Manchmal hört man, dass jemand sagt: „Diese Person lebt als wäre sie schon tot.“ Ab und zu hat man tatsächlich das Gefühl, dass jemand wirklich nur auf Sparflamme lebt, dass er das Leben nicht ergreift, sondern es nur abspult. Man fragt sich dann unwillkürlich: wie intensiv lebe ich selber?
Bei manchen religiösen Gruppen heißt es, das Leben sei ein Geschenk, wir sollen es begeistert annehmen. Bei solchen Aussagen überlege ich mir: Erlebe ich es auch als Geschenk? Ist es mir noch bewusst, wie gut das Leben eigentlich ist?
Andere leiten aus Ihrer Religion eine Geringschätzung des Lebens ab und sind bereit, es aufzugeben – natürlich für ein entsprechendes jenseitiges (andersartiges) Leben. Nun studiere ich: Gibt es Dinge oder Werte, für die ich mein Leben aufopfern würde? Und wie müsste die jenseitige Prämie aussehen, damit ich mich allenfalls dazu überwinde?
Viele indische Sadhus lehren, dass sie bereits tot seien – deshalb könne man sie nicht mehr töten. Sie beziehen sich dabei darauf, dass sie alle Fesseln und Bindungen an dieses irdische Leben abgelegt haben. Da komme ich ins Grübeln: habe ich noch solche Fesseln? Nehme ich sie vielleicht nicht wahr? Und wie würde sich mein Leben ändern, wenn ich komplett davon befreit wäre?
Vom Apostel Paulus ist aus einem biblischen Brief der Satz überliefert: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2,20). Oh, sein Körper ist also eine Hülle für die Gottheit. Ich versuche mir vorzustellen wie es ist, wenn das eigene Ich nicht mehr relevant ist, wenn alles was ich tue, eine Gottheit tut. Ich könnte dann ganz bescheiden sein, denn ich wäre ein allmächtiger Gott.
Gemälde:
Die Grenzen des Verstehens / 50cm x 50cm / Öl auf Leinwand / 2014, Nr. 14-008
Fotos: Bei Mümliswil am Passwang