Fünfzehn Jahre voller mehr oder minder Großer Koalition

oder Diese blühende GroKo schleift das Bollwerk demokratischen Denkens drastisch herab.
Fünfzehn Jahre voller mehr oder minder Großer KoalitionWie es aussieht, sieht es schlecht aus. Noch in die Große Koalition nicht Wirklichkeit. Aber ihr Vorgehen macht Sorgen. In ihrer maßlosen Omnipotenz beschließt sie ihr persönliches Programm zur Postenbeschaffung und hievt eigene Parteikollegen in extra hierfür geschaffene Stellen - inklusive angepasster Bezahlung, versteht sich. Die Aufteilung der Redezeit im Bundestag macht die Arroganz überdeutlich. Von einer Stunde sollen 50 Minuten auf die potenzielle Regierung entfallen und je fünf Minuten auf die beiden Oppositionsparteien. Weitere unaufhaltsame Beschlüsse werden folgen.
Was hier im Entstehen ist, sollte man getrost auch beim Namen nennen: Es ist eine sonderbare Ausformung von parlamentarischer Despotie, die mit dem Wesen der Demokratie nur noch sehr wenig zu tun hat.

Die Petitessen der ersten Tage dieses neuen Bundestages lassen erahnen, mit welcher Haltung zu rechnen sein wird, sollten sich die Vertreter der beiden Parteien in den Koalitionsverhandlungen einig werden. Diese Große Koalition braucht keinen Konsens, wenn sie nur in sich selbst geschlossen ist. Sie kann durch- und am Allgemeinwohl vorbeiregieren, ohne sich Gegenargumente auch nur anzuhören. Dass es ausgerechnet diese Konstellation sein soll, die die Deutschen am stärksten befürworten, ist kaum zu begreifen, hat vermutlich aber einen geschichtsevolutionären Impetus.
Die Deutschen und ihr Starker-Mann-Hang, ihr Befürworten großer Machtkonzentration: Das hat historisches System, ist irgendwie im Denken der Menschen tiefenpsychologisch verankert. Gleichzeitig sollen sie heutigentags Demokraten sein. Das führt zu Kollisionen, ergibt widersprüchliche Momente. So kommen so kuriose Ansichten in die Welt wie die, wonach dieser bundesdeutschen Demokratie am besten geholfen sei, wenn es diese mehr als große, diese riesige, diese gigantische Koalition, wenn es eine RieGroKo gibt.
Ganz neu ist diese Große Koalition allerdings nicht. In bestimmten Bereichen gab sie es auch zu schwarz-gelber Zeit. Und selbst in der rot-grünen Ära war sie schon anwesend. Man sollte es so sehen: Der Europa-Kurs der Kanzlerin wurde auch von den Sozialdemokraten gestützt. Sie fanden ihn zwar theoretisch falsch, wollten aber dem Kontinent praktisch ein geschlossenes Deutschland präsentieren. Militäreinsätze im Ausland werden fast schon traditionell mit einem Mund verabschiedet. Die Außenpolitik ist quasi seit 2005 ohne Unterbrechung in einer teils realen, teils virtuellen GroKo gefangen. Die Innenpolitik steckt, mit einigen Unterbrechungen und wenigen sozialdemokratischen Gewissensbissen zwischendrin, seit mindestens 2002 dort fest.
Aber eigentlich existiert die breite Front des Neoliberalismus, nichts anderes als Große Koalition in diesen Tagen der Postdemokratie, schon vorher - wenn auch nicht allen bewusst. Faktisch etablierte sich bereits seit 1998, seitdem das Schröder-Geschwader den freien Markt hofierte, Steuern senkte oder den Kündigungsschutz lockerte, eine geistig-moralische Große Koalition. Daher heißt es: Glückwunsch! Zum 15. Wiegenfeste will man sich mal wieder einen Bund gönnen. Einen, der mal wieder ganz hochoffiziell auf gleiche Grundsätzen baut. Die Alternativlosigkeit des Neoliberalismus hat also ein Alter: Fünfzehn Jahre lang liegen Schwarz und Rot weitestgehend auf einer Welle. Und zum Fest gibt es nicht nur eine GroKo, sondern gleich eine RieGroKo.
Die Zeiten großer Koalitionen brechen also nicht erst jetzt an. Sie sind schon seit einer ganzen Weile zum Markenzeichen einer sich als alternativlos wahrnehmenden Gesellschaft geworden. Was jetzt geschieht ist nur eine Verschärfung, eine Verdespotisierung auch der institutionellen Prozesse, die diese Postdemokratie sich noch als demokratisches Mäntelchen erlaubt hat. Die Rücksichtnahme auf Einhaltung des Zeremoniells wird immer stärler aufgelöst und ins Absolutistische sublimiert. Falsche Scham scheint jetzt unangebracht. Warum denn noch genieren? Keiner kann uns was. Und jeder weiß, für wen wir da sitzen.
Eine Diktatur ist freilich nicht zu erwarten. Und man darf sie so auch nicht nennen. Das lähmt den Widerstand. Das macht mürbe und träge. Und klassisch ist diese RieGroKo auch keine Diktatur. Die Straßen sind ja noch frei, man darf sie belagern. Man muss nur Knüppel ertragen können. Aber diese Gefahr gibt es in den besten Demokratien.
Mit einer pseudodemokratischen Arroganz der Macht ist hingegen zu rechnen. Sie schimmert ja schon durch. Diese Supermehrheit des Bundestages wird Gesetze durch die Instanzen lächeln und Opposition und Bürger vor gemachte Tatsachen stellen. Und das alles ganz ohne den üblichen Empörungen, die dem Mitziehen mit dem Regierungskurs meist zuvor kommen. Dieser Anstrich, dass es noch verschiedene Lager und Positionen gäbe, ist nun abgekratzt. Jetzt kann es selbstgerechter und überheblicher zugehen. So erstickt man das Bisschen, das noch an demokratischer (Sub-)Kultur noch vorhanden ist.
Wer unter Kohl aufwuchs, dachte, das Kohl und Kanzler identische Wörter sind. Man konnte es sich anders nicht vorstellen. Das stetige Großkoalieren bewirkt, dass man irgendwann glaubt, so arrogant und ignorant gegenüber dem Allgemeinwohl müsse es zugehen. Diese blühende RieGroKo mag keine Diktatur sein, aber sie schleift die Bollwerke demokratischen Denkens herab. Sie ist, was die Präsidialregierungen der frühen Dreißigerjahre waren: Einstieg in entdemokratisierte Denkmuster und Vorbereiterin der Verrohung.
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