Wir sind unterwegs in KurorthinterBergNummerdrei. Der Monat ist jung, wir sind alt, das Konto ist voll und unsere Mägen leer. Daher beschließen wir spontan, irgendwo einzukehren. Das mag für manchen undramatisch klingen, aber wenn man kleine Kinder hat, ist das tatsächlich ein Wagnis. Sie sind uns zahlenmäßig überlegen, aber da wir mehr Hände als Kinder haben, sind wir verhalten optimistisch.
Doch in wessen gemütliche Wärme sollen wir vor dem Nix-kaufen-Bummel im Schmuddelwetter fliehen?
Der freundliche Chinese öffnet erst um 18 Uhr, warum auch immer, der freundliche Türke ist definitiv zu eng eingerichtet; außerdem halte ich es für eine völlige Verschwendung, kleinen Kindern Döner zu kaufen. Und ja, damit meine ich auch kleine Döner, Kinderdöner oder halbe Döner: Die machen drei Bissen, puhlen sich dann die Tomaten raus und zermatschen bzw. verteilen den Rest in der Umwelt. Nein danke.
Auf gute bürgerliche deutsche Küche habe ich keine Lust, weil wir die jeden Tag zuhause essen.
Herr L. rechnet bereits aus, was uns ein Besuch beim Griechen kosten würde, als ich kopfschüttelnd auf das Türschild deute: „Guck mal, Schatz, da steht ‚Hunde und Katzen verboten‘! Das ist mir dann einfach zu wenig Auswahl!“
Schließlich kehren wir bei einem Italiener ein. Ist immerhin auch südländisch und soll uns Sonne ins Gemüt bringen! Für die Kinder gibt es kleine oder halbe Pizzen, alles wunderbar.
Wir werden begrüßt und angeschaut.
„Einen Tisch für 5 bitte“, müssen wir sagen, damit es weitergeht.
Es wird ein wenig kopfgewippt, dann werden wir zu einem Tisch geführt, der so halbgroß ist. Ich stieze verstohlen in den Raum hinein: Reichlich Tische frei. Keiner ist größer als unserer, aber ob der Lage könnte man zwei zusammenschieben, was hier Vorne nicht geht. Aber gut, nur keinen Streß.
Die Atmosphäre ist gemütlich-laut-essensduftig. Wir packen uns aus und ich parke die Jacken über den Stühlen, machen hier schließlich alle so und wir sind nicht im Ritz.
Denkste!
„Würden Sie bitte Ihre Jacken an die Garderobe hängen?“, werden wir wenig später angegrummelt.
Was erstaunlich ist, da wir bereits seit knapp 10 Minuten darauf warten, bestellen zu können.
„Machen wir gerne“, zwitschere ich, dankbar für jede Ablenkung, die die Kinder davon abhält, irgendwas zu zerstören. „Wir würden dann auch gerne bestellen!“
„Jaja, sofort“, dann ist die Trulla wieder weg. Ahrg.
Jetzt geht es ans Eingemachte bzw. den Inhalt unserer Jackentaschen. Was bei den Kindern drin ist (Steine, Äste, Lebewesen) kümmert mich wenig, aber Herr L. und ich haben da so einiges drin, das wir nicht der „Wir haften nicht für Diebstahl“-Garderobe anvertrauen möchten. Da ich heute nämlich in törichter Naivität handtaschenlos bin wären da: Schlüssel, Portemonnaie, Handy, bei Herrn L. das selbe. Legen wir dann auf den Tisch, da die Stühle bzw. das Stück Eckbank, das man uns zugestand, voller Kinderhintern ist.
Iiiiiiiiirgendwann 10 Jahre später (der Laden ist gut besucht, aber nicht rappelvoll, ist ja immerhin Rentner- und „Wir müssen aber bis zum Sandmännchen zuhause sein!“-Familien-Abendessenszeit; das hippe Partyvolk bzw. die kultivierten Alkoholgenießer kommen erst später) kommt eine Kellnerin mit Tellern auf uns zu.
Herr L. und ich haben mittlerweile durchschaut, warum ausgerechnet wir unsere Jacken wegbringen sollten, während die Gäste im hinteren Bereich anscheinend machen können, was sie wollen: Wir wurden auserwählt, an der Fensterscheibe zur Straße hin zu sitzen und so den Eindruck eines gut und gerne besuchten Familienpizzeriadingens zu erwecken. Ist natürlich nicht ungewöhnlich, dass ich für Werbe- und Lockzwecke benutzt werde – Ihr wisst ja, wie schön ich bin! – aber sorry, da haben die sich die falsche Familie ausgesucht! Ich kann nämlich in die Zukunft schauen und die hält Tomatensoße und Käse an ungünstigen Stellen, kleine Kinderhände an fremdkörperlichen Stellen, das ein oder andere Geplärre und vielleicht sogar etwas Blut bereit (von dem allerdings jeder denken wird, es sei Tomatensoße, von daher ist ein Italiener doch gar keine so schlechte Wahl gewesen).
