sind detailliert und sehen genauso aus, wie man sich die Tabletopvorlage vorstellen würde; sie sind sogar individualisierbar. Auch die Welten und Städte wirken einzigartig, aber im Vergleich zu den Modellen der ganzen Einheiten fällt die Umgebung qualitativ ab. Bäume und Büsche sehen vergleichsweise billig und matschig aus. Gebäude, die eigentlich befriedigend im Geballer explodieren sollten können mit den Animationen der Mechs nicht mithalten. auch wirken manche Treffer nicht ganz so brachial, wie man es erwarten würde. Dafür überzeugt der Sound auf ganzer Linie. Die Schüsse und Explosionen klingen wuchtig und den Soundtrack höre ich mir schon seit Ewigkeiten als Hintergrundmusik im Alltag an.
©Harebrained Schemes
SEASON PASS
BattleTech kommt mit insgesamt drei verschiedenen DLC von denen zwei bereits erschienen sind.
Flashpoint ist bereits 2018 erschienen und liefert ein langersehntes Update für die Sternenkarte und das Rufsystem, welches auch Spieler erhalten, die den DLC nicht gekauft haben. Für Käufer gibt es aber auch allerhand Neues: Neben den namensgebenden Sidemissions gibt es auch drei brandneue Mechs für den ambitionierten Weltraumsöldner und ein neues Biotop. Hatchetman, Crab und Cyclops. Die Flashpoint genannten Missionen sind in die Mainstory eingebundene Einzelgeschichten, die das reichhaltige BattleTech Universum weiter ausleuchten und mehrere Aufträge innerhalb der selben Mission bieten. Diese richten sich aber an erfahrene Spieler, denn der Hauptteil dieser Missionen ist im Mid- bist Endgame angesiedelt. Von Anfang an interessant sind aber die drei neuen Mechs. Mit dem Hatchetman steht der erste dezidierte Nahkampfmech der Serie zur Verfügung. Ausgestattet mit einem gewaltigen Axtarm ist der mittelschwere Mech erstaunlich schnell, läuft aber ständig in Gefahr von sorgfältig platzierten Gegnern über den Haufen geschossen zu werden. Der Cyclops ist ein Assaultmech und damit sau schwer und eigentlich auch am Ende der Initiativeliste angesiedelt. Damit wäre er aber eher langweilig, deshalb ist er mit einem besonderen Ausrüstungsstück ausgestattet, dem Battle Computer, der im erlaubt einen höheren Initiativestep anzunehmen und so viel eher zum Zug zu kommen, als vergleichbare Mechs. Die Crab ist ein stummelarmiger, mittelschwerer Mech, der sich in der Rolle des Harrassers am wohlsten fühlt, denn er verbindet ordentliche Feuerkraft mit vergleichsweise hoher Beweglichkeit. Von den neuen Mechs aus Flashpoint ist die Crab die bodenständigste Variante, die ohne wilden Schnickschnack auskommt. Abschließend gibt es mit der tropischen Region ein neues Biotop. Mechs können hier aus irgendeinem Grund ihre Hitze gut abgeben, gerade Mechs mit vielen Lasern profitieren davon sehr. Ansonsten gibt es hier Sporenwolken, die Mechs zwar Sichtdeckung bieten, die sie schwerer treffen lässt, gleichzeitig nehmen Mechs, die aber doch getroffen werden mehr Schaden.
Urban Warfare ist brandneu und erschien am 04.06.2019. Wie der Name schon sagt, stehen in dieser Erweiterung die neuen Biotope im Vordergrund und den Spielern wird endlich der langersehnte Wunsch erfüllt die Schlachten in BattleTech auch in urbanen Gebieten auszufechten. Neben neuen Flashpoint-Missionen gibt es neues Equipment, welches euch hilft eure Kampfkolosse für den Kampf in der Stadt zu rüsten, zwei neue Chassis und eine neue Missionsart. Die Missionen, die euch in die Stadt führen sind dabei das Highlight der Erweiterung. Dadurch, dass Mechs, die schwerer als 75t sind im Beton versinken würden verschiebt sich er Fokus von möglichst schweren auf deutlich flinkere Mechs. Durch die zahlreichen Gebäude, die für Deckung sorgen ändert sich auch die Dynamik der Gefechte, denn es wird in der Stadt merkbar häufiger danebengeschossen. Dafür kann man sich mit zerstörbaren Umgebungen darüber hinwegtrösten und falls das nicht reicht auch das neue Equipment nutzen. Electronic Countermeasures (ECM) verleihen dem Mech eine Art Tarnkappe, die Treffer erschwert und falls der Gegner sie benutzt, habt ihr die Möglichkeit mit der Active Probe darauf zu reagieren und den Gegner aufzudecken, der sich an euch vorbeischleichen will. Falls ihr euch nicht entscheiden könnt, wo ihr das Equipment draufschrauben wollt, liefert das Add-On mit dem Raven einen mittelschweren Mech der auf elektronische Kriegsführung ausgelegt ist. Dabei bleibt für Waffen aber auch kaum mehr Platz. Der Mech ist eine interessante Neuerung im Roster, wird aber vermutlich in den meisten Gefechten außerhalb der Stadt wenig Verwendung finden. Ähnlich sieht das mit dem Javelin aus, der leichte Scout-Mech mit Raketenwerfern. Persönlich kann ich mit den Nadelstichtaktiken, die leichte Mechs verlangen, nur wenig anfangen, aber sicherlich gibt es auch dafür Fans. Abschließend gibt es mit Attack & Defend eine neue Missionsstruktur, bei der man als Spieler über eine festgelegte Zeit Ziele verteidigen muss. Die Missionen haben dabei einen überraschend hohen Schwierigkeitsgrad (und BattleTech ist schon normalerweise kein Zuckerschlecken) und sind durch die Verteidigungsnatur der Mission bei Niederlagen ziemlich frustrierend. Neue Missionen sorgen immer für Abwechslung, ich bin aber eindeutig kein Fan von langwierigen Verteidigungen. Das Highlight der Erweiterung sind auf jeden Fall die neuen Biome und Flashpoint-Missionen.
Ein Kritikpunkt auf den ich online gestoßen bin ist übrigens die deutsche Übersetzung, mehrere User beschwerten sich über nur teilweise übersetzte Texte. Ich selbst habe nur die Originalversion gespielt und da ist das Writing gewohnt makellos.
Heavy Metal erscheint im Winter 2019, bisher ist darüber aber noch nicht viel bekannt.
Abschließend lässt sich zum DLC sagen, dass er tolle Neuigkeiten mitbringt, aber das Spiel nicht grundlegend verändert. Für eingefleischte Fans sind die DLC also Pflicht, Neueinsteiger sind aber mit dem reinen Basisspiel gut beraten und können auch hier dutzende Stunden Spielspaß erleben. Man kriegt zwar eine Menge an Neuerungen, aber für je 20€ pro Erweiterung fühlen sich die DLC etwas teuer an.
Summary