NOCH EINMAL MIT GEFÜHL

Petra kann’s nicht fassen: Gerade hat sie von Jörn den unromantischsten Heiratsantrag bekommen, den man sich nur vorstellen kann. Liegt es daran, dass sie schon seit vier Jahren zusammenleben? Nicht nur, stellt sie nach einem Blick in den Spiegel fest – und beschliesst, wieder ein bisschen Pep in ihre Beziehung zu bringen… 

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Jörn rief zur Küche hinüber: “Eigentlich könnten wir doch so langsam heiraten Petra, was meinst du? Es hätte steuerliche Vorteile, ausserdem hören dann die blöden Fragen der Freunde und Verwandten auf, wann wir uns denn endlich entschliessen würden.”

Petra konnte es nicht fassen. Natürlich war es albern, mit fast 30  Jahren noch vom Prinzen zu träumen, der seine Angebetete auf Knien anfleht, seine Frau zu werden und sie dann hoch zu Ross auf sein Schloss entführt. Trotzdem, etwas romantischer hätte Jörns Heiratsantrag schon ausfallen können.

“He Petra, hast du mich gehört?”

Sie ging ins Wohnzimmer hinüber. Jörn flegelte sich mit gelockerter Kravatte und dunkel nachwachsenem Bart im Sessel und hatte nicht einmal die Zeitung aus der Hand gelegt. Das kam davon, wenn man jahrelang ohne Trauschein zusammenlebte. Ihre Mutter hatte sie gleich gewarnt.

“Ja, ich habe dich gehört”, erklärte sie ungnädig. “Und nein, ich will dich nicht heiraten.”

“Na gut, ist ja auch eigentlich nicht nötig”, grunzte er und vertiefte sich wieder in den Wirtschaftsteil.

Erschüttert sass Petra im Schlafzimmer auf dem Bett und fragte sich, wie ein Mann sich derart ändern konnte. Bis ihr Blick in den grossen Spiegel fiel und sie unwillkürlich zusammenzuckte. Statt der attraktiven jungen Frau, die Jörn vor vier Jahren leidenschaftlich mit Blumen und liebevoll ausgesuchten Geschenken umworben hatte, blickte ihr ein zerrupft wirkendes Wesen entgegen. Kein Wunder. Seit Monaten war im Architektenbüro, wo sie als Sekretärin arbeitete, der Teufel los. Philipp und Klaus konnten sich vor Aufträgen kaum retten, waren aber zu knauserig, um eine zweite Bürokraft einzustellen. Und das hatte sie nun davon: Stumpfes Kraushaar, in der Morgenhetze zu einer “Palme” auf dem Kopf zusammengebunden. Blasse Haut, an die vor lauter Überstunden kaum ein Sonnenstrahl herankam, Ringe unter den Augen, verkniffener Mund. Was konnte eine solche Frau anderes erwarten als diesen laschen Heiratsantrag, der sofort zurückgezogen wurde? Aber Jörn stand ihr in Punkto Sich-zu-Hause-gehen-lassen in nichts nach, befand sie streng. Auch er investierte zunehmend seine ganze Zeit und Kraft in seine Arbeit als Ingenieur. Es wurde Zeit, wieder ein bisschen Schwung in ihre Beziehung zu bringen …

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“Petra, ist der Brief an die Baubehörde fertig?” Klaus’ Kopf erschien in der Tür zu ihrem Büro.

“Mach’ ich morgen als Erstes”, versprach sie.

“Wieso morgen? Er muss heute noch ‘raus!”

“Es ist Feierabend, und ich habe einen Termin beim Frisör”, erklärte sie in bestimmten Ton.

Als Jörn die Wohnung betrat, telefonierte Petra gerade. Er hörte sie lachen und etwas flüstern, ehe sie auflegte.

“Mit wem hast du telefoniert?” erkundigte er sich zerstreut.

“Ach, jemand, den du nicht kennst.”

“Hm, was gibt’s heute im Fernsehen?”

Ein Schlag ins Wasser. Nicht einmal ihre neue Frisur hatte er bemerkt. Hier bewahrheitete sich einmal wieder, dass Männer Anspielungen nicht verstanden. Sie musste schwerere Geschütze auffahren.

Drei Tage später bemerkte Jörn beim Nachhausekommen einen grossen Strauss roter Rosen auf dem Tisch, und Petra telefonierte erneut: “Danke für die wunderschönen Rosen. Hmm, morgen um sechs. Bei dir. Es passt gut, Jörg kommt immer später nach Hause.”

