„Ich verfolge Ihre Fallberichte schon sehr lange“, erzählt die neue Klientin in meinem 3-h-Coaching, das wegen der Corona-Krise online per Skype stattfand. Was in diesem Fall überhaupt ein Coaching ermöglichte, denn sie hätte aus der Schweiz nicht ausreisen dürfen, um nach Heidelberg zu kommen.
„Immer wieder dachte ich daran, ob mir so ein Coaching nicht auch helfen würde, verwarf es dann aber wieder. ‚Es geht dir doch gut‘ redete ich mir ein. Aber jetzt wurde es so offensichtlich, dass ich in etwas Altem feststecke, dass ich doch Ihre Hilfe brauche.“
Die meisten meiner Coaching-Klienten kennen mich schon seit Jahren. Meist nicht persönlich, sondern durch die „Sonntagsperlen“, meinen wöchentlichen Newsletter oder durch die Blogbeiträge oder Podcasts, die ich seit fünfzehn Jahre hier veröffentliche.
Doch die meisten Menschen haben eine hohe Anpassungsbereitschaft, sich mit äußeren und vor allem inneren Beschränkungen abzufinden, anstatt nach neuen Wegen zu suchen – und sie dann auch entschlossen zu gehen. Mit Metaphern wie „Nicht genug Leidensdruck“ oder der abwertenden Bemerkung „Jammern auf hohem Niveau“ sabotieren sie mitunter wichtige Lebensziele.
Aber die Gründe, die Menschen hindern, ihren Lebenstraum zu erfüllen oder ein besseres oder erfüllteres Leben zu führen, sind meist nicht Bequemlichkeit oder zu hohe Ansprüche, sondern liegen ganz woanders. Und so kommen dann einige von ihnen in mein Coaching, in dem ich ja verspreche: „Wir finden die Lösung dort, wo Sie noch nie gesucht haben.“
„Was hat die Corona-Krise denn mit Ihrem Lebenstraum zu tun?“ fragte ich Helga B, 54 Jahre, Geschäftsfrau.
„Ich habe ein gutgehendes Blumengeschäft im Zentrum, das jetzt schon die vierte Woche geschlossen ist wegen dem Virus. Finanziell trifft mich das weniger, denn ich lebe vor allem von den Einnahmen von drei Mietshäusern, die mir mein Vater vererbt hat.“
„Dann können Sie ja die weitere Entwicklung ruhig abwarten“, vermutete ich.
„Ja, könnte ich. Aber ich bin trotzdem ganz unruhig. Ich lebe allein mit meiner Katze, mein Sohn ist erwachsen, ich habe jede Menge Zeit – und könnte jetzt in der Corona-Krise endlich meinen Lebenstraum realisieren. Stattdessen tigere ich unruhig in der Wohnung umher, hadere mit mir und fühle mich gefangen.“
Die gegenwärtige Situation im April 2020 ist für die meisten Menschen eine starke Belastung. Existenzängste, ungewohnte Nähe mit Partner und Kindern, Langeweile und die Angst, sich auch irgendwo zu infizieren, treiben Menschen um. Sorgen für Stress, schlechten Schlaf, häufige Streitereien, Resignation oder Rebellion.
Doch all dies betraf Helga B. nicht. Sie hatte keine finanziellen Sorgen und lebte offensichtlich ganz gut in ihrer großen Altbauwohnung.
„Was ist denn Ihr Lebenstraum, den Sie durch Corona jetzt möglich machen könnten?“, fragte ich Helga B.
Die Klientin antwortete nicht gleich und bekam einen träumerischen Gesichtsaudruck.
„Ich wollte schon immer als Malerin leben. Habe mir sogar vor Jahren ein Atelier gemietet, wo ich an Wochenenden manchmal male. Aber der Blumenladen ist an sechs Tagen geöffnet, und ich habe keine Angestellten, da fehlt mir oft die Kraft, danach noch was anderes zu machen.“
„Aber jetzt müssen Sie Ihren Laden geschlossen halten und haben ganz viel Zeit zum Malen“, fragte ich.
„Theoretisch schon, aber ich male noch seltener als früher.“
„Wie das?“, wunderte ich mich.
