Nur der Streuselkuchen ist Privatsache

oder Nicht alles was über Merkels Handy geht hat absoluten Anspruch auf Privatheit.
Nur der Streuselkuchen ist PrivatsacheDer NSA-Skandal erreicht also eine neue Dimension. Und ein Reporter des SWR verstieg sich letztens gar zu der Äußerung, dass für das "politische Berlin nun der Spaß seine Grenzen habe". Soso, die fast flächendeckende Observierung der Bürger war also nur ein Spaß und jetzt, da das Telefon dieser Frau angezapft wurde, wird es erstmals ernst. Ich nehme das äußerst persönlich. Mit solchen taktvollen Umschreibungen der Szenerie sagt man mir nämlich auch: Meine Privatsphäre ist nichts wert. Und deine, lieber Leser, auch nicht.
Doch die Causa Merkel handelt gar nicht von Verletzung der Privatsphäre. Jedenfalls nicht nur. Diese Frau ist ja ein Geschäft. Fast alles was sie sagt, schreibt und telefoniert ist ja nicht privat. Anders: Sie mag als Privatperson im Büro von Jürgen Fitschen anrufen können. Aber ist das dann auch wirklich privat?

Was hat sie eigentlich zu verbergen? Sagte die Frau nicht oft und gerne, dass niemand etwas befürchten muss, wenn er nichts zu verbergen hat? Jetzt wurde auch sie auf Neuland gestossen. Das ist bei aller Sauerei erfreulich. Noch erfreulicher wäre es, wenn sich nun WikiLeaks daranmachte, ihre Kontakte und Gesprächsprotokolle, vielleicht sogar den jeweiligen Inhalt der Telefonate, der Öffentlichkeit zu überreichen. Wäre schon nicht unspannend zu erfahren, ob sie die direkte Durchwahl zur Finanzmafia hat und ob sie neulich entweder mit BMW, Audi oder Mercedes zwecks Abgasnormen telefoniert hat. Oder riefen die drei Konzerne sie zum Rapport an?
Und das soll uns alle nichts angehen? Die Streuselkuchenrezeptur, die sie ihrem Joachim gesimst hat, die interessiert mich wahrlich nicht. Die muss privat bleiben, sollen nur ihre Liebsten genießen dürfen. Es sei denn, das Rezept dient als Tarnung für einen Bombenbau. Solcherlei chiffrierte Terrorpläne hat man ja schon manchem unterstellt. So gesehen wäre also auch der vermeintliche Streuselkuchen substanziell für unsere Sicherheit. Aber der ganze Rest, die Kontakte zu bestimmten Damen und Herren, Absprachen und Dienstleistungen, der Plausch mit Chefredakteuren und so weiter, der wäre eigentlich gar nicht so sehr die Privatsphäre dieser Frau. Insofern hat die NSA mal was Vernünftiges getan. Da muss man doch mal loben, auch wenn nun alle Parteien geschlossen für die Privatgespräche der Kanzlerin eintreten. Klar, müssen sie auch. Das wird verlangt, das wollen die Bürger hören. Jetzt sind wir schließlich alle Opfer. Deutschland, einig Opferland! Aber Leute, Merkel sitzt nicht mit uns allen im gleichen Boot. Das sollte man nicht vergessen. Diese Denkweise ist dumm und gefährlich, sie verschleiert und raubt die gebotene Distanz.
Als die NSA dich und mich aushorchte, da war das doch etwas völlig anderes. Keiner von uns trug sich zu Markte, strebte ein öffentliches Leben an oder hatte eines. Wir wollten nur unser Privatleben kommunizieren. Ungestört. Wir sind keine Personen der Öffentlichkeit, wurden aber für diese Clique von Agenten zu welchen gemacht. Bei Merkel ist das was anderes. Insofern hat eine Kanzlerin nur bedingt Anspruch auf Privatsphäre. Und auch wenn das Anzapfen eines Mobiltelefons mehr als kriminell ist, ich tue mich schwer damit, diesen Fall jetzt als Präzedenzfall für die kriminelle Energie der NSA anzuführen. Präzendenzfälle gab es schon vorher genug. Schlimmere Dinge, wenn man mich fragt. Mancher Journalist wurde zum potenziellen Terroristen bewertet, Privatleute standen plötzlich auf den schwarzen Listen der Luftfahrtunternehmen und so weiter. Ob Merkel jemals in den Ruch einer Terroristin geraten wäre?
Die Frage, die sich eigentlich stellt und die in den Qualitätsmedien so gut wie nicht gestellt wird, hat nichts mit dem Handy der Kanzlerin an sich zu tun. Sie lautet: Was sind WIR eigentlich wert? Oder konkreter, damit dieses Wir sich klärt: Was sind ordinäre Bürger, kleine Männer und Frauen, Normalos, Allerweltsmenschen oder Otto Normalbespitzelte wert? Das was die Masse betrifft, degradiert man rhetorisch zu einem Spaß, etwas was man ertragen muss, wenn man die Freiheit in Sicherheit garantiert haben möchte. Für einen Teil der Medien, den politischen Betrieb, ihre Partei insbesondere und natürlich für sie selbst steht hingegen fest: Sie ist (sich) wichtiger als 80 Millionen Menschen dieses Landes.
Bevor wir uns über die gleichmacherische NSA aufregen, die tatsächlich Bundeskanzlerin wie Arbeitslosen gleichermaßen observiert, sollten wir kurz innehalten und uns dann über diese Überheblichkeit ärgern, mit der man uns Merkels belauschtes Handy als Angriff auf unser aller Würde verkaufen will. Und wir sollten uns bei aller Chuzpe dieser orwellianischen Einrichtung auch nicht mit Empörungen wie jener abspeisen lassen, dass die NSA da deutsche Interessen verletzt habe. Unter Umständen würde mancher geoutete direkte Draht ins Big Business nicht das Interesse der meisten Menschen dieses Landes verletzten, sondern eher wecken.
Sollten wir bald in der Zeitung lesen dürfen, dass Barbara Bush ihren Clan auf einer Feier im heimischen Texas mit uckermärkischem Streuselkuchen versorgt hat, dann sollten wir das weitaus kritischer sehen, als mögliche publizierte WikiLeaks-Veröffentlichungen über Telefonate der Kanzlerin mit Fitschen und Kollegen.
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