Nil, Jordan und Euphrat: Wem gehört das Wasser?

von Simon Argus


Auf unserer Exkursion durch Ägypten war der Nil ständiger Begleiter - ohne diesen Fluß gäbe es den Staat Ägypten nicht - 90% der Ägypter wohnen am Nil, sein Wasser ernährt die ganze Nation. Doch obwohl es einer der längsten Flüsse der Welt ist, so ist seine Wassermenge doch begrenzt - und in letzter Zeit gibt es immer neue Konkurrenz um seine Ressource. Nil, Jordan, Euphrat - im gesamten mittleren Osten werden nicht nur die Kriege der Zukunft um Wasser geführt werden - schon heute ist Wasser für zahlreiche Konflikte in der Region mitverantwortlich.


Nil, Jordan und Euphrat: Wem gehört das Wasser?In einem kleinen Motorboot schippern wir über den Nasser-See. Auf seinem Grund liegen zahlreiche unersetzliche Kunstschätze. Die Vertreibung der Nubier aus ihren angestammten Gebieten beim Bau des Damms hat internationale Kritik hervorgerufen.
Nicht weit von hier haben wir vor wenigen Stunden ein gigantisches Denkmal besucht: Es beschwört die Freundschaft zwischen Ägypten und der Sowjetunion, die hier beim Bau des größten Damms in Afrika einen gigantischen "Freundschaftsdienst" erwiesen hat. Jene besondere Bindung zwischen den beiden Staaten sollte nach der Fertigstellung des Damms nur noch wenige Monate halten, bevor alle russischen Spezialisten wieder aus dem Land geworfen wurden.

Und dennoch: Der Assuan-Hochdamm ist für die Entwicklung des modernen Ägyptens von enormer Bedeutung. Seither ist eine Intensivierung der Landwirtschaft flußabwärts erfolgt, die auf gleichbleibenden Wasserpegeln und neuen Kanälen in einst unwirtliche Gegenden beruht. Der Nil ist - abgesehen von einigen Tiefbrunnen und Entsalzungsanlagen - bis heute Ägyptens einzige Süßwasserressource in einem ansonsten wüsten Land. Aber auch wenn der Damm - einer von vielen am Nil - dazu beigetragen hat, das Wasser zu regulieren: Die Wassermenge bleibt dennoch die Gleiche.

Und diese Wassermenge wird Ägypten mehr und mehr streitig gemacht: Ägypten nutzte die Instabilität der südlichen Anrainerstaaten Sudan, Äthiopien, bis hinunter nach Burundi aus, die lange Zeit darauf verzichteten (oder nicht fähig waren) das Nilwasser intensiver zu nutzen. Nil, Jordan und Euphrat: Wem gehört das Wasser?Ägypten stützt sich dabei bis heute auf die Zusage der Briten aus der Kolonialzeit, das gesamte Nilwasser stehe allein Ägypten und in kleinerem Ausmaß dem Sudan zu. Mit der Stabilisierung und dem langsamen ökonomischen Aufstieg der südlichen Anrainer ändert sich die Lage allerdings: In Sudan sind große Dammprojekte in Bau und auch Äthiopien hat Ambitionen für Bewässerungsprojekte am Nil. Bis heute ist es noch nicht gelungen die neuen Begehrlichkeiten einvernehmlich in einem Vertrag zwischen den insgesamt 9 betroffenen Staaten zu klären - Ägypten setzt vielmehr auf die Drohung, dass die Projekte am Oberlauf des Nils die nationalen Interessen gefährden und einen Kriegsgrund darstellen können.

Auch weiter östlich kennt man diese Konflikte um die kostbarste Ressource der Region: Der Jordan - für viele ein heiliger Fluß und Lebensader für mindestens drei dicht besiedelte Staaten ist heute an vielen Stellen nicht viel mehr als ein Rinnsal, gerade noch ein schlammiges Bächlein in dem das Wasser nicht einmal mehr zum Knie reicht.