Nun ist also unser Tisch bereits recht gut gefüllt mit: Einer Cola Zero für Herrn L., einer Cola Zero für mich, einer Fanta für Größtes, einer Fanta zusammen für Kleinstes und Mittleres, zwei Schlüsseln, zwei Handys, zwei Portemonnaies und einer undefinierten Anzahl mitgebrachter Spielzeugautos- und Figuren in der unermüdlichen Hoffnung, die Kinder würden ruhig damit spielen. Hm.
Und jetzt kommt die Trulla und möchte vier Teller dazustellen: Eine große Pizza für Herrn L., eine große Pizza für mich, eine kleine für Größtes und eine kleine für Kleinstes und Mittleres zusammen; ich bin gespannt.
*KLIRR* Ja, diese Geräusch kennen wir. Sorry mal, Du Trulla, aber wusstest Du nicht vorher, wie groß Eure Teller sind?
Manche – zB Dorfkinder wie wir – werden sich jetzt fragen, wo das Problem ist. Das Problem ist, dass Pizza nicht gleich Pizza ist, es gibt derer nämlich drei:
– Die normale Pizzeria-Pizza. Die hat in etwa die Maße einer Tiefkühlpizza, ist eventuell ein bisschen größer und dicker. Ist ganz nett.
– Die fette Minipizza. Diese Pizza sieht erstmal winzig aus, ist aber tatsächlich so dick und so hoch aufgetürmt belegt, dass es eine Freude ist. Und man hinterher verzweifelt vor dem letzten Stück kapitulieren muss und sich schwört, beim nächsten Mal nur eine kleine Pizza zu nehmen. Definitiv mein Favorit.
– Die Flachbrettpizza. Das ist eine Pizza, die vom Prinzip her genauso aussehen könnte, wie die Pizzen 1 und 2, hätte nicht ein Pizzakoch mit unterstellten Aggressionen gegenüber irgendwas den Pizzateig so lange ausgerollt, bis er riesengroß und hauchdünn geworden wäre.
Das Ergebnis ist ein dürrer, knusperharter Boden, der den Durchmesser des Mondes hat, nichtmal auf die riesigen Teller passt, irgendwie so gar nicht mehr nach Pizza schmeckt und nur dann noch halbwegs OK wäre, wenn denn genügend Belag darauf vorhanden wäre. Den sucht man aber vergeblich und die vereinzelten Salamischeiben (Kinder), Pilze (ich) und Meeresfrüchte (Herr L.) sucht man vergeblicher, als einen symmetrischen Mondkrater.
Ich weiß nicht, wie wir es im Endeffekt geschafft haben, die vier Teller auf unseren Tisch zu stellen – rein mathematisch gesehen war das nämlich unmöglich; ich weiß nur noch, dass ich hinterher Druckstellen an den Ellebogen hatte – und zu essen. Na ja, oder Bissen zu uns zu nehmen, das ist glaube ich die bessere Beschreibung.
„Hrrrrch“, haucht Größtes, „Ich bin ein Ekelmonster!“
„Aber sowas von“, bestätige ich und frage dann meinen Gatten höflich: „Und wie ist Deine Knoblauch-Pizza?“
„Meine Knoblauch-Pizza mit Meeresfrüchten, die ich noch finden muss, ist ganz ausgezeichnet, liebe Molly, und wie ist Deine Knoblauch-Pizza?“
„Meine Knoblauch-Pizza mit Pilzen, die sich irgendwo vor mir verstecken, ist auch ganz ausgezeichnet, mein Liebster!“
(Womit übrigens auch die Frage beantwortet wäre, wie die ohne groß Belag so viel „Geschmack“ auf das Riesenpizzading bekommen haben.)
Irgendwann dann dürfen wir gehen. Die teilweise unsinnigen Gesetze dieses Landes zwingen uns, das, was wir essen mussten, vorher auch noch zu bezahlen.
Wir kommen 13 Kilometer weit, als es von der Rückbank tönt: „Mama, Papa, ich habe Hunger!“
Herr L. und ich wechseln einen kurzen Blick (kurz, weil Autofahren und so) und sind uns einig. Zehn Minuten später sitzen wir wieder einmal in der Burger-Bude, jeder mit einem 1 Euro-Teil in der Hand (gut, bei Herrn L. und mir sind es je zwei) und überlegen, dass wir eben über 10 Euro nur für Getränke ausgegeben haben, für das Essen noch viel mehr, nicht satt geworden sind, alles irgendwie Mist war und wir eine Knobifahne haben, die für morgen Früh Übles erahnen lässt.
Und jetzt schau ich mal im Internet, ob ich die irgendwo bewerten kann …
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