So richtig scheint der große Sommerurlaub der Politik noch nicht vorbei zu sein.Vielleicht ist man nach 50 Tagen Abstinenz - nicht nur vom Bloggen, sondern eben vom Politstadl insgesamt - noch nicht wieder so senisbilisiert oder meinetwegen auch: Bereit, sich aufzuregen.
Wie wäre es also mit der Bankenabgabe? Das war schon vorm Sommerloch lächerlich und wird mit jeder Äußerung wahlweise der Regierung oder der Banken noch unerträglicher. So gesehen wird mit der jetzt geplanten Gesetzgebung etwas festgeschrieben, dass es in der Tat wert wäre, zumindest einen Moment darüber nachzudenken. Auch wenn es nur Bestandteil der Analyse ist, die in die Bankenabgabe mündet: Es gibt nicht-staatliche Konzerne, die, ich bediene mich bei tagesschau.de, "too big to fail" sind, zu groß, um unterzugehen, systemrelevant - das ist ein Wort, dass in der freien Wirtschaft so eigentlich garnicht vorkommen kann. Es gibt Unternehmen, die, obgleich in keiner Weise gewählt, in keiner Weise demokratisch legitimiert oder kontrolliert, politische Entscheidungen erzwingen können - nicht nur finanzielle.
Es ist eines von vielen Beispielen dieser Tage, in denen die Trennlinie zwischen wirtschaftlicher Macht und politischer Macht aufweicht, bei denen beides sogar fast austauschbar wird. Es ist ähnliches zu beobachten im Ringen um die Energiepolitik, aber neben diesen populären Beispielen ist der Mechanismus eigentlich bis hinab in die Kommunalpolitik zu entdecken. Dieser Machtzuwachs wirtschaftlicher Interessen wäre immer noch unerfreulich genug, würde er denn zumindest - wie das bis Mitte der 80er Jahre noch der Fall war - in einen Wohlstandszuwachs der Bevölkerung münden. Bekanntermaßen tut er aber nicht einmal mehr das; gerade die letzten sogenannten Aufschwünge führten sogar eher noch zu einem beschleunigten Auseinanderklaffen der berüchtigten Schere zwischen Arm und Reich, während gleichzeitig der Mittelstand kontinuierlich an Substanz verliert.
80 Prozent der Bevölkerung erleben die Segnungen einer der reichsten Volkswirtschaften des Planeten nicht mehr in Form von Aufstieg, von Chancen und von Sicherheit, sondern ganz im Gegenteil als stetigen Verfall sozialer Errungenschaften, Kaufkraft, Perspektiven und Stabilität. Dagegen scheint kein Kraut gewachsen, nicht Bildung, nicht Fleiss, nicht einmal Verzicht. Der Eindruck, der Macht von Konzernen, der Dynamik einer globalisierten Wirtschaft so schutzlos ausgeliefert zu sein, von der Politik bestenfalls im Stich gelassen oder gleich verraten zu werden, führt zu einer Schwächung der Demokratie selbst dort, wo sie mittlerweile als selbstverständlich begriffen wird. Sie ruft vor allem Kräfte auf den Plan, die leichtes Spiel haben mit einer Bevölkerung, deren politisches Denken von Ängsten dominiert wird und einer tiefgehenden Resignation.
Nur, weil Extremisten hierzulande, sieht man von kleinen Wellen ab, die sie in unsere Länderparlamete und Stadträte gespült haben, bislang keinen großen Erfolg erzielen konnten, sollte man sie nicht unterschätzen. Sie haben in den letzten Jahren etliches an Boden gut gemacht, der mit herkömmlichen parteipolitischer Maßstäbe aus guten Gründen garnicht zu messen wäre. Wie weit große Teile nicht nur der Deutschen mittlerweile ideologisch für nicht anderes als das Menschenbild gerade von Rechtsextremen zugänglich sind, belegen dieser Tage sicherlich nicht die Kornkreise von Aßlingen, auch wenn sie diesem Artikel seinen Namen geben.
Ich denke dabei eher an den unverhohlenen Beifall, den ein gewisser Bundesbankvorstand für seinen gedruckten geistigen Durchfall erhält. Übrigens nicht, weil ich "Deutschland schafft sich ab" für das Werk eines Rassisten oder Nazis halte - ich denke, es wird Thilo Sarrazin das verschaffen, was er anstrebt, nämlich gute Verkaufserlöse, und da hat er von Eva Hermann gelernt. Ich gehe sogar davon aus, dass man in dem gesamten Buch keine Formulierung antreffen wird, die man mit der gebotenen Stichhaltigkeit als Beleg dafür anführen könnte, das der ehemalige Berliner Finanzsenator den Boden der Verfassung verlassen hat - da werden jene, die ihn aus seinem Amt entfernen wollen, ebenso unterliegen wie jene Gremien der SPD, die gerade nach guten Gründen suchen, ihn aus der Partei zu werfen.
Aber zweierlei zeigt sich, nämlich einmal die Begeisterung, die hierzulande zu entfachen ist, wenn man die latente Ausländerfeindlichkeit mit den Urängsten paart, die die schleichende Entdemokratisierung des Landes weckt - es sind sicherlich nicht die stimmigen Argumentationen, die den Beifall schüren. Eine kleine Passage aus einem in dieser Hinsicht spannenden Interview der ZEIT möge das veranschaulichen:
ZEIT: Sie führen die Verdummung der Gesellschaft darauf zurück, dass Intelligenz vererbbar sei.
Sarrazin: Eben nicht. Da bringen Sie etwas durcheinander.
ZEIT: Sie sagen, dass Intelligenz vererbbar ist.
Sarrazin: Das ist richtig.
ZEIT.de
Aber natürlich ist das die Grundthese seines Buches: Dass sich bildungsferne Schichten überproportional vermehren, und bildungsferne Schichten eigentlich unintelligente Schichten sind. Und natürlich, dass dieser Mechanisus durch den Zuzug bildungsferner Einwanderer verstärkt wird, also unintelligenten Menschen. Denn immerhin sieht er einen "kausalen Zusammenhang" zwischen sozialer Stellung und Intelligenz, wie er auch in dem Interview betont. Er würde allerdings nicht sagen, dass "die unten dümmer sind als die oben", das ist unter seinem Niveau, aber eigentlich meint er das, zumindest, bis es ihm jemand vorwirft- danach dürfte er der nächste große Unverstandene sein und mit der Hermann eine neue Partei gründen.
Ich denke also nicht, dass dieses Buch auch nur im Ansatz genug Substanz hat, um sich deswegen ein Magengeschwür zu ärgern. Aber die Beifallswelle zeigt auf, dass das auch garnicht nötig ist: Was da zwischen den Zeilen gelesen und gefeiert wird, was da reininterpretiert wird, das ist es, was mich verstört. Sarrazin wird es tunlichst vermeiden, das Verdachtsmoment zu entschärfen, hier wäre ein rechter Propagandaschinken auf den Markt gekommen. Ob er allerdings ermessen kann, welche Geister er da ruft? Dass er der wahren Quelle zivilisatorischen Rückschritts näher gekommen ist, als er begreifen könnte, weil er sozusagen seine Hände drin badet?
Dann doch lieber Wetter.
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