Frauenhäuser gibt es in jeder Stadt. Der Bedarf, so erfährt man bei Beratungsstellen, sei kaum zu befriedigen. Nach Männerhäusern recherchiert man länger. Eines befindet sich in Berlin, ein weiteres steht abgelegen im schönen Havelland in Brandenburg. Dort finden Männer Unterschlupf, die Opfer häuslicher Gewalt wurden.
Klingt unglaubwürdig? Lässt dieses Kribbel im Bauch entstehen, dass sich gleich in lautem Lachen entladen wird? Dieses könnte jedoch spätestens dann im Hals steckenbleiben, wenn man erfährt, dass das Klischee des gewalttätigen Ehemanns erwiesenermaßen falsch ist. Immerhin bereits von 1975 datiert eine Studie einer Koriphäe der empirischen Gewaltforschung, Murray L. Straus, der damals eigentlich nur herausfinden wollte, wie groß das Übergewicht männlicher Gewalttätigkeit gegenüber ihren Frauen und Kindern ist. Das Ergebnis überraschte: 12 Prozent der Männer und 11,6 Prozent der Frauen neigten zur handfesten Konfliktbearbeitung. Schwer gewalttätig waren 4,6 Prozent der Frauen und 3,8 Prozent der Männer. Mehr als 200 Studien bestätigten seitdem, was Straus noch niemand wirklich glauben wollte. Und die Zahlen wurden größer.
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Alle Studien (Beispiel) belegen, dass nicht nur Männer nach oder statt Worten die Fäuste sprechen lassen, mit Gegenständen werfen, heiße Flüssigkeiten über ihren Opfern entleeren, sie schubsen oder treten – und das gehört zu den leichteren Gewalttätigkeiten. Als schwere bezeichnet man Messerattacken, (Faust)Schläge oder Würgen mit der Absicht, den anderen körperlich zu verletzen. Auch hier sind Frauen nicht seltener am Werk als Männer. In fast 24 Prozent aller Beziehungen kommt es zu einer dieser Formen von Gewalt, wie das Center for Disease Control and Prevention in Atlanta 2007 herausfand. In der Hälfte der Fälle wird einseitig handgreiflich vorgegangen – und 70 Prozent dieser Angriffe gehen dabei von Frauen aus. In der anderen Hälfte gehen beide Partner gleichermaßen aufeinander los.
Warum lösen Menschen ihre Konflikte mit körperlichen Mitteln? Welche Konflikte sorgen überhaupt für derartiges Gewaltpotenzial? Die Bandbreite beginnt bei allgemeinem Ärger, geht über Eifersucht und Kränkung bis zur Missachtung und Untreue. Es kann um Schamgefühl gehen oder um Autoritätsverluste vor den Kindern, um nicht erfüllte sexuelle Bedürfnisse, nicht befolgte Anordnungen oder schlicht um das Fehlen von Gesprächsbereitschaft oder -fähigkeit. Einer der großen Risikofaktoren ist jedoch Dominanz. Reine Macht, notfalls gewaltsam durchgesetzt, ist dabei bei Männern und Frauen gleich stark gewichtet. Hierunter leiden vor allem Kinder, deren Mütter öfter zum Mittel der körperlichen, teilweise schweren Züchtigung greifen als die Väter. Dabei ist, Psychologen zufolge, das Argument, dass Frauen mit Kindern mehr Zeit verbingen als Männer und deshalb auch mehr Handlungsbedarf sehen, falsch. Mütter delegieren noch heute Bestrafungsaktionen an die Väter. Kommen diese ihrer Aufgabe nicht nach, kann sich der Frust über den vermeintlich missratenen Nachwuchs durchaus an ihm entladen.
Gewaltbereitschaft ist also kein männliches Attribut. Es ist – menschlich.