Deutlicher ging’s nicht, dachte sie und sah neugierig zu ihm hinüber. Offensichtlich hatte es endlich gezündet, denn Jörn stand ganz starr da. Tatsächlich zählte er zusammen: Die Rosen, die Tatsache, dass sie sich wieder hübsch zurechtmachte, dass ihre Augen leuchteten und sie ohne Grund sang oder lachte, und ihre Worte eben am Telefon. Was liess das anderes zu als den Schluss, dass Petra, seine Petra, die er in- und auswendig zu kennen glaubte, einen anderen hatte? Nie hätte er gedacht, dass ihn das derart durchschütteln könnte. Er beschloss, sie morgen gegen halb sechs Uhr vor dem Haus abzupassen. Um ihr zu folgen, wenn sie zu diesem Rendezvous ging. Er musste wissen, wer der Kerl war …

Nach einer halben Stunde erfolglosen Wartens auf der gegenüberliegenden Strassenseite kam er zu der Annahme, dass sie schon früher aus dem Haus gegangen sein musste. Oder gar nicht erst von der Arbeit nach Hause gekommen war? Unwillkürlich stöhnte er auf. Es schmerzte ungeheuer, sie sich just in diesem Augenblick in den Armen eines Nebenbuhlers vorzustellen.

Eine Stunde später drehte sich der Schlüssel im Schloss. Er hörte vom Wohnzimmer aus Petra fröhlich summen. Dann steckte sie den Kopf durch die Tür: “Oh, du bist schon zu Hause?” fragte sie erstaunt.

“Seit halb sechs”, erwiderte er mit Nachdruck. “Ich habe beschlossen, ab jetzt früher nach Hause zu kommen.”

“Sorry, das konnte ich nicht wissen.” Sie schmunzelte in sich hinein. Kein Wort, dass sie einfach nur einen kleinen Stadtbummel gemacht hatte. Sie beschloss, das Eisen zu schmieden, solange es noch heiss war, ging zum Telefon und tippte eine Nummer ein: “Tut mir leid, morgen geht es nicht”, sagte sie bedauernd.

Während Petra, die heute wieder mit dem Abendessen an der Reihe war, in der Küche wirkte, drückte Jörn auf die Wiederholtaste. Zu seiner Überraschung erschien die Nummer der Zeitansage. Gleichzeitig fiel sein Blick auf eine Notiz auf dem Telefonblock: “Rote Rosen besorgen”. Petra hatte ihn auf den Arm genommen! Na warte, dachte er, während ein jungenhaftes Grinsen auf seinem Gesicht erschien.

“Fast hätte ich es vergessen, ich muss nochmal weg”, verkündete er nach dem Essen. “Ein Bierabend unter Kollegen.”

Petra hörte, wie er duschte und sich rasierte. Etwas später kam er elegant gekleidet und Wohlgeruch verbreitend zurück. Es gab ihr einen Stich, wie gut er aussah.

“Bis nachher”, sagte er und gab ihr einen flüchtigen Kuss, “es kann später werden.”

Der Schuft! An die Kollegen glaubte sie keine Sekunde. Es musste sich um eine andere Frau handeln. Für wen sonst hatte er sich frisch rasiert und so gut angezogen? Und warum strahlte er so? Nicht im Traum hatte sie damit gerechnet, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte. Verdammt, alles schien zu entgleisen.

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“Petra, schläfst du?”

Der Mann roch nach Kneipe, wie es nicht erlaubt war. Natürlich schlief sie nicht. Wie könnte sie schlafen? Sie hatte sich den ganzen Abend ihren Jörn mit einer anderen Frau zusammen vorgestellt. Es war eine Qual gewesen.

“Es war ein scheusslicher Abend”, gestand Jörn jetzt leise. Er dachte an die Stunden, die hinter ihm lagen. Er hatte sich zu Tode gelangweilt ganz allein. Wie lustig waren dagegen früher die Kneipenabende mit Petra zusammen gewesen! Sie mussten das unbedingt mal wieder machen. Eine kleine Bewegung verriet ihm, dass sie wach war. Er setzte sich auf den Bettrand und beschloss, sie zu fragen, wie alles so weit hatte kommen können …

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“Petra, hast du bei Müller und Co angefragt, wann sie endlich das Baumaterial liefern?” Diesmal war es Philipp, der vor ihr stand und sich nervös das Kinn rieb.

“Ich hab’s versucht, aber es war immer besetzt.”

“Versuch’ es jetzt nochmal.”

Es war Zeit, Klartext zu reden: “Tut mir leid, aber ab heute mache ich pünktlich Schluss. Wenn Klaus und du nicht endlich jemanden zu meiner Entlastung einstellt, suche ich mir eine andere Stelle.”

“Donnerwetter, klingt ja energisch.” Er sah sie an: “Steht dir gut, die neue Frisur. Ist es ein neuer Mann? Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Schluss gemacht hast mit Jörn? Ich wäre interessiert gewesen!”

Sie lachte: “Idiot. Damit ich ohne zu mucken weiter Überstunden für euch mache? Selbst auf die Gefahr hin, dich zu enttäuschen, es ist immer noch Jörn. Aber um ein Haar hätten wir uns vor lauter Arbeit aus den Augen verloren. Und das darf nie wieder vorkommen.” Sie dachte daran, dass Jörn sie heute gross ausführen würde und war sicher, dass es etwas mit einem Heiratsantrag nach allen Regeln der Kunst zu tun hatte. Den Kniefall hatte er schon gestern getan, nachdem alle Missverständnisse aufgeklärt waren, und ein wohliger Schauer lief ihr auch jetzt noch über den Rücken, als sie daran dachte, wie hingebungsvoll sie sich danach geliebt hatten …

ENDE

 


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