Liebe Anja Reschke, wie viele Millionen andere habe ich Mitte der Woche Ihren Tagesthemen-Kommentar gesehen, in dem Sie zu einem “Aufstand der Anständigen” gegen Rassismus und Fremdenhass aufgerufen haben. Ich bin einer dieser Anständigen – und Ihr Kommentar hat mich enttäuscht. Nicht etwa, weil ich anderer Meinung wäre oder gar die rassistischen Tiraden und üblen Parolen Rechtsradikaler in den sozialen Netzwerken gutheißen würde. Er hat mich enttäuscht, weil er keinen neuen Beitrag in der Debatte zu liefern vermochte und Sie eine Chance verspielt haben. Sie wurden von Ihren Journalistenkollegen für Ihren Mut gelobt. Was aber ist mutig daran auszusprechen, was der übergroße Rest der Gesellschaft ohnehin denkt? Wie mutig ist es, einigen Unverbesserlichen aus dem TV-Studio heraus die Leviten zu lesen? Nein, mutig war das nicht. Sie haben in drastischen Worten Selbstverständliches gesagt. Ebenso hätten Sie dazu aufrufen können, mehr zu trinken, weil dies so gesund ist. Und es wäre ebenso wenig mutig gewesen. Ich stimme Ihnen zu, dass es unerträglich ist, wenn Menschen Asylbewerberheime anzünden. Der dumpfe Hass gegen Fremde macht mich betroffen. Oft kann ich gar nicht fassen, was ich in den sozialen Medien lese.
Doch, liebe Frau Reschke, ich habe bei Ihnen und vielen Ihrer Kollegen oft den Eindruck, dass Sie dem Auswuchs rechtsradikaler Gesinnungen weit mehr Raum und Gewicht geben als Sie dies umgekehrt zu tun bereit sind, wenn es um linken Extremismus geht. Dies ist die Chance, die Sie am Mittwochabend ungenutzt ließen. Sie hätten so viel mehr Mut bewiesen, wenn Sie sich vor einem Millionenpublikum dazu bekannt hätten, dass auch jede religiöse Abschottung und ebenso jede von links motivierte Gewalt von den Anständigen unserer Gesellschaft nicht mehr länger hingenommen werden kann. Dass alles, was sich radikal artikuliert und verhält, von der schweigenden Mehrheit nicht einfach weiter toleriert werden darf. Das vielschichtige Thema des Umgangs mit den Zuwanderern eröffnet die Möglichkeit, endlich einmal nicht mehr zu relativieren. Ganz gleich, ob es um die Exzesse radikaler Linker, ausländerfeindliche Parolen Rechtsextremer oder die Ausgrenzung Andersgläubiger durch fundamentalistische Muslime geht. Hier lag Ihre Chance, Ihrem Statement Kraft und Gewicht zu geben, es zu einem Appell zu machen, der mehr gewesen wäre als bloße Effekthascherei und das Betteln um Applaus.
Es wäre wohltuend – und für die Glaubwürdigkeit des Berufsstands ein Meilenstein – wenn sich gerade die Anja Reschkes dieser TV-Welt einmal in ebenso eindeutigen Worten den vielen Hunderttausend Linksextremisten in unserem Land entgegenstellen und den “Aufstand der Anständigen” ausrufen würden. So bleibt der fade Beigeschmack, dass Sie und Ihre Kollegen immer nur dann lautstark Ihre Stimme erheben, wenn die Gefahr von rechts kommt. Es war richtig von Ihnen, die rechtsextremen Pöbeleien zu verurteilen, die sich täglich auf Facebook & Co. abspielen. Doch vielleicht nehmen Sie sich auch einmal die linksextremen Schmierfinken vor. Falls Sie davon noch nicht gehört haben sollten: Diese zünden mehrmals im Jahr ganze Stadtviertel an, jagen Polizisten, zerstören Eigentum in Millionenhöhe und haben es zwar nicht auf einige Tausend Einwanderer abgesehen, dafür aber auf die vielen Millionen Bürger unserer Gesellschaft, die sich außerhalb der Milieus der Antifa bewegen. Sie würden möglicherweise weniger Applaus ernten, aber dem ramponierten Image des Journalismus einen großen Dienst erweisen. Vielleicht werden Sie dann sogar zur der Heldin, zu der man Sie jetzt schon voreilig machen wollte. Nur Mut, liebe Frau Reschke!
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