Nie wieder? Ein Kommentar

Gibt es das wirklich? Dieses Nie wieder? Eine Frage, die mir immer durch den Kopf ging, wenn ich die Parole irgendwo las. Richtig ist, dass viele, die Faschismus und Krieg miterleben mussten und die Generation, die danach kam und sah, welche Traumata und Verhaltensmuster das III. Reich bei denen verursacht hatte, die dabei waren, dass so etwas nie wieder passieren dürfte. Und die neue Gesellschaft, die im Westen den Namen Bundesrepublik trug, die bockte erst gewaltig, weil viele, die den ganzen Schlamassel mit verursacht hatten, plötzlich wieder irgendwo in Amt und Würden ihr Unwesen trieben. Im Osten war das anders, das hieß der Staat demokratisch, und ehemalige Faschisten hatten da wohl keine Chance. Vielleicht sollte da das Problem werden, dass der Faschismus immer die anderen waren und die Psychologie der Muster nie interessierte.

NieWieder_Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM)_pixelio.de

Nie wieder? – Foto: © Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM) / pixelio.de

Im Westen jedenfalls rebellierten irgendwann die Nachkommen und das Nie wieder! erschallte überall. Der Geist und die Werte der West-Republik wurden über Jahrzehnte durch diese Rebellion geprägt, der Staat strengte sich richtig an, um die Wurzeln dessen, was die Nation in so große Verwerfungen gebracht hatte, auszureißen. In den Lehrplänen aller Schulen wurden die Vergangenheit und die demokratische Verfassung und seine demokratischen Organe zu einem festen Bestandteil. Die Forschung befasste sich damit und es wurden gesellschaftlich politisch tiefgreifende Diskussionen über den Staat geführt. Für das Militär existierte ein Konzept, das sich Bürger in Uniform nannte, Ordnungsämter wurden zu Bürgerdiensten und bis zu einem gewissen Zeitpunkt konnten junge Generationen es kaum noch erwarten, dass sie wählen durften.

Vielleicht, ja vielleicht war die Stunde, die die Deutschen pflichtgemäß als die glücklichste nach dem Krieg in ihr nationales Journal schrieben, die Wiedervereinigung mit den Brüdern und Schwestern im Osten, das Datum, mit dem das politische Bewusstsein im ganzen Land erodierte. Vielleicht war das kollektive Gefühl, sich nun nicht mehr um Politik kümmern zu müssen, die Ursache dafür, dass alles, was einmal diese Bewegung des Nie wieder! so gewaltig gemacht hatte, plötzlich klein und häßlich erschien.

>>Nichts musste mehr erkämpft werden. Ja, es brach eine Zeit an, in der das Risiko, sich politisch zu engagieren, ganz aus dem Leben schwand. Genau: das Risiko, sich zu engagieren, schafft nämlich die Kraft der Durchsetzung. Diejenigen, die in diesen unriskanten Zeiten kometenhafte politische Karrieren machten, sind jetzt die, die alles machen, was ihnen gesagt wird.<<

Es war ein längerer Zeitraum, aber für eine Nation nur ein Moment von der Dauer eines Augenaufschlags, in der die Chance auf eine politisch hoffnungsvolle Zukunft verspielt wurde. Die Gesellschaft war sich selbst genug, sie stritt über Ernährungsgewohnheiten, und das selbst noch zu Zeiten, als bereits deutsche Bomberpiloten auf Belgrad zusteuerten, sie stritt über Windmühlen, als deutsche Panzer vor dem Hindukusch aufrollten. Die Liste dessen, was nur noch beschämen kann, sie ist lang. In den letzten Wochen, als allerorten Veranstaltungen zur Solidarität mit den Terror-Opfern in Paris abgehalten wurden, standen die Protagonisten von einst mit Kerzen in der Hand im Dunkeln und sangen unter anderem die deutsche Nationalhymne, direkt nach der Marseillaise. Ein besseres Bild für den Niedergang gibt es nicht. Frei nach Jakob van Hoddis könnte es heißen: Bald sind Tornados in der Luft, und Eisenbahnen fallen von den Brücken”. Nie Wieder? Macht euch nicht lächerlich!

von Gerhard Mersmann

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Quellen – weiterführende Links

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