Für viele Arbeitnehmer steigt die psychische Belastung am Arbeitsplatz. Der Begriff Mobbing ist im Arbeitsrecht häufig im Gebrauch und spielt im täglichen Arbeitsleben eine erhebliche Rolle. Es gibt nicht wenige Arbeitnehmer, die meinen durch Arbeitskollegen oder durch den Chef am Arbeitsplatz gemobbt zu werden. Lang anhaltendes Mobbing führt in der Regel dazu, dass der Arbeitnehmer meist für einen erheblichen Zeitraum krankgeschrieben wird und seine Arbeitskraft von daher dem Betrieb nicht mehr zur Verfügung steht. Hier stellt sich unter Umständen die Frage, ob eine Berufskrankheit vorliegt oder der Fall des Mobbings so zu behandeln ist, wie zum Beispiel, ein Arbeitsunfall.
Das Hessische Landessozialgericht (Beschluss vom 23.10.2012 – L 3 U 199/11) hat nun am 23.10.2012 entschieden, dass Mobbing weder, wie ein Arbeitsunfall zu behandeln ist mit den entsprechenden Folgen, noch eine Berufskrankheit darstellt.
Die wegen Mobbing arbeitsunfähige Klägerin begehrte von der gesetzlichen Unfallversicherung die Entschädigung von psychischen Erkrankungen infolge Mobbings am Arbeitsplatz als Arbeitsunfallfolgen oder Folgen einer Berufskrankheit.
Das Sozialgericht wies mittels Gerichtsbescheid die Klage ab, die Klägerin erhob dagegen Berufung und verlor auch die zweite Instanz vor dem Hessischen Landessozialgericht.
Das Hessische Landessozialgericht führt dazu aus:
Das Sozialgericht hat bereits dargelegt, dass weder das Mobbing als berufsbedingte Einwirkung und Ursache für Erkrankungen noch bestimmte psychische Erkrankungen als Berufserkrankungen in der maßgeblichen Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie deren Anlage aufgelistet sind. Da es sich folglich nicht um eine Listen-Erkrankung handelt, kommt die Feststellung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII schon nicht in Betracht.
Mobbing am Arbeitsplatz und seine gesundheitlichen Folgen können auch nicht nach § 9 Abs. 2 SGB VII „Wie“ eine Berufskrankheit anerkannt werden. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen liegen, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht vor. Denn es gibt keine Erkenntnisse, dass eine Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grade als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt ist. Mobbing kommt in allen Berufsgruppen und auch im privaten Umfeld, z.B. unter Nachbarn und Bekannten, vor. Der Senat sieht insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Beklagte hat nicht entschieden, ob der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls erfüllt. Ob ein Arbeitsunfall vorgelegten hat, ist deshalb, wie das Sozialgericht festgestellt hat, nicht Gegenstand der Klage (vgl. § 95 SGG).
Die Beklagte wäre jedoch auch nicht verpflichtet gewesen, die bei der Klägerin wegen eines Mobbing am Arbeitsplatz diagnostizierten psychischen Erkrankungen als Arbeitsunfallfolgen festzustellen. Denn der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wesentlich für den Begriff des Unfalls sind danach das äußere Ereignis als Ursache und eine Körperschädigung als Wirkung. Die Körperschädigung kann durch körperlich gegenständliche Einwirkung aber auch durch geistig-seelische Einwirkung in einem begrenzten Zeitraum verursacht sein (BSGE 18, 173, 175, 61, 113, 116; 94, 279, 269, 271; BSG in SozR 3-2200 § 539 Reichsversicherungsordnung – RVO – Nr. 39). In Abgrenzung zur Berufskrankheit ist die schädigende Einwirkung beim Arbeitsunfall zeitlich begrenzt, höchstens auf die Dauer einer Arbeitsschicht. Schäden durch wiederholte, auf mehrere Arbeitsschichten verteilte Einwirkungen sind nur dann Folge eines Unfalles, wenn sich eine einzelne Einwirkung derart aus der Gesamtheit hervorhebt, dass sie nicht nur als letzte von mehreren für den Erfolg gleichwertigen Ursachen erscheint (Urteil des Senats vom 28. Juni 2011 – L 3 U 30/08 – sowie Urteile des LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1974, 843 sowie 2002, 435, 438; BSG in Sozialgerichtsbarkeit 1981, 484, 485). Schädigungen, die durch eine Häufung kleinerer Einwirkungen, die nicht auf eine Arbeitsschicht begrenzt sind, hervorgerufen werden, so dass erst durch ihre Summierung der Schaden entsteht, z.B. kleinere Gewalteinwirkungen über einen längeren Zeitraum, erfüllen nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls (vgl. Wagner in: Juris PK – SGB VII, § 8 Rdnr. 113). Schon aufgrund der von dem Sozialgericht zutreffend wiedergegebenen Begriffsbestimmungen des Mobbings sind die Merkmale eines Arbeitsunfalls regelmäßig nicht erfüllt. Die Besonderheit der als Mobbing bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen – der fortgesetzten, aufeinander aufbauenden oder ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienenden Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen (so die Definition des Thüringer Arbeitsgerichts im Urteil vom 15. Februar 2001 – 5 Fa 102/00 – LAGE BGB § 626 Nr. 133) – liegt darin, dass nicht einzelne, abgrenzbare Handlungen, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers führen kann (vgl. in Juris: Urteil des Senats vom 28. Juni 2011 – L 3 U 30/08 – m.w.N.). Auch im Falle der Klägerin wirkte sich eine Summe von einzelnen Ereignissen, z.B. das fortgesetzte Meiden ihrer Person durch andere Mitarbeiter, schädigend auf den Gesundheitszustand der Klägerin aus. Das „in die Welt setzen von Gerüchten“, auch wenn dies in einem einmaligen Akt geschehen ist, erfüllt nicht den Tatbestand eines Arbeitsunfalls. Denn durch diese Handlung erfolgte keine Einwirkung „von außen auf den Körper“ der Klägerin, weil die Klägerin nicht anwesend war als Gerüchte über sie „in die Welt gesetzt“ wurden, auch hatte sie in diesem Moment keine Kenntnis von dieser Handlung.
A. Martin