Paparazzis

Paparazzis„Hallo meine Liebe. Hast Du heute schon die Zeitung gelesen?“

Ein strahlender Frühlingstag wärmt mich im Liegestuhl auf der Terasse. Die Lämmer nebenan auf dem Deich rufen nach der Schafsmama, die Amseln balzen und die Möwen fallen regelmäßig in das Konzert mit ein.

„Nö. Du weißt doch das mir E-paper und NTV reichen. außerdem ist das inseleigene Tageblatt nicht mal anähernd ausreichend bestückt mit interessanten Kleinanzeigen, die mir das Brennholz für den kommenden Winter offerieren.“

„Na- vielleicht solltest Du heute mal eine Ausnahme machen.“ Paul wedelt mit dem Inselinformationspapier vor meiner Nase herum. Ein riesiges Kitesurfbild prangt auf Seite eins.

Die Schlagzeile „Surfevent auf Fehmarn“ thront darüber.

„Ja super ist das doch. Das spricht dafür, dass dem Redakteur meine Pressemitteilung gefiel. Das ist eine wunderbare Werbung für unser kleines Festival. Und Toms mühevolle Arbeit wird belohnt.“ Zufrieden lehne ich mich im Stuhl zurück , schließe die Augen und geniesse den Tanz der Sonnenstrahlen auf meiner Nase.

„Komisch nur das ich nicht den obligatorischen Vorabdruck bekommen habe. Naja bestimmt hat der Redakteur das vergessen.“

„Vielleicht solltet Du den Artikel einfach mal lesen. Ich glaube nicht, das Du dem Redakteur die Dinge erzählt hast, die dort stehen. Also zumindest nicht in dieser Form.“

Elektrisiert fahre ich im Stuhl hoch. Fragend schau ich Paul an.

„Ne ist nicht Dein Ernst oder?!  Was kann der Inselschreibling denn bei meinem wenigen Text verdrehen?“

„Du wirst nich erfreut  sein und Tom steht mit Sicherheit auch gleich auf der Matte, um seinem Ärger Luft zu machen.“

‘Von Null auf hundert, ein Inselneuling stampft in Rekordzeit ein Surfevent der Extraklasse aus dem Boden.’ Schon beim Überfliegen der Einleitung wird mir übel. Mir fällt das gestrige Telefonat mit dem Schreibfuzzi wieder ein. Zuerst hat er in inseltypischer Herumtelefoniererei meine private Telefonnummer herausbekommen und dann stellte er lauter nervige Fragen. Warum und wie lange ich auf der Insel bin? Ob es mir gut hier gefällt und wie es denn so mit dem Surfen läuft? Woher die Idee stammt? Lauter Dinge, die eigentlich niemanden interessieren. Ich dachte der Typ plaudert mit mir. Das sein Diktiergerät mitläuft, wurde nicht erwähnt. Mein vorgefasster Artikel zu unserem kleinen Surffest, an dessen Gelingen unser Freund Tom den Hauptanteil trägt, existiert nur noch in Form der Daten und Fakten zum Fest. Der Rest ist eine Geschichte, die so nicht stimmt.

„Verdammt!“ ist alles, was mir zu dem Pamphlet einfällt.

„Verdammt, Paul- wo habe ich im Januar die Rückfahrkarte auf das Festland abgelegt? Was die hier auf dieser Insel treiben, geht über meine Vorstellungskraft. Jeder Redakteur, selbst der im hintersten bayuvarischen Bergnest, bekommt auf der Schule eingebläut, das wasserdichte Recherche das Überleben sichert. Auf dieser Insel scheint das nicht angekommen zu sein oder die Typen in der Schreibstube des Tageblatts haben die wichtigen Seminare wegen Sonnenschein zu Hause geschwänzt. Ich fasse es nicht! Peinlich ist es obendrein. Die Leute im Dorf werden sich mal wieder den Hals verrenken, wenn ich nach draussen komm.“

Ich werde das Gefühl nicht los, das ich jeden integrativen Fettnapf, auf dem Weg zum Insulaner, mitnehme. Nun gut.

Ich werde dann mal Tom anrufen.

Das muß ich nicht, denn statt zu klingeln hat selbiger die Terasse mit einem Satz erklommen und steht lachend in der Tür. Auch Tom wedelt das Tageblatt.

„Tom! Es tut mir leid. Das hab ich so nicht abgesegnet!“

„Was tut Dir leid? Dieses Geschreibsel hier? Muß es nicht- mir tut es leid.“

„Warum das denn?“

„Ich habe mir gestern Abend den Text vom Redakteur mal faxen lassen. Ich trau den Typen da in Burg nicht. Die liegen lieber in der Sonne, schauen Fußball und trinken Bier, als das sie vernünftig schreiben.“ antwortet Tom

„Und?“ fragt Paul „War es sehr schlimm?“

„Ich versteh Euren Inseldialekt nicht.“ entgegne ich „Was soll sehr schlimm gewesen sein.“

„Naja, wenn Tom einen Vorabdruck in den Händen hielt, dann hat er ihn wahrscheinlich geändert. Und wenn er jetzt um Verzeihung bei Dir bittet, bedeutet es, das seine Änderungen ebenso wenig wie Deine Pressemitteilung den Weg in die Druckerpresse geschafft haben“ erklärt mir Paul

„Aaahhhjaaa- und?“

„Na hast Du eine ahnung WAS da stand gestern abend.“ fährt Tom fort.

„So von wegen wild romantisch am Kamin, mit deinem Mann Paul hattest Du die Idee mal eben die Insel aufzumischen.“

„Autsch- da hat mich dieser Mistschreiberling doch ausgehorcht und reingelegt. Und ich wollt ihn schon zu Kaffee und Kuchen einladen, weil er so nett ist.“

„Neee- nicht Dein Ernst.“ entgegnen die Herren im Chor.

„Ach naja ich kenn ja niemanden so richtig hier hinter der Brücke. Und wenn meine welterfahrenen Freunde nicht immer über die Brücke auf Besuch kämen, dann wär ich wirklich schon ziemlich einsam hier manchmal. Und da dachte ich , so ein Kontakt in die erste Berichtserstattungsriege des Eilands wäre nicht so schlecht.“

„Doch wäre es“- erklären sowohl Tom und Paul. „Wie Du siehst beziehungsweise lesen kannst.“ nimmt Tom das gespräch wieder auf. „Ich hab dem Typen den Erstentwurf als nicht druckbar mit dem Originaltext zurück geschickt. das hat ihn wahrscheinlich- hmmm naja etwas empört, so dass der heutige Abdruck als Kompromiss durchgehen soll. Ich rufe da allerdings gleich mal an und mach dem die Hölle heiss.“

„Nee- lass mal lieber Tom“ fällt Paul jetzt ein „Nachher ist der herr am Laptop so sauer, das er Eure Veranstaltung in der Luft , naja oder auf dem Papier, zerreißt. Da habt ihr dann auch nichts davon.“

„Denke ich auch“ mische ich mich in den Plausch der Jungs ein. „Wir lassen dem das einmal durchgehen und konzentrieren uns auf den Wind und unser Event. Zuerst aber sollten wir was essen. Beim Essen denkt es sich leichter.“

Später um den Küchentresen und übe reiner leckeren Pasta sitzend, kommen uns tatsächlich immer wieder neue Ideen. Das Surffestival, von Tom vorangetrieben, mit seiner unglaublichen Phantasie kann nur ein Reinfall werden, wenn es regnet und der Wind ausfällt. Das dieses Anfang Mai kaum passiert belegen die Statistiken, die ich immer und immer wieder wälze.

Spät nachts falle ich erschöpft ins Bett. Paul nimmt mich in den Arm. Ich kuschel mich ganz dicht an meinen Privathelden an.

„Du Paul?“ frage ich in die Nacht

„Hmmmm.“

„Ich bin glücklich hier auf der Insel, so mit Dir und der Weite…“

„Ja ich weiß und mit Deiner ersten großen Liebe dem Meer.“

„Spinner.“ entgegne ich grinsend. „Mit Deinen wöchentlichen Rosen und Deiner Zuneigung hast Du die Liebe schon lange auf den zweiten Rang verwiesen.“



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