„Das ist es ja, warum ich jetzt das Coaching mit Ihnen wollte. Ich kann nicht. Ich nehme mir morgens beim Frühstück vor, dass ich heute den ganzen Tag frei habe und danach ins Atelier gehen werde, um zu malen.“
„Aber irgendwie klappt das dann nicht“, ahnte ich.
„Genau. Nach dem Frühstück bezahle ich noch ein paar Rechnungen und dabei fällt mir auf, wie viel Unordnung auf meinem Schreibtisch ist. Also fang ich an, aufzuräumen und abzuheften. Dann fällt mir ein, dass ich schon eine Woche lang das Bad nicht geputzt habe und erledige das noch schnell. Zwischendurch telefoniere ich noch mit ein paar Bekannten, die ich lange nicht angerufen habe. Und nachmittags sitze ich dann erschöpft, nachdem ich mir noch was gekocht habe bei meinem Espresso und frage mich, warum ich nicht nach dem Frühstück ins Atelier zum Malen gegangen bin, was ich doch ganz fest vorhatte.“
Wenn der Lebenstraum durch ein Lebensthema gehemmt wird.
Die wichtigsten Lebensthemen werden in den ersten zehn bis zwölf Lebensjahren geprägt. Denn hier sind wir von vielen Menschen abhängig (Eltern, Geschwister, Lehrern, Mitschülern etc.) und wir haben täglich mit ihnen zu tun. Und entwickeln Phantasien, wie wir sind oder sein müssen. Gleichzeitig entwickeln wir Strategien, um das Gefühl zu haben, geliebt zu werden und um schwierige Situationen zu meistern.
Die meisten Menschen haben mehrere Lebensthemen, die sich manchmal auch auf ungute Weise ergänzen. Die wichtigsten habe ich hier zusammengefasst.
Wenn wir als Erwachsener mit einer Situation unzufrieden sind und sie ändern möchten, besorgen wir uns die nötige Information dafür, wie man das ändern kann – und tun es. Jeder kennt solche Situationen, wo das gut klappt.
Aber es gibt auch andere Situation, wo diese logische Vorgehensweise nicht zu funktionieren scheint:
- Sie wollen abnehmen, fit werden, aufräumen – und halten sich nicht an Ihren Plan.
- Sie sind unzufrieden mit Ihrer Jobsituation, nehmen sich vor, mit Ihrem Chef zu sprechen oder sich woanders zu bewerben – und haben viele Ausreden, warum das doch nichts bringt.
- Sie haben einen Lebenstraum, kümmern sich aber nicht um die Realisierung, wollen ihn aber auch nicht begraben.
Solche Verhaltensweisen haben meist nichts damit zu tun, dass Sie zu wenig Zeit haben, zu bequem sind oder nicht einfallsreich oder klug genug sind.
Sondern irgendetwas scheint Sie zu hemmen. Eine unbewusste Kraft, die Sie zurückhält. Ein seltsames Gefühl, das Ihnen immer wieder andere Aufgaben als wichtiger erscheinen lässt.
Nach meiner Erfahrung steckt dahinter meist ein unbewusster Konflikt. „Selbstsabotage ist mein größter Feind!“, nannte es mal ein Coaching-Klient. Und das gilt genau genommen für jeden, der mit einem unbewussten Lebensthema ringt. Wir sehen die negativen Konsequenzen unseres Nicht-Tuns, können uns aber nicht vorstellen, welche verborgene Funktion dieses Verhalten hat.
Darf man den Lebenstraum des Großvaters begraben?
„Habe ich das richtig verstanden, dass Sie eigentlich von den Mieteinnahmen Ihrer drei Häuser leben und den Blumenladen so als Hobby betreiben?“
„Das ist kein Hobby!“, antwortete Helga B. empört. „Der Handel mit Blumen ist bei uns eine Familientradition. Mein Großvater schmückte schon Trauerhallen und Gräber mit Kränzen und wunderschönen Blumengebinden. Mein Vater gründete dann diesen Blumenladen und belieferte die prominentesten Familien der Stadt. Früher hatte ich sechs Angestellte, aber seit meiner Erkrankung habe ich sehr verkleinert und führe das Geschäft allein.“
„Das heißt, wenn Sie jetzt den Laden schließen würden, könnten Sie gut leben und sich ganz Ihrem Lebenstraum Malerin zuwenden?“, bohrte ich nochmal nach.
