Nahost: Die Hoffnung liegt bei den Jungen

Nahost: Die Hoffnung liegt bei den Jungenvon Vera Bunse

Viele verfolgen gerade jetzt mit Spannung und Bangen die Bestrebungen im Nahen Osten, die rigorosen Langzeit-Alleinherrscher abzusetzen. Das Schlagwort Demokratie macht die Runde, und man würde gerne glauben, daß diese – vorausgesetzt, die Protestierenden setzen sich durch – am Ende der Kämpfe steht.

Das aber ist gar nicht so sicher.

In Tunesien mag das einigermaßen aussichtsreich sein. Dort sind junge, gebildete und gut ausgebildete Menschen mit wenig Zukunftschancen auf die Straße gegangen, um für ein besseres Leben und Auskommen zu kämpfen. Die Voraussetzungen für eine Regierungsmitbestimmung sind gut, weil sich genügend Menschen finden dürften, die in der Lage sind, Ämter zu bekleiden und Gremien vorzusitzen bzw. zu bilden. Die Schwierigkeit liegt dort eher im Nichtvorhandensein gewachsener demokratischer Strukturen, die nach der langen Unterdrückung und dem Verbot jeglicher kritischer Meinungsäusserung erst aufgebaut werden müssen.

In Ägypten dagegen ist der grösste Teil der Bevölkerung zwar auch jung, aber weit weniger gut ausgebildet. Die Bevölkerung ist bei einer sehr hohen Geburtenrate zahlreicher und lebt überwiegend abseits der Bildungsmöglichkeiten auf dem Land. Traditionelle Familienstrukturen sind noch gang und gäbe, Armut ist weit verbreitet, und so ist dieser Aufstand zum großen Teil auch ein Brot-Aufstand.

Das Hauptproblem dürften aber die islamistischen Kräfte sein, die nichts weniger als einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild wollen. Niemand behauptet zwar, Islam und Demokratie gingen nicht zusammen, aber bei radikalen Gruppierungen wie den mächtigen Muslimbrüdern ist diese Möglichkeit äusserst unwahrscheinlich. Nach einem ähnlichen Programm wie die Hamas im Gazastreifen gewinnen sie Unterstützung, indem sie die Armen mit dem Lebensnotwendigen versorgen.

Hinzu kommen 30 Jahre, die Mubarak Zeit hatte, mit tätiger und finanzieller Hilfe des Westens eine Überwachungsarchitektur aufzubauen. Daß sie wirksam greift, hat sich gestern Nacht gezeigt – das Internet und beinahe alle Kommunikationsmöglichkeiten nach aussen wurden abgeschaltet. Lediglich ein ISP, Noor Data Networks, blieb online, um eine Art Notversorgung für die Wirtschaft zu gewährleisten.

Da heute islamischer Sonntag ist, mag die Regierung sich gedacht haben, bis die Börsen wieder eröffnen, haben wir die Proteste im Griff. Ob sie Recht hatte, werden die nächsten Stunden und Tage erweisen. Sie werden lang.

[Erstveröffentlichung: "...Kaffee bei mir"]


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