Im Norden Jordaniens stehe ich bei Umm Quais auf einem Hügel und schaue auf den See Genezareth. Wenn es dunkel wird, sieht man ein Lichtermeer im angrenzenden Israel, während wenige hundert Meter im Norden die Golanhöhen und somit Syrien liegen. Schaue ich weiter nach links, so grenzen dort die palästinensischen Gebiete an - ebenfalls dicht besiedelt. Es handelt sich um die verschiedenen Interessengruppen, die darum streiten wie hier das Wasser gerecht verteilt werden soll.
Nil, Jordan und Euphrat: Wem gehört das Wasser?Am schlimmsten trifft es derzeit die Palästinenser. Sie haben die schwächste Verhandlungsposition, in Wasserfragen hat Israel das letzte Wort. Und so haben viele Palästinenser keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, Brunnen dürfen sie keine bohren. In Jordanien ist das starke Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie der rasante Aufstieg der Hauptstadt Amman dafür verantwortlich, dass Wasser immer knapper und teurer wird.
Als sichtbares Resultat der immer intensiveren Nutzung des Jordanwassers sinkt der Wasserspiegel im Toten Meer, was sich nicht nur auf den örtlichen Badetourismus negativ auswirkt.
Ein gewagter und lang gehegter Plan soll Abhilfe schaffen: Da das Tote Meer bekanntlich unter dem Meeresspiegel liegt, will Jordanien mit der Hilfe Israels einen Kanal bauen, der das Rote mit dem Toten Meer verbindet. Ein Teil des zusätzlichen Wassers würde den Wasserspiegel des Toten Meeres wieder anheben, ein anderer Teil würde in einer großen Entsalzungsanlage verarbeitet und schließlich in die Wasserversorgung Jordaniens und Israels eingespeist werden. Zwei Probleme bleiben bestehen: Erstens wird die ökologische Katastrophe entlang des Jordans damit nicht aufgehalten, der Fluß bliebe das gleiche armselige Rinnsal, das er heute bereits ist (oder würde vollkommen verschwinden). Zweitens ist Israel noch nicht überzeugt, sich an dem Projekt zu beteiligen: Das Wasser aus der geplanten Entsalzungsanlage wäre deutlich teurer als Wasser, welches man heute schon aus einer eigenen Anlage bei Aschdod gewinnt. Die Lösung des Konflikts am Jordan liegt also immernoch in weiter Ferne.

Nil, Jordan und Euphrat: Wem gehört das Wasser?Weiter nördlich, in Damaskus, schlägt man sich mit noch einem weiteren Wasserkonflikt herum: Der Euphrat, wichtigster Fluss in Syrien und Grundlage für die örtliche Landwirtschaft und Wasserversorgung, ist umstritten zwischen Türken, Syrern und Irakern. Die Türken am Oberlauf haben den Fluß für ein großes politisches Projekt in Anspruch genommen: Die Entwicklung des rebellischen Ost-Anatoliens, der Heimat der Kurden. Zahlreiche Dämme und Wasserkanäle wurden errichtet, Land wurde urbar gemacht. Das größte Projekt war der Atatürk Staudamm, eröffnet 1992. Konsequenz ist, dass weniger und stärker belastetes Wasser über die Grenze nach Syrien gelangt, wo es erneut gestaut wird (der Assad-Stausee, wieder ein Politiker-Name) und ebenfalls intensiv genutzt und verschmutzt wird. Nur ein vergleichsweise kleiner Teil der ursprünglichen Wassermenge erreicht schließlich den Irak.

Auch in diesem Konflikt kündigt sich keine dauerhafte Lösung an. Und doch wäre die einfachste Lösung für alle drei Flußsysteme wahrscheinlich auch die naheliegendste: Wasser sparen. Das klingt in einer solch trockenen Region nur im ersten Augenblick zynisch. Die Landwirtschaft der beteiligten Ländern verschwendet Wasser in hohem Maße: In Ägypten wird es in offenen Kanälen über hunderte Kilometer durch trocken-heißes Klima transportiert - ein großer Teil verdunstet ungenutzt. In Israel werden Wasser-intensive Tomaten gezogen, die lediglich für den Export produziert werden und leicht durch weniger durstige Gewächse ersetzt werden könnten. Für alle beteiligten Staaten gilt, dass kaum Wasser gereinigt wird, da keine Kläranlagen existieren. Und natürlich will niemand mit dem Wassersparen anfangen, um die eigenen Ansprüche auf das kostbarste Gut der Region nicht zu gefährden.

Im Netz zum Thema:

- eine aktuelle Graphik zum Konflikt am Nil bei Guardian.co.uk.
- "mit offenen Karten" zum Jordan und den geplanten Kanal zum Toten Meer

Bilder (von oben nach unten):
Der Assuan-Hochdamm am Nil, verschmutzter Bewässerungskanal im Nil-Delta, die rasant wachsende Stadt Amman, Ausblick auf den See Genezareth. (alle eigene Bilder)


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