„Theoretisch schon. Ich habe das auch schon x-mal im Kopf durchgespielt. Ich wäre auch eine gute Malerin. Habe schon mehrere Ausstellungen gehabt, Preise gewonnen, mein Galerist drängt mich immer wieder, doch den Laden aufzugeben und mich ganz der Malerei zu widmen.“‚
„Und wie halten Sie sich davon ab?“, fragte ich nach.
Wenn man sich mit Veränderung beschäftigt, egal ob bei sich selbst oder bei anderen, ist es hilfreich, anzunehmen, dass wir dazu einen aktiven Teil beitragen.
Deshalb lautete meine Frage an die Klientin nicht: „Was hält Sie davon ab?“ Denn vermutlich hätte sie dann geantwortet: „Eigentlich nichts.“
Die kleine Umformulierung zu „Und wie halten Sie sich davon ab?“ soll die Klientin zur Selbstexploration einladen. Konkret soll sie untersuchen, mit welchen Gedanken und Gefühlen sie verhindert, jetzt in ihrer freien Zeit sich dem Malen zuzuwenden.
„Ich glaube, wenn ich mich jetzt ganz dem Malen widmen würde, käme ich mir irgendwie schäbig vor. Viele meiner Freunde und Bekannten haben in der aktuellen Krise Existenzängste, weil sie auch selbständig sind oder ihnen als Freiberufler sämtliche Aufträge wegbrechen. Andere sind seit Wochen mit ihren Kindern zu Hause eingesperrt, betreiben Homeschooling und sind genervt oder angestrengt. Und da soll ich einfach in mein Atelier verschwinden und meiner Leidenschaft frönen?“
„Warum denn nicht? Sie könnten natürlich auch in Ihr kantonales Flüchtlingszentrum gehen und dort Ihre Hilfe anbieten“, war mein provokanter Vorschlag. „Stattdessen verplempern Sie lieber zu Hause Ihre Zeit mit anderen Tätigkeiten wie Aufräumen oder Putzen, die Sie auch nicht mögen. Hauptsache, Sie vermeiden das, was Sie eigentlich am liebsten machen: nämlich malen!“
Obwohl mein Coachingstil meistens gewaltlos und verständnisvoll ist, greife ich manchmal bewusst zum Mittel der Provokation. Vor allem dann, wenn ich etwas sehr deutlich machen will. Das kann schiefgehen, wenn der Klient sich angegriffen oder verletzt fühlt. Dann rudere ich sofort zurück und entschuldige mich.
Doch bei Helga B. ging es gut.
„Sie haben Recht, ich verplempere meine Zeit. Nicht nur seit Corona. All die Jahre davor eigentlich auch schon. Ich habe zwar den grünen Daumen meines Vaters geerbt und die Kunden sind immer wieder begeistert über meine Blumenarrangements, aber mir selbst bedeutet die Arbeit mit den Blumen gar nicht so viel. Es berührt mich nicht wirklich. Für mich ist es ein Handwerk.“
Wie man den inneren Konflikt aufspürt.
Warum tun Menschen wie meine Klientin immer wieder das Gleiche und bekommen immer wieder das gleiche unbefriedigende Ergebnis? Und halten trotzdem an ihrem Verhalten fest.
Wir leben ja in einer Kultur, in der wir glauben, dass Menschen sich überwiegend rational abwägend verhalten und entscheiden. Die Wahrheit ist für unseren Verstand leider kränkend: Das meiste, was wir tun, geschieht komplett unbewusst. Unser Verhalten ist stattdessen oft getrieben von Ängsten, dem Wunsch geliebt zu werden und möglichst gut dazustehen.
„Das mache ich aber unbewusst!“, weiß der aufgeklärte Laie, wenn man ein seltsames Verhalten bei ihm hinterfragt. Aber was ist damit genau gemeint?
Nun, das Unbewusste manifestiert sich in der Wiederholung von Erfahrungen. Einfach, weil unser Gehirn immer Energie sparen will und gewohnte Routinen verbrauchen weniger Energie als das Ausprobieren und mögliche Scheitern neuer Verhaltensweisen.
Bei Gabriel Rolón las ich mal: „Alle Dinge, die in unserem Leben passieren, sind an das Unbewusste gebunden. Dies liegt daran, dass es vor allem die Matrix unserer Wiederholungen ist, seien diese gesund oder nicht.“
Den verborgenen Sinn, also den Versuch des Klienten mit seinem Verhalten den unbewussten inneren Konflikt zu lösen, will ich im 3-h-Coaching aufdecken. Da dieser dem Klienten unbewusst ist, kann ich ihn nicht einfach danach fragen („Sagen Sie mal, warum machen Sie das eigentlich so?“)
Ich brauche stattdessen zwei Dinge:
- Eine Hypothese über die verborgene Funktion des Verhaltens des Klienten.
- Eine Technik, mit der der Klient emotional erlebt, was genau sein Konflikt ist.
Meine Hypothese bei Helga M. war, dass sie aus unbewusster Loyalität zu Vater und Großvater glaubte, die Familientradition in Form des Blumengeschäfts unter allen Umständen fortführen zu müssen. Und dafür ihre Leidenschaft, als Malerin zu leben, opfern musste. Also nicht ihr Leben zu führen, sondern das Leben, von dem sie glaubte, dass es ihrem Vater und Großvater gefallen würde.
Dieser ganze Prozess lief innerlich aber völlig unbewusst ab, deshalb schob sie ihren Entschluss, heute ins Atelier zu gehen immer wieder auf, indem ihr dringendere lästige Aufgaben einfielen.
Genug der theoretischen Überlegungen. Kommen wir zur praktischen Umsetzung. Ich bat die Klientin, es sich bequem zu machen und die Augen zu schließen. Nur im veränderten Bewusstseinszustand der „Inneren Achtsamkeit“ kann die Klientin beobachten, was an inneren Reaktionen in ihr abläuft, wenn wir den inneren Konflikt ins Visier nehmen.
Nachdem Helga B. durch ein Kopfnicken bestätigt hatte, dass sie bereit für das Experiment war, beugte ich mich etwas zu ihr:
»Ich bitte Sie, mal den Satz zu sagen: Mein Leben gehört mir.«
Hätte die Klientin diesen Satz im Alltagsbewusstsein gesagt, wäre ihre Reaktion wohl gewesen: „Stimmt!“ Doch mit der durch ihre Achtsamkeit geschärfte Wahrnehmung konnte sie etwas anderes wahrnehmen.
„Ich kriegte plötzlich Angst, als ich den Satz gesagt hatte. Das Herz klopfte mir bis zum Hals und mein Bauch krampfte sich zusammen.“
Die Sätze, die ich wähle, sind fast immer positiv formuliert, sie sind „wahr“ oder beschreiben eine Tatsache. Sie sind also nicht zu verwechseln mit Affirmationen. Falsch wäre es also in diesem Zusammenhang, der Klientin Sätze vorzuschlagen wie:
- „Ich lebe meinen Traum.“
- „Ich will endlich als Malerin leben.“
- „Ich wähle das Leben, das ich will.“
- „Ich höre auf mit dem Blumenladen.“
Das sind Absichtserklärungen oder Wünsche, die wenig hilfreich sind, weil man an sie glauben muss.
Im 3-h-Coaching wollen wir dagegen herausfinden, wie die Klientin sich bisher unbewusst daran hindert, als Malerin zu leben. Wir zielen auf den inneren Konflikt und ein emotionales Verstehen, welchen „Nutzen“ sie davon hat, ihren Lebenstraum nicht zu leben. So schmerzhaft das auch bis jetzt war.
Und Helga B. verstand plötzlich den inneren Zusammenhang.
„Mein Vater wollte eigentlich auch kein Blumenhändler werden, sondern träumte schon als Jugendlicher davon, Architekt zu werden. Doch der Krieg machte diese Pläne zunichte. Als er meine Mutter kennenlernte und ich bald darauf geboren wurde, musste er Geld verdienen und stieg in das Friedhofsblumengeschäft meines Großvaters ein. Der brauchte Entlastung und jemanden, dem er vertrauen konnte und mein Vater hatte so ein gutes Auskommen für unsere kleine Familie.“
„Aber mit dem Blumengeschäft hat Ihr Vater nicht drei Mietshäuser erworben?“, fragte ich zweifelnd nach.
„Nein, die kamen aus der reichen Familie meiner Mutter, die aber früh an Krebs starb.“
„Das heißt, keiner in Ihrer Familie hatte so richtig Glück im Leben. Alle mussten sich den Notwendigkeiten des Lebens beugen.“
Sein Leben ändern kann man nur, wenn es einem gehört.
Und zwar gefühlsmäßig, nicht rational. Die Reaktion von Helga B. auf das Experiment mit dem Satz „Mein Leben gehört mir“ war Angst. Eine solche gefühlsmäßige Ablehnung des positiven Satzes ist immer der Hinweis, dass der Satz ein Lebensthema berührt.
In meinen 3-h-Coachings arbeite ich öfters mit diesem speziellen Satz, weil die Frage, wem das eigene Leben gehört und was das bedeutet, für viele Klienten ein schwieriges Thema ist.
- Manche Klienten spüren als Reaktion auf den Satz einen unangenehmen Druck auf den Schultern oder der Brust. Frage ich nach, was für eine Art Druck das sein könnte, kommen Antworten wie: „Stimmt ja, mein Leben gehört ja mir. Aber dann muss ich ja auch was Richtiges daraus machen. Aber was ist denn das Richtige?“
- Andere fangen als Reaktion auf den Satz an, höhnisch zu lachen. “
Mein Leben gehört mir? Daß ich nicht lache!“
Auf meine Nachfrage, wem ihr Leben denn gehöre, wenn nicht ihnen, sagen sie: „Zuerst gehört es mal der Firma, dann der Familie, dann den Schwiegereltern, dann dem Verein … und wenn dann noch etwas übrig sein sollte, das gehört dann mir.“
„Was meinen Sie, wann gehört Ihnen denn Ihr Leben?“ fragte ich Helga B.
„Schwer zu sagen“, antwortete sie. „Eigentlich gehört es mir ja.“
„Aber nur eigentlich“, gab ich zu bedenken.
Intelligente Fragen sind ein wichtiges Werkzeug im Coaching. Eine intelligente Frage erkennt man daran, dass der Klient nicht gleich mit einer Antwort reagiert. Einfach weil der die Antwort noch nicht kennt und erst überlegen muss.
„Woran würden Sie denn merken, dass Ihr Leben Ihnen gehört?“
„Gute Frage … keine Ahnung. Vielleicht wenn mir jemand die Erlaubnis gibt, dass mein Leben wirklich mir gehört.“
Ich probierte es noch einmal mit einer Provokation. In der Hoffnung, dass sich dadurch der Konfliktknoten bei Helga B. etwas lockerte.
„Sie warten mit 54 Jahren auf eine Erlaubnis, dass Ihr Leben Ihnen gehört? Wer sollte Ihnen diese Erlaubnis denn geben?“
„Vielleicht mein Vater … oder mein Großvater? Oder Gott?“
„Sie warten also auf die Erlaubnis von drei alten weißen Männern, dass Ihr Leben Ihnen gehört?“
„Hmm, zwei davon sind tot und an die Existenz des dritten glaube ich nicht so recht“, antwortete die Klientin etwas ratlos.
„Dann bleiben ja nur noch Sie übrig“, gab ich zu bedenken.
„Sie meinen, ich kann mir selbst die Erlaubnis geben, dass mein Leben mir gehört.“
„Ich denke schon, Sie sind ja bisher auch die Einzige, die Ihnen diese Erlaubnis verweigert hat.“
Dei drei Stunden des Online-Coachings waren um. Es war anstrengend gewesen, das sah ich Helga B. an. Und auch mich hatte die Konzentration nur auf den Bildschirm Kraft gekostet. Aber ich hatte ein gutes Gefühl, weil ich den Eindruck hatte, dass Helga B. mit ihrem wesentlichen inneren Konflikt gefühlsmäßig in Kontakt gekommen war.
Alles Weitere lag jetzt in der Verantwortung der Klientin.
Drei Tage später bekam ich eine Mail von Helga B. Sie sei noch am Abend in ihr Atelier gefahren und habe die ganze Nacht dort gemalt. Das habe sie auch die nächsten beiden Tage so gemacht. Jetzt sei sie völlig erschöpft aber glücklich.
Ein guter Anfang, fand ich.
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