Offener Brief an Christa Müller (Vorsitzende von (I)NTACT e.V.)

Sehr geehrte Frau Müller,
seit einigen Jahren bereits bin ich ein großer Bewunderer und auch Unterstützer Ihres Einsatzes gegen Mädchen- und Frauenbeschneidung. Auch die Erfolge Ihrer Arbeit, wie etwa zuletzt in Togo, nehme ich durchaus wahr und möchte Sie hierzu ausdrücklich beglückwünschen!
Zutiefst schockiert hat mich hingegen Ihr bereits in der Menschen bei MaischbergerSendung vom 14. August dieses Jahres1geäußerter Vergleich der Beschneidung der Penisvorhaut mit der weiblichen Genitalverstümmelung, den Sie kürzlich im (I)NTACT Jahresrückblick2auch noch zu legitimieren suchten.
Über den äußerst bitteren Nachgeschmack, den Ihr Artikel hinterlässt, tröstet auch die Tatsache nicht hinweg, dass Sie sich selbst gleich mehrfach widerlegen. Beispielsweise geben Sie einerseits zwar zu, dass es bezüglich negativer gesundheitlicher Folgen der Zirkumzision bislang keinerlei statistische Erhebungen gibt, stellen andererseits aber die Behauptung auf, dass die seelische Gesundheit beschnittener Jungen häufig beeinträchtigt sei. Selbst wenn Ihnen derartige Einzelfälle bekannt sein sollten, wäre die Vermutung der Häufigkeit noch immer nicht verifizierbar.
Mit meiner persönlichen Erfahrung deckt sich Ihre Hypothese jedenfalls in keinster Weise. Im Gegenteil: in meinem engeren Bekanntenkreis gibt es eine ganze Handvoll Männer, die im Jugend- bzw. Erwachsenenalter aus medizinischen Gründen beschnitten werden mussten und sich einen sowohl seelisch als auch physisch höchst unangenehmen Prozess (Krankheitsverlauf, Diagnose, Therapie) hätten ersparen können, wäre dies bereits im Säuglingsalter geschehen.
Dies widerlegt im Übrigen auch Ihren Schlusssatz, in dem Sie die männliche Zirkumzision und die weibliche Genitalverstümmelung gleichermaßen als „Körperverletzung“ bezeichnen, „die es zu bekämpfen gilt.“ Wäre dem so, würde auch die Beschneidung der Vorhaut als Therapiemaßnahme z.B. bei Phimose als ethisch illegitim gelten und abgeschafft werden müssen. Mir ist jedoch keine ernst zu nehmende Alternativmaßnahme bekannt.
Darüber hinaus wird von Ihnen behauptet, die als Folge der Zirkumzision auftretende Desensibilisierung der Glans penis führe zu einem beeinträchtigten Sexualempfinden. Auch hierfür gibt es kein mir bekanntes Beispiel. Stattdessen hat eine 2006 in den USA durchgeführte Umfrage zu dem Ergebnis geführt, dass ca. 30-40% der befragten Männer unter Ejaculatio praecox leiden.3Eine verringerte Sensibilität der Eichel könnte hierbei also zu einer verlängerten Plateauphase und damit, entgegen Ihrer Behauptung, sogar zu einer Steigerung des gemeinsamen sexuellen Empfindens führen.
Ästhetische Erwägungen sind in dieser Diskussion zwar vermutlich irrelevant, dennoch sei zumindest auf eines hingewiesen, nämlich dass der Ansammlung von Bakterien unterhalb der Vorhaut, die nicht selten zu unangenehmer Geruchsbildung führt, selbst mit gründlichster Hygiene kaum beizukommen ist. Zirkumzision ist daher die wirksamste Prophylaxemaßnahme. Ebenfalls eine Tatsache, die Sie leider ignorieren.
Mich über die religiöse Dimension der Knabenbeschneidung auszulassen, will ich an dieser Stelle vermeiden, Sie jedoch darauf hinweisen, dass aufgrund von Aussagen, wie den oben zitierten, sich etliche religiös geprägte Menschen in Deutschland nicht mehr willkommen geheißen fühlen und es vermutlich lange dauern wird, bis hier wieder eine gegenseitige Vertrauensbasis besteht.Da diese jedoch momentan auch bei mir persönlich fehlt, bitte ich Sie, mir künftig keine Informationsmaterialien Ihres Vereins mehr zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen,
Magnus Großmann
1http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/311210_menschen-bei-maischberger/11410882_der-beschneidungsstreit 2http://www.intact-ev.de/rueckblick/Jahresr%C3%BCckblick%202012.pdf 3http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/urologische-krankheiten/erektile-dysfunktion/article/826231/prekaeres-problem-ejaculatio-praecox-stiefkind-urologischen-praxis